OGH 12Os123/88

OGH12Os123/881.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Dezember 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Egon B*** wegen des Verbrechens nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 6.Juli 1988, GZ 9 Vr 125/88-99, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann und des Verteidigers Dr. Rath, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verhetzung nach §§ 12 zweiter Fall, 283 Abs. 2 StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 344 StPO in der Sache selbst erkannt:

Egon B*** wird für das ihm weiterhin zur Last fallende Verbrechen nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG (Punkt I/ des Urteilssatzes) gemäß der ersten Strafstufe dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 65-jährige Pensionist Egon B*** des Verbrechens nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG und des Vergehens der Verhetzung als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 283 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Graz

I. sich im Frühjahr und Sommer 1987 auf eine andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er den gesondert verfolgten Jugendlichen Franzjörg Q*** als "Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten - Graz (ANS-Graz)" bei nationalsozialistisch ausgerichteten Aktivitäten unterstützte und förderte, dabei insbesondere die Durchführung nationalsozialistischer Propagandatätigkeit durch Mitglieder und Sympathisanten der "ANS-Graz" ausdrücklich befürwortete, zur Anbringung von nationalsozialistischen und rassistischen Parolen und Zeichen an Bauwerken aufforderte, in diesem Zusammenhang am 16. Juli 1987 das Haus Conrad v. Hötzendorf-Straße Nr. 7 unter Hinweis darauf als entsprechend geeignetes Objekt bezeichnete, daß sich dort besuchsweise ein "Angehöriger der negroiden Rasse" aufhalte, materielle Unterstützung der nationalsozialistischen Propagandatätigkeit sowie als Belohnung für erfolgreich durchgeführte "Schmieraktionen" die Überlassung von Sprengmaterial (Zeitbomben) zusagte;

II. am 16.Juli 1987 Franzjörg Q*** mit dem Hinweis auf den besuchsweisen Aufenthalt eines "Angehörigen der negroiden Rasse" in dem Haus Conrad v. Hötzendorf-Straße Nr. 7 zur Anbringung der (am 17. Juli 1987 tatsächlich aufgesprühten) Schmähparole "Affenhaus-Nigger raus" aufgefordert und solcherart dazu bestimmt, öffentlich in einer die Menschenwürde verletzenden Weise die negroide Rasse zu beschimpfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 1 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Der aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erhobene Einwand, der Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz Dr. T*** habe sich als beisitzender Richter an der Hauptverhandlung beteiligt, obwohl er bereits am 23.November 1987 als Untersuchungsrichter an der Verhaftung des Angeklagten bei einem Begräbnis in Wien teilgenommen hätte und deshalb gemäß § 68 Abs. 2 StPO ausgeschlossen gewesen wäre, scheitert schon daran, daß der Beschwerdeführer den reklamierten, die Nichtigkeit begründenden Umstand entgegen der Bestimmung des § 345 Abs. 2 StGB nicht gleich bei Beginn der Verhandlung geltend gemacht hat. Da es solcherart schon an einer wesentlichen Formalvoraussetzung für die Geltendmachung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes fehlt, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die (durch den Akteninhalt im übrigen nicht gedeckte - Seite 394/I und ON 21, Seiten 403 ff/I) Behauptung der Ausgeschlossenheit des genannten Richters. Als gleichermaßen nicht stichhältig erweist sich auch das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO, welcher regelmäßig das Aufzeigen von schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254, 302 StPO) zustandgekommenen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung oder Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse voraussetzt, die nach den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungswerten erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Geschwornen in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (11 Os 44/88). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeargumentation, der Wahrspruch der Geschwornen beruhe ausschließlich auf der Aussage des als "Spitzel" vorweg unglaubwürdigen Zeugen Jürgen H*** und lasse zudem die zeitliche Unvereinbarkeit der inkriminierten Tathandlungen mit der Periode der Anwesenheit des Angeklagten in Graz unberücksichtigt, schon deshalb nicht gerecht, weil sie sich nicht an der Gesamtheit der wesentlichen Verfahrensergebnisse orientiert. Nach den aktenkundigen sicherheitsbehördlichen Erhebungen kam es nämlich nicht auf Grund eigener Informationsinitiativen des Zeugen H***, sondern lediglich deshalb zu dessen polizeilicher Vernehmung, weil er von Franzjörg Q*** als Sympathisant der "ANS-Graz" namhaft gemacht worden war (S 175/I). Den polizeilichen Angaben des Zeugen Q*** ist (von der Beschwerde gleichermaßen übergangen) auch zu entnehmen, daß er den (ihm seit 1986 bekannten) Angeklagten dreibis viermal in Graz getroffen hatte (S 199/I). Vollständigkeitshalber bleibt hinzuzufügen, daß der Zeuge H*** vor der Polizei ein Gespräch mit Franzjörg Q*** erwähnte, demzufolge die (mit-)inkriminierte Kontaktaufnahme des Angeklagten wegen nationalsozialistisch ausgerichteter Anschläge und Aktivitäten am Vortag der Sprühaktion in der Conrad v. Hötzendorf-Straße stattfand (S 191/I).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil insoweit mit dem (nicht gerügten) materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO behaftet ist, als dem Angeklagten die (an nationalsozialistischem Vorbild orientierte) Bestimmung des Franzjörg Q*** zur Anbringung der Schmähparole "Affenhaus-Nigger raus" sowohl als Verbrechen nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG als auch als Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs. 2 StGB angelastet wurde. Besteht doch zwischen den in Rede stehenden (durch ein und dasselbe Täterverhalten verwirklichten) Tatbeständen (bloß) scheinbare Konkurrenz aus dem Rechtsgrund der Spezialität (s. Wiener Kommentar § 283 Rz 24), weil sich rassistische Verhetzungen der verfahrensaktuellen Art (insbesondere auch im Zusammenhang mit den weiteren zu Punkt I des Schuldspruchs erfaßten Aktivitäten) geradezu als spezifischer Ausdruck nationalsozialistischen Gedankenguts, mithin als Betätigung im nationalsozialistischen Sinn darstellen, die ausschließlich als (im Vergleich zur Strafdrohung des § 283 StGB drastisch qualifiziertes) Verbrechen nach § 3 g Abs. 1 VerbotsG zu beurteilen sind. Da sich die dargelegte unrichtige Gesetzesanwendung zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, war der Schuldspruch wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs. 2 StGB (Punkt II) spruchgemäß auszuschalten (§ 290 Abs. 1 StPO).

Bei der im Hinblick auf die getroffene Sachentscheidung erforderlichen Strafneubemessung nach der ersten Strafstufe des § 3 g Abs. 1 VerbotsG (die bezügliche, in der Begründung des angefochtenen Urteils unrichtig wiedergegebene - US 4 - Strafdrohung reicht von 5 bis 10 Jahren Freiheitsstrafe) fielen die besondere psychische Beschaffenheit des Angeklagten und seine in einzelnen Punkten einem Geständnis nahekommende Verantwortung als mildernd, als erschwerend hingegen die einschlägige Vorverurteilung und die nachteilige Einflußnahme auf einen Kreis überwiegend minderjähriger Personen ins Gewicht. Diese Strafzumessungsgründe lassen in Verbindung mit dem Umstand, daß sich die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten in das verwirklichte Tatunrecht als (ersichtlich strukturell bedingt) beträchtlich reduziert erweist, die - unter Anwendung der dem Angeklagten bereits in erster Instanz (unangefochten) zugebilligten außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 StGB - ausgesprochene Freiheitsstrafe als dem Unrechtsgehalt der abgeurteilten Taten und dem Verschulden des Angeklagten angemessen erscheinen. Für Erwägungen in Richtung § 43 a Abs. 4 StGB - die Anwendung des § 43 StGB kommt im Hinblick auf die Strafhöhe ex lege nicht in Betracht - bleibt schon im Hinblick auf die Wirkungslosigkeit der über den Angeklagten zuletzt verhängten, gleichfalls empfindlichen Freiheitsstrafe kein Raum. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte