OGH 9ObA278/88

OGH9ObA278/8830.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Dr.Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***-G*** J*** Gesellschaft mbH, Trautenfels, Pürgg 76, vertreten durch Dr.Nikolaus Frank, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagten Parteien 1.) Eva Maria K***, Geschäftsführerin, Trautenfels, Pürgg 83, 2.) Leo K***, Angestellter, ebenda, beide vertreten durch Dr.Heinz Kalss, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen zu

1.) 522.027,-- S sA und zu 2.) 525.294,-- S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juli 1988, GZ 7 Ra 84/88-79, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Dezember 1987, GZ 21 Cga 77/87-74, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 18.959,49 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.723,59 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei betrieb seit 1973 in Pürgg die Erzeugung und den Vertrieb von Kalendern. Geschäftsführer war Horst J***, der allerdings auch Geschäftsführer des Mutterunternehmens in der Bundesrepublik Deutschland war und daher nur selten im Betrieb in Pürgg anwesend war. In diesem Betrieb waren von J*** die Erstbeklagte als kaufmännische und der Zweitbeklagte als technischer Betriebsleiter eingestellt worden. Ihnen war Prokura erteilt und die Leitung der Erzeugung und des Vertriebes der Produkte im wesentlichen alleinverantwortlich übertragen. Beide Angestellte waren mit schriftlichen Dienstverträgen, welche dem Kollektivvertrag der Angestellten des graphischen Gewerbes unterlagen, angestellt. Punkt 4. des zwischen den Parteien abgeschlossenen Dienstvertrages hatte folgenden Wortlaut:

"4. Für Frau und Herrn K*** ist je ein gleiches Monatsgehalt von brutto S pro Monat vereinbart. Dieses Gehalt nimmt teil an den tariflichen Lohnerhöhungen, die sich aus dem Tarifvertrag für Angestellte nach der Gruppe VI B in Zukunft ergeben. Darüber hinaus sind wir damit einverstanden, daß das Ehepaar K*** bei denjenigen Offerten eine Provision zu ihren Gunsten zusätzlich einberechnet, bei denen sie hofft, mit dem dadurch erhöhten Angebot trotzdem zum Zug zu kommen. Die Umsatzbeteiligung für Herrn F*** aus dem ihm überlassenen Gebiet bleibt davon unberührt."

Bis 1978 waren Roland P*** und Konrad K*** als Vertreter bei der klagenden Partei beschäftigt. Konrad K*** war für die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg verantwortlich, Roland P*** für die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Burgenland. Nach dem Ausscheiden Roland P*** fand im Jahr 1978 eine Besprechung zwischen Horst J***, dem Geschäftsführer der klagenden Partei, den beiden Beklagten und Konrad K*** statt. Horst J*** erklärte gegenüber Konrad K***, daß er mit dessen Leistungen als Vertreter nicht zufrieden sei. Da in den von Roland P*** bis dahin betreuten Bundesländern Kärnten, Steiermark und Burgenland auch einige "große" Kunden der klagenden Partei zu betreuen waren, wurde bei dieser Besprechung vereinbart, daß zwar grundsätzlich Konrad K*** in Hinkunft auch für die Bundesländer Steiermark, Kärnten und Burgenland verantwortlich sei, die "großen" Kunden aber vom Zweitbeklagten Leo K*** betreut werden sollten. Horst J*** sagte in diesem Zusammenhang zu Konrad K***, daß die Vertretertätigkeit in großem Umfang für ihn nicht zu schaffen wäre. Zwischen Horst J*** und dem Zweitbeklagten wurde vereinbart, daß dieser für die Vertretertätigkeit die gleiche Entlohnung bekommen sollte wie sein Bruder Konrad K***. Dieser bezog zum damaligen Zeitpunkt zusätzlich zu seinem Fixum von ca. 10.000 S brutto eine Provision zwischen 1 und 3 % pro Verkaufsabschluß. Die Höhe der Provision wurde von der Erstbeklagten entschieden. Zwischen dem Geschäftsführer der klagenden Partei und der Erstbeklagten Eva K*** wurde vereinbart, daß die Erstbeklagte für diejenigen Geschäfte eine Provision erhalten solle, die sie abschließe. Die Erstbeklagte nahm ausschließlich per Telefon Geschäftsabschlüsse vor. Bei der Besprechung im Jahr 1978 wurde die maximale Provisionshöhe mit 3 % der Auftragssumme festgesetzt. Im Einzelfall wurde die Provision innerhalb dieses Rahmens von der Erstbeklagten bestimmt. Die Beklagten haben in der Folge insbesonders auch in den Jahren ab 1981 Provisionen nur in Fällen verrechnet, in denen die Voraussetzungen der Provisionsvereinbarungen erfüllt waren. Beide Beklagten notierten die von ihnen geleisteten Überstunden auf einem Kalender und übertrugen diese Zeiten dann in Karten. Nach den Vorstellungen des Geschäftsführers der klagenden Partei sollten die Überstunden der beiden Beklagten ebenso entlohnt werden wie Überstunden der Arbeiter. Die Arbeitszeiten wurden an Hand der Stempelkarten ermittelt. Die Berechnung der Überstunden war Aufgabe der Erstbeklagten. Für die Erstbeklagte sind im Lohnkonto für das Jahr 1979 in den Monaten September bis Dezember 86 Überstunden verzeichnet, im Jahr 1980 in den Monaten Juni bis

Dezember 163 Überstunden, im Jahr 1981 ganzjährig 255 Überstunden, im Jahr 1982 ganzjährig 433 Überstunden und im Jahr 1983 ab März 343 Überstunden. Im Lohnkonto des Zweitbeklagten sind im Jahr 1979 153 Überstunden, im Jahr 1980 204 Überstunden, im Jahr 1981 283 Überstunden, im Jahr 1982 393 Überstunden und im Jahr 1983 344 Überstunden verzeichnet. Die Entlohnung der Überstunden erfolgte im Umfang der Verzeichnung. Verschiedene Ankäufe, die die Beklagten der klagenden Partei in Rechnung stellten sowie verrechnete Restaurant- und Hotelkosten betrafen Werbegeschenke an Geschäftspartner der klagenden Partei, Einladungen von Geschäftspartnern bzw. Aufwendungen im Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit. Geschäftsreisen, für die die Erstbeklagte Kilometergelder und Diäten von 330 S täglich in Rechnung stellte, wurden von ihm im verzeichneten Ausmaß durchgeführt. Der Geschäftsführer der beklagten Partei überprüfte einmal jährlich mit der Erstbeklagten alle Konten der klagenden Partei. Am 21. Oktober 1983 ließ sich der Geschäftsführer der klagenden Partei von der Erstbeklagten das Lohnkonto aufschlüsseln. Er war der Ansicht, daß sich die Beklagten in Widerspruch zum bestehenden Arbeitsvertrag zusätzliche Zahlungen von 608.233 S zugebilligt hätten. Bei einem Gespräch in Pürgg am 29.Oktober 1983 forderte der Geschäftsführer der klagenden Partei die beiden Beklagten auf, die nach seiner Ansicht betrügerisch erlangten Beträge entweder zurückzuzahlen oder das Dienstverhältnis aufzulösen. In diesem Fall sollte das Dienstverhältnis mit 31.Dezember 1983 beendet sein. Der Erstbeklagte fragte den Geschäftsführer der beklagten Partei, ob dies als Kündigung aufzufassen sei, was Horst J*** bejahte. Der Bruder des Zweitbeklagten teilte in der Folge dem Geschäftsführer der klagenden Partei telefonisch mit, daß die beiden Beklagten die Kündigung annehmen.

Die klagende Partei begehrt von der Erstbeklagten die Zahlung eines Betrages von 522.027 S und vom Zweitbeklagten die Zahlung eines Betrages von 525.294 S je sA. Die Beklagten hätten diese Beträge für angeblich zustehende Provisionen und angeblich geleistete Überstunden in den Jahren 1981 bis 1983 der klagenden Partei unberechtigt entzogen. Geltend gemacht wurden weiters Zinsen aus einem selbst bewilligten Darlehen, Zinsen für Entnahmen aus der Firmenkasse und der Ersatz von Aufwendungen für verschiedene, der klagenden Partei in Rechnung gestellte Einkäufe und Gaststättenkonsumationen. Es handle sich dabei um private Aufwendungen der Beklagten, die der klagenden Partei zu Unrecht in Rechnung gestellt worden seien.

Die beklagten Parteien anerkannten Ansprüche der klagenden Partei in der Höhe von insgesamt 22.394,79 S und beantragten im übrigen die Abweisung der Klage. Insbesonders seit dem Ausscheiden eines Außendienstmitarbeiters im Jahr 1978 hätten die Beklagten zusätzlich zu ihrer bis dahin ausgeübten Betriebsleitertätigkeit weitere Aufgaben in der Kundenanbahnung und Kundenbetreuung sowie Außendienstarbeiten übernommen. Als Gegenleistung für diese zusätzlichen Aufgaben habe der Geschäftsführer der klagenden Partei Ansprüche der Beklagten auf Provisionszahlungen für entsprechende Kundenwerbung bzw. Auftragsakquisition, Abgeltung der erforderlichen Überstunden und Reisekostenersatz akzeptiert. Der Geschäftsführer der klagenden Partei habe überdies die Provisionsauszahlungen und Überstunden der beklagten Parteien aufgrund der Lohnkonten genau überprüft. Weitere Ausgaben hätten Anbahnungsgeschenke für Kunden bzw. Geschäftsessen mit Kunden der klagenden Partei betroffen. Ein Darlehen sei den Beklagten vom Geschäftsführer der klagenden Partei gewährt worden, wobei Zinsen nicht vereinbart worden seien. Einredeweise erhoben die Beklagten Gegenforderungen von 165.004,88 S (Erstbeklagte) bzw. 165.726,76 S (Zweitbeklagter). Im Hinblick auf die Dauer der Dienstverhältnisse stünden den Beklagten Abfertigungsansprüche in dieser Höhe zu.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit einem Betrag von 22.394,79 S und die eingewendeten Gegenforderungen bis zu dieser Höhe zu Recht bestehen und wies das Begehren der klagenden Partei ab. Der klagenden Partei sei der Beweis dafür, daß die Beklagten die klagsgegenständlichen Beträge der Firmenkasse zu Unrecht entnommen hätten, nicht gelungen. Die Ausgaben für Ankäufe von Geschenken und Gasthauskonsumationen hätten ausschließlich notwendige Aufwendungen für den Geschäftsbetrieb betroffen. Provisionen seien nur im Rahmen des Dienstvertrages verrechnet worden. Die Überstunden seien entsprechend verzeichnet und die hiefür getätigten Zahlungen auf dem Lohnkonto bzw. die getätigten Aufwendungen auf dem entsprechenden Aufwandskonto verbucht worden. Im Hinblick darauf, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei alljährlich sämtliche Konten mit der Erstbeklagten durchgegangen sei und niemals Beanstandungen geäußert habe, hätten die Beklagten vom Vorliegen des Einverständnisses des Geschäftsführers mit der geübten Vorgangsweise ausgehen können. Die Forderungen der klagenden Partei seien daher nur in dem von den Beklagten anerkannten Umfang berechtigt. Da das Dienstverhältnis der Beklagten nicht durch Entlassung, sondern durch Kündigung geendet habe, stünden den Beklagten auch Abfertigungsansprüche zu, deren Ausmaß die Höhe der zu Recht bestehenden Klagsforderung übersteige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es erachtete die Beweisrüge nicht für berechtigt und führte ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, daß von den Beklagten Provisionen nur im Rahmen der Bestimmungen des Dienstvertrages verzeichnet worden seien. Überstunden seien zu entgelten, wenn sie widerspruchslos entgegengenommen worden seien. Die klagende Partei habe die Überstundenleistung jahrelang entgegengenommen. Selbst wenn mangels ausreichender Kenntnis der Betriebs- und Abrechnungsvorgänge die Kenntnis von der Überstundenleistung gefehlt haben sollte, wären diese zu entgelten; die klagende Partei hätte dann diese fahrlässige Unkenntnis zu vertreten. Mit der unbeanstandeten Entgegennahme der Überstundenleistung und der Bezahlung durch Überprüfung der diese Überstundenleistung ausweisenden Lohnkontoblätter sei auf Seiten der Beklagten der Eindruck erweckt worden, es würden auch künftig Überstunden zwar nicht angeordnet, aber doch akzeptiert werden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit sich die klagende Partei im Rahmen der Mängelrüge dagegen wendet, daß die Vorinstanzen ihrer Entscheidung zugrundelegten, anläßlich des Ausscheidens des Vertreters P*** im Jahre 1978 sei eine neue Provisionsvereinbarung getroffen worden, wird in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bekämpft. Ein Eingehen auf diese Ausführungen ist dem Revisionsgericht ebenso verwehrt wie eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Geschäftsführer der klagenden Partei J*** jährlich einmal alle Konten der klagenden Partei prüfte; auch dies wurde von den Vorinstanzen festgestellt und ist daher der Revisionsentscheidung zugrundezulegen. Voraussetzung für die Vergütung von Überstunden ist, daß der Arbeitgeber mit ihrer Leistung zumindest einverstanden war. Die Judikatur bejaht den Anspruch auf Zahlung von Überstunden nicht nur bei ausdrücklicher Anordnung, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber die Leistung geduldet und entgegengenommen hat (Arb 8023; 8890, 9406, 9454 ua). Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre kann es nur darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers auf dessen Einverständnis schließen durfte (Floretta-SpielbüchlerStrasser, Arbeitsrecht I3, 143; Grillberger, Arbeitszeitgesetz, 78). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen, daß die Beklagten jahrelang Überstunden im beträchtlichen Ausmaß leisteten und daß die klagende Partei hievon auch Kenntnis haben mußte, zumal der Geschäftsführer jährlich sämtliche Konten und damit auch die Lohnkonten, auf denen die Überstunden der Beklagten verzeichnet waren, mit der Erstbeklagten überprüfte. Daraus konnten die Beklagten nur den Schluß ableiten, daß seitens der klagenden Partei gegen Überstundenleistung auch in größerem Ausmaß keine Einwendungen erhoben werden. Festgestellt wurde, daß von den Beklagten nur tatsächlich geleistete Überstunden verzeichnet wurden; Überstunden der Beklagten sollten nach den Vorstellungen des Geschäftsführers der klagenden Partei ebenso entlohnt werden wie Überstunden der Arbeiter. Die für die verzeichneten Überstunden erfolgten Auszahlungen haben die Beklagten daher zu Recht bezogen. Abgesehen davon, daß § 26 AZG eine bestimmte Form für die Aufzeichnung von Überstunden nicht festlegt - durch die hier gewählte Form durch Aufzeichnung in einem Kalender wird der Vorschrift durchaus Rechnung getragen, soweit die Übersichtlichkeit gewahrt ist handelt es sich dabei um eine Bestimmung, die lediglich der Sicherstellung der Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes dient und nur den Arbeitgeber bindet; selbst ein Verstoß gegen diese Aufzeichnungsverpflichtung könnte den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entlohnung für geleistete Überstunden nicht berühren. Die Verrechnung von Provisionen erfolgte im Rahmen der zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarungen. Soweit die Revision dies in Frage stellt, weicht sie in unzulässiger Weise von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ab.

Das unter dem Rechtsgrund zu Unrecht bezogener Provisionen und Überstundenentgelten erhobene Begehren der klagenden Partei - nur zu diesem Teil des Streitgegenstandes enthält die Revision Ausführungen - besteht daher nicht zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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