OGH 6Ob705/88

OGH6Ob705/881.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Mag. Engelmaier und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilda K***, Besitzerin, Hauptstraße 172, 9210 Pörtschach, vertreten durch Dr. Karl Th. Mayer, Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Peter WLK, Besitzer, Zitterbachgasse 4, 9620 Hermagor, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Lienz, wegen Feststellung und Einverleibung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1988, GZ 1 R 224/87-28, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. August 1987, GZ 24 Cg 161/87-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß der Klägerin sowie auch jedem künftigen Eigentümer der Liegenschaft EZ 320 KG Hermagor als dem herrschenden Gut gegenüber dem jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 21 und 18/5 der Liegenschaft des Beklagten EZ 24 KG Hermagor,

a) das Recht des Gehens und Fahrens ob den Grundstücken 21 und 18/5 und

b) des Abstellens von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück 18/5 zusteht.

Das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, binnen 14 Tagen die Erklärung abzugeben, daß er in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit in der EZ 24 KG Hermagor einwillige, wird abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin an anteiligen Zeugen- und Pauschalgebühren für das Verfahren erster Instanz S 2.600.- binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im übrigen werden die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gegeneinander aufgehoben."

Der Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin an anteiligen Pauschalgebühren für das Revisionsverfahren S 2.500.- binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellte das aus dem Spruch ersichtliche Klagebegehren.

Der Beklagte bestritt das Bestehen einer Dienstbarkeit und brachte vor, eine solche würde die Bewirtschaftung seiner Liegenschaft unmöglich machen. Vor etwa acht Jahren habe der Beklagte den von der Klägerin, behaupteten Weg - in Wahrheit handle es sich um den Hofraum - mit einem versperrbaren Gatter versehen. Die Klägerin, der kein Schlüssel ausgefolgt worden sei, habe dies unwidersprochen hingenommen. Schon vor mindestens neun Jahren sei ein Schild angebracht worden, daß der Durchgang und das Durchfahren verboten seien. Auch dagegen habe die Klägerin nie etwas unternommen. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren mit der Einschränkung statt, daß die festgestellten Rechte der Klägerin sowie auch jedem künftigen Eigentümer der genannten Liegenschaften "nur ad personam" zustehen. Das Mehrbegehren auf Feststellung ohne die genannte Einschränkung sowie das Verbücherungsbegehren wurden abgewiesen. Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Hilda WLK, die Mutter der Klägerin und Großmutter des Beklagten, war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 24 KG Hermagor, die im Süden von der Zitterbachgasse und im Norden von der Hauptstraße begrenzt wurde. Mit Übergabsvertrag vom 5. Jänner 1949 übergab Hilda WLK der Klägerin unter anderem das im Norden der Liegenschaft befindliche Grundstück 18/1 (Hermagor, Haus Nr. 17 und Stadlbrücke). Die restliche Liegenschaft übergab sie mit Übergabsvertrag vom 27. Dezember 1955 ihrem Sohn Albert WLK, dem Vater des Beklagten. In weiterer Folge kaufte sie von Albert WLK das an das Grundstück 18/1 im Osten anschließende Grundstück 18/4. Albert WLK übergab seine Liegenschaft mit Übergabsvertrag vom 8. Februar 1983 dem Beklagten. Bis zum Jahre 1949 erfolgte die Zufahrt in den etwa 30 x 10 m großen Hofraum der damals zur Gänze im Eigentum der Hilda WLK stehenden Liegenschaft von der Hauptstraße aus, es wurde aber auch von Süden her eingefahren. Hilda WLK hatte vor, die Einfahrt von der Hauptstraße zu schließen und in einen Eingang umzubauen. Um eine Finanzierung dieses Vorhabens zu ermöglichen, schloß sie den angeführten Übergabsvertrag mit der Klägerin. Es war also bereits zum Zeitpunkt des Übergabsvertrages klar, daß die Einfahrt von der Hauptstraße zugemauert werde. Die Klägerin sprach mit ihrer Mutter darüber und diese sagte, daß der Hofraum groß genug wäre. Es wurde davon gesprochen, daß man - auch LKW - über den gesamten Hofraum fahren und Fahrzeuge dort stehen lassen könne. Durch das damals auf dem Grundstück 18/4 stehende alte Haus waren die Verhältnisse so beengt, daß eine Zufahrt nur insofern möglich war, daß die Fahrzeuge im Hofraum des Hilda WLK verbleibenden Teiles der Liegenschaft stehen bleiben mußten. Davon, daß man über die Grundfläche auch gehen könne, wurde nicht gesprochen. Dies war für alle Beteiligten selbstverständlich. Nicht gesprochen wurde von der grundbücherlichen Sicherstellung einer Dienstbarkeit. Die Klägerin verpflichtete sich im Übergabsvertrag, das Durchgangs- und Durchfahrtsrecht für Wirtschaftsfuhren aller Art von der Hauptstraße durch die gassenseitige Einfahrt zu den im Hof des Hauses befindlichen Wirtschaftsgebäuden der Übergeberin oder deren erstem Rechtsnachfolger so lange zu gestatten, als nicht eine eigene Einfahrt von der Südseite des Besitzes geschaffen ist. Im Übergabsvertrag wurde des weiteren ausgeführt, daß die durch diesen Vertrag geschaffene Teilung des Besitzes notwendigerweise eine Änderung in der Benützung bisher gemeinsamer Einrichtungen, Bodenflächen und dergleichen mit sich bringen werde, es würden bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssen, um nach und nach eine vollständige und unabhängige Bewirtschaftung der getrennten Besitze zu ermöglichen. Die beiden Vertragsteile und deren Rechtsnachfolger wären daher verpflichtet, alle Fragen obiger Art vor Inangriffnahme von Änderungen und Bauausführungen dort, wo gemeinsame Interessen vorliegen würden, im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln und auf diese Bedacht und Rücksicht zu nehmen. 1949/1950 erfolgte der Umbau. Den Leuten, die mit den Umbauarbeiten befaßt waren, sagte die Klägerin nichts über ein allfälliges Zufahrtsrecht. Dies hatte (auch was allfällige weitere Umbauarbeiten betrifft) zur Folge, daß die Handwerker den Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger zum Teil fragten, weil sie dies als Höflichkeit empfanden. Soweit sie nicht gefragt haben, wurden sie nicht beanstandet. Bereits im Mai 1949 verpachtete die Klägerin die auf der Liegenschaft EZ 320 betriebene Gastwirtschaft. In den mit den im Laufe der Jahre wechselnden Pächtern abgeschlossenen Pachtverträgen ist nichts über ein Zufahrtsrecht von Süden her enthalten. Die Pächter verwendeten als Zugang sowohl den Eingang von der Hauptstraße als auch jenen von Süden her. Soweit sie ein Fahrzeug hatten, fuhren sie von Süden in den Hofraum ein und stellten das Fahrzeug dort ab. Einigen der Pächter lieferte der Ehemann der Klägerin das Fleisch. Zu diesem Zweck fuhr er in den Hofraum und ließ das Fahrzeug dort stehen. Die Klägerin besuchte ihre Mutter des öfteren, schaute im Haus nach dem Rechten, manchmal besuchte sie auch den Beklagten. In allen diesen Fällen stellte sie ihr Fahrzeug im Hof ab und ging zu Fuß weiter. Auch andere Personen, die von der Klägerin Aufträge erhalten hatten, fuhren in den Hof ein, ohne beanstandet zu werden. Das auf dem Grundstück 18/4 befindliche alte Haus wurde 1968 abgerissen. Aber auch danach wurde nicht weiter als vorher in den Hofraum eingefahren, zumal eine Böschung entstanden war, in deren Bereich die Liegenschaft der Klägerin ca. 80 cm höher war als jene des Beklagten. Mit zunehmender Motorisierung fuhren immer mehr Gäste der Gastwirtschaft in den Hofbereich, was ihnen über Weisung des Vaters des Beklagten verboten wurde. Im Jahre 1954 wurde im Bereich der Südeinfahrt eine Tafel "Einfahrt verboten" aufgestellt. Der Klägerin wurde mitgeteilt, daß sich diese Tafel auf die Gäste und auf fremde Leute beziehe. Etwa 1976 trat die Klägerin an den Vater des Beklagten mit dem Ersuchen heran, auf sein Durchgangsrecht betreffend die Nordeinfahrt ihres Hauses zu verzichten, da sie das Haus verkaufen und dieses Recht aus dem Grundbuch haben möchte. Der Vater des Beklagten kam diesem Verlangen nach, damals wurde vom streitgegenständlichen Recht nicht gesprochen. 1976 wurden wiederum Umbauarbeiten durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Klägerin und ihr Ehemann täglich an Ort und Stelle und stellten ihr Fahrzeug im Hofraum des Beklagten ab, um sodann im Haus nach dem Rechten zu sehen. Auch hiebei wurden sie nie beanstandet. Im Mai 1976 pachtete Irmgard J*** die Gastwirtschaft, die sie auch heute noch betreibt. Im Jahre 1978 errichtete sie etwa 2 m nördlich der Grenze der Liegenschaften der Streitteile einen Schilfmattenzaun als Sichtschutz. Die Klägerin war damit einverstanden, ebenso der Vater des Beklagten, der bei der frei gebliebenen Öffnung ein Gatter anbrachte, damit das Vieh nicht in den Hofraum der Klägerin geht und insbesondere, damit die Gäste der Gastwirtschaft nicht in seinen Hofraum kommen. Ab der Errichtung des Schilfzaunes fuhr Irmgard J*** mit ihrem PKW bis zum Schilfmattenzaun und stellte ihn dort ab. Im Jahre 1979 wollten Gäste des Beklagten zu dessen Haus von Norden her durch die Gastwirtschaft gehen, was ihnen Irmgard J*** verbot. Der Beklagte und sein Vater stellten sich nun auf den Standpunkt, daß Irmgard J*** dann bei ihnen auch nicht mehr durchfahren und durchgehen könne, dies wurde auch der Klägerin mitgeteilt. Irmgard J*** hielt sich an dieses Verbot. Der Beklagte und sein Vater duldeten auch nicht, daß Gäste durch den Hofraum zur Gastwirtschaft gingen. Etwa 1982 bat Irmgard J***, wieder über die Hoffläche fahren zu können und zwar insbesondere deshalb, weil sie im Sommer frisches Fleisch zu transportieren hatte. Der Beklagte gestattete ihr dies unter der Bedingung, jedes Mal zu fragen. Sie tat dies zunächst auch. Als sie einige Male nicht fragte, wurde sie ausdrücklich aufmerksam gemacht, daß sie dies zu tun hätte. Sie kam dieser Forderung in weiterer Folge auch nach. Vor sieben bis acht Jahren errichtete der Beklagte im Bereich der Einfahrt von der Zitterbachgasse ein Gatter, und zwar eine versperrbare Doppeltür und eine lediglich mit einem Riegel versehene kleine Tür. Es wurde dort auch eine Tafel "Einfahrt verboten" angebracht, die sich so wie die im Jahre 1954 angebrachte nur auf die Gäste der Gastwirtschaft bezog. Auch in weiterer Folge fuhren die Klägerin und ihr Ehemann in den Hof ein, der Beklagte öffnete, wenn er sie kommen sah, das Tor selbst. Im April 1986 brachte der Ehemann der Klägerin das Tor nicht auf und rief deshalb den Beklagten an, der erklärte, das Tor sei nicht versperrt, es gehe nur schwer auf, ein Umstand, der sich als richtig herausstellte. Im Verlaufe des Telefongespräches erklärte der Ehemann der Klägerin, er wolle einen Schlüssel zum Tor, was aber abgelehnt wurde. Als er in der Folge in den Hofraum einfuhr, wurde ihm gesagt, er hätte kein Recht einzufahren. Es war dies das erste Mal, daß ihm derartiges mitgeteilt wurde. Im Winter hat eine Möglichkeit, bis zum Schilfmattenzaun bzw. bis zur Grundstücksgrenze zu fahren, wegen Schneeanhäufungen nie bestanden, es bestand lediglich die Möglichkeit, zu gehen. Im Zuge der Bewirtschaftung seines Anwesens benötigte der Beklagte manchmal den gesamten Hofraum, den er mit dem Traktor blockierte. In diesen Fällen wies er die Klägerin immer an, wo sie ihr Fahrzeug hinstellen solle, damit es nicht störe. Im Jahre 1979 äußerte sich die Klägerin anläßlich des gegenüber der Pächterin ausgesprochenen Verbotes, über den Hofraum zu gehen und zu fahren, sie wisse, daß sie es verabsäumt habe, das Recht schriftlich niederzulegen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, beim Recht zu gehen, zu fahren und Fahrzeuge abzustellen, handle es sich an und für sich um eine Grunddienstbarkeit, die durch Verbücherung entstehe. Im vorliegenden Fall sei von einer Verbücherung nie gesprochen worden, weshalb lediglich eine obligatorische Dienstbarkeit begründet worden sei. Dies ändere aber an der Rechtsnatur nichts. Es handle sich um eine vertragliche Dienstbarkeit, die offenkundig gewesen und auch Nachfolgern gegenüber wirksam sei. Durch das gegenüber der Pächterin ausgesprochene Verbot habe sich der Beklagte der Dienstbarkeit widersetzt, die Klägerin müsse das Verhalten des Beklagten gegenüber der Pächterin gegen sich gelten lassen, weil Besitzausübung durch Stellvertreter möglich sei. Dies könne aber nicht zu einem völligen Erlöschen der Servitut führen, zumal die Klägerin und ihre Verwandten sich weiterhin vertragsgemäß hätten verhalten dürfen. Die Verjährung nach § 1488 ABGB könne auch eine Einschränkung der Dienstbarkeit bewirken. Eine solche werde meistens räumlich zu sehen sein. Die Einschränkung sei aber auch dahin möglich, daß die Dienstbarkeit nur mehr einer bestimmten Person zustehe. Die Einschränkung bedeute, daß sämtliche Rechte nur mehr von der Klägerin und den von ihr beauftragten Personen, aber nicht mehr von der Pächterin ausgeübt werden könnten. Das bedeute, daß es sich nun um eine unregelmäßige Dienstbarkeit handle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wohl aber jener des Beklagten und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- und der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000.- übersteige, der Wert, über den es entschieden habe, aber insgesamt S 300.000.- nicht übersteige. Die Revision wurde für zulässig erklärt. Das Berufungsgericht übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, die Klägerin nehme eine Grunddienstbarkeit im Sinne des § 473 ABGB in Anspruch, die der vorteilhafteren Benützung eines Grundstückes dienen solle. Auch das, was das Erstgericht der Klägerin zugesprochen habe, stelle keine unregelmäßige Dienstbarkeit sondern eine Grunddienstbarkeit dar, bei der das Recht auf die Person der Eigentümer des herrschenden Grundstückes eingeschränkt worden sei. Im Falle der Freiheitsersitzung sei unter den "Berechtigten" im Sinne des § 1488 ABGB auch der Pächter des herrschenden Gutes zu verstehen. Dieser sei selbständiger Inhaber der Sache kraft eigenen Rechtes (Rechtsbesitzer), durch dessen Besitzausübung sich zugleich der Sachbesitz des Eigentümers verwirkliche. Der Wirkung dieser Besitzmittlung komme dabei nicht nur für den Erwerb, sondern auch für die Erhaltung des Besitzes entscheidende Bedeutung zu. Der Pächterin sei 1979 das Fahren und Gehen über die Liegenschaft des Beklagten verboten worden. Die Pächterin habe sich an dieses Verbot gehalten. Innerhalb der dreijährigen Frist des § 1488 ABGB sei gegen das Verbot, von dem die Klägerin Kenntnis gehabt habe, nichts unternommen worden. Dies bedeute, daß die Dienstbarkeit durch Freiheitsersitzung untergegangen sei. Diese Freiheitsersitzung habe nicht nur die Einschränkungen des Servitutsrechtes sondern den gänzlichen Untergang zur Folge. Der Beklagte habe sich der Benützung seiner Liegenschaft durch die Pächterin zur Wehr gesetzt. Der dadurch eingetretene Rechtsverlust erstrecke sich damit aber auch auf die Klägerin, die "mit der Bewirtschaftung des herrschenden Gutes durch die ständigen Verpachtungen (überwiegend) selbst nichts mehr zu tun" gehabt habe. An dieser Beurteilung vermöge der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin auch nach 1979 aus Anlaß von Besuchen die Liegenschaft zum Zufahren und Abstellen ihres PKWs verwendet habe, zumal diese Besuche in keinem Zusammenhang mit der eigentlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft gesehen werden könnten. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob tatsächlich eine Dienstbarkeitsvereinbarung zustande gekommen sei, ob eine Verbücherung verlangt werden könnte und ob die Klägerin die behauptete Dienstbarkeit ersessen habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, in der der Antrag gestellt wird, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Bestand eine Dienstbarkeit, dann ist es Sache des Beklagten, die Freiheitsersitzung zu beweisen. Bewiesen hat der Beklagte, daß er im Jahre 1979 gegenüber der Pächterin der Gastwirtschaft das Verbot aussprach und die Pächterin dieses Verbot auch beachtete. Es entspricht herrschender Ansicht, daß der Pächter Besitzmittler sowohl hinsichtlich der Erhaltung des Besitzes als auch dessen Erwerbes ist (Schey in Klang2, II, 80 f; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 1488, SZ 50/130). Es obliegt daher dem Pächter, die Rechte gegenüber dem sich der Ausübung der Rechte widersetzenden Besitzer des belasteten Grundstückes wahrzunehmen (RZ 1983/8). Voraussetzung dafür, daß eine Servitut gemäß § 1488 ABGB durch eine Widersetzlichkeit gegenüber dem Pächter erlischt, ist aber, daß der Pächter den gesamten Besitz allein ausübt. Im vorliegenden Fall ist eine auf der Liegenschaft der Klägerin befindliche Gastwirtschaft verpachtet. Daß die gesamte Liegenschaft zum Pachtobjekt gehört, steht aber nicht fest, zumal die Mutter der Klägerin zu der Zeit, als die Gastwirtschaft schon verpachtet war, im Haus wohnte (gemäß Punkt III des Übergabsvertrages hatte die Mutter ein lebenslängliches Wohnrecht an einer im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnung. Überdies sagte Margit S*** als Zeugin aus, seit zwei Jahren Mieterin einer im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnung zu sein. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß Irmgard J*** Pächterin der gesamten Liegenschaft ist. Sie übte die Dienstbarkeit nicht allein aus, da auch die Klägerin, ihr Ehemann und von ihr beauftragte Personen mit Fahrzeugen in den Hof des Beklagten einfuhren und durch den Hof gingen. Wenn die Klägerin, ihr Ehemann, oder von ihr beauftragte Personen im Haus nach dem Rechten sahen oder dort etwas zu erledigen hatten, handelte es sich um eine Benützung der Liegenschaft der Klägerin im Sinne des § 473 ABGB und beim Befahren oder Begehen des Hofes des Beklagten daher um eine Ausübung der Dienstbarkeit. Das gegenüber der Pächterin ausgesprochene Verbot konnte daher nicht zu einem Erlöschen der Dienstbarkeit führen. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin vom Verbot Kenntnis hatte, zumal sie selbst, die von ihr beauftragten Personen und ihr Ehemann weiterhin ungehindert die Servitutsrechte ausüben konnten. Das Verbot muß daher dahin verstanden werden, daß es gegenüber Irmgard J*** persönlich (als Reaktion auf ein von ihr ausgesprochenes Verbot) ausgesprochen wurde und nicht in der Eigenschaft der Pächterin als Besitzmittlerin. Dazu kommt, daß die Pächterin nicht Besitzmittlerin der gesamten Liegenschaft war. Eine Widersetzlichkeit im Sinne des § 1488 ABGB erfolgte daher durch das gegenüber der Pächterin ausgesprochene Verbot nicht. Die Errichtung des Gatters und die Anbringung von Fahrverbotstafeln stellten ebenfalls keine Widersetzlichkeit dar, weil das Gatter nicht versperrt wurde und dieses ebenso wie die Fahrverbotstafeln nur den Zweck hatte, die Verwendung des Hofes durch Gäste der Gastwirtschaft zu verhindern. Die Ausübung der Servitutsrechte wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Es ist daher erforderlich, zu prüfen, ob die von der Klägerin behauptete Servitut tatsächlich besteht. Dabei ist davon auszugehen, daß anläßlich des Abschlusses des Übergabsvertrages - damals war klar, daß die Einfahrt von der Hauptstraße her zugemauert werden soll - die Klägerin ihre Mutter wegen der Einfahrt befragte und die Mutter, die Eigentümerin des nicht übergebenen Teiles der Liegenschaft blieb, erklärte, der Hofraum wäre groß genug. Es wurde damals auch davon gesprochen, daß man - auch mit LKW - über den ganzen Hofraum fahren und Fahrzeuge dort stehen lassen könne. Dieses Gespräch zwischen den Eigentümerinnen der auf Grund des Übergabsvertrages getrennten Liegenschaften kann nur so verstanden werden, daß die Eigentümerin des südlich gelegenen Grundstückes der Eigentümerin des im Norden angrenzenden das Recht einräumte, über den Hof zu fahren und Fahrzeuge abzustellen. Dieses vertraglich vereinbarte Recht wurde in der Folge auch durch viele Jahre hindurch ungehindert ausgeübt. Bei einem derartigen Recht handelt es sich grundsätzlich um eine Grunddienstbarkeit. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien eine Verbücherung beabsichtigten (so wie bei dem von der Klägerin ihrer Mutter eingeräumten Recht), besteht jedoch nicht. Es handelte sich daher um ein obligatorisches Recht mit dem Inhalt einer Dienstbarkeit (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 472 mwN). Diese bindet auch den Beklagten (Petrasch, aaO, Rdz 2 zu § 481). Daraus folgt, daß das Feststellungsbegehren im vollen Umfang berechtigt ist, weil das obligatorische Recht der Klägerin durch das vom Beklagten gegenüber der Pächterin ausgesprochene Verbot nicht beeinträchtigt werden konnte. Dem Verbücherungsbegehren war hingegen nicht stattzugeben. In diesem Sinne war der Revision teilweise Folge zu geben.

Bei der Kostenentscheidung war davon auszugehen, daß die Klägerin mit dem Feststellungsbegehren obsiegte, mit dem auf Verbücherung gerichteten Begehren aber unterlag. Die Kosten des Verfahrens erster und dritter Instanz waren daher gemäß den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO gegeneinander aufzuheben. Nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO hat die Klägerin allerdings Anspruch auf Ersatz der Hälfte der Zeugen- und Pauschalgebühren. Im Berufungsverfahren obsiegte die Klägerin nur mit einem geringfügigen Teil und der Beklagte überhaupt nicht. Gemäß den §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO hätte daher jede Partei Anspruch auf Ersatz der (gleich hohen) Kosten der Berufungsbeantwortungen, für die Berufungen besteht hingegen ebensowenig ein Kostenersatzanspruch wie für die Berufungsverhandlung. Daher waren die Kosten auch für das Berufungsverfahren gegeneinander aufzuheben.

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