OGH 1Ob691/88

OGH1Ob691/8830.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Jürgen W*** KG, Möbelcenter, Bürs, Bremschlstraße 4-8, 2.) D*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1, Wipplingerstraße 36-38, beide vertreten durch Dr.Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, sowie des Nebenintervenienten auf Seite der erstklagenden Partei M*** & K*** Gesellschaft mbH, Bludenz, Raiffeisenstraße 4, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Josef M***, Metallverarbeitung Gesellschaft mbH & Co. KG, Braz, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 1,166.844,-- und S 214.783,-- s.A. infolge Revision der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das End- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Juni 1988, GZ 2 R 74/88-81, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Dezember 1987, GZ 6 Cg 55/87-76, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtssache war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 28.Jänner 1987, 1 Ob 653/86, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Im zweiten Rechtsgang brachten die klagenden Parteien vor, bei der beklagten Partei handle es sich um einen Großbetrieb, so daß die erstklagende Partei bei Auftragserteilung davon habe ausgehen können, daß die beklagte Partei der von ihr vertraglich übernommenen Prüfpflicht nachkommen werde.

Die beklagte Partei brachte vor, auf Grund der bei Vertragsabschluß geführten Gespräche sei es beiden Vertragspartnern klar gewesen, daß die beklagte Partei keine Prüfpflichten betreffend die Dachkonstruktion, die Statik und Bauphysik treffe, was auch nach der Verkehrsauffassung und Branchenübung von der erstklagenden Partei nicht habe erwartet werden können. Die beklagte Partei habe auch über keine Mitarbeiter verfügt, die Kenntnisse in dieser Richtung aufwiesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest:

Josef M***, der geschäftsführende Gesellschafter der beklagten Partei, sei gelernter Mechaniker; er habe sich im Jahre 1961 selbständig gemacht. Im Jahre 1963 habe er die Schlossermeisterprüfung abgelegt und betreibe seither auch eine Schlosserei. Ing.Walter K*** sei im Betrieb der beklagten Partei im Jahre 1976 oder 1977 angestellt worden. Er habe die höhere technische Lehranstalt für Maschinenbau besucht. Die beklagte Partei habe sich im Jahre 1978 vornehmlich mit der Erzeugung von Metallfenstern, Metalltüren, Metallgeländern, Fassadenverkleidungen und dem Bau von Stahlhallen befaßt. Dacheindeckungen habe sie nur im Zusammenhang mit Stahlhallenbauten ausgeführt. Die beklagte Partei verfüge über keine Mitarbeiter, die Kenntnisse in der Konstruktion oder Bauphysik von Stahldächern aufwiesen. Ing.Walter K***, Josef M*** und Ing.Gerhard M*** von der M*** &

K*** Gesellschaft mbH hätten die Bestimmungen im Werkvertrag über die Prüfungspflicht der beklagten Partei nicht dahin verstanden, daß die gesamte Konstruktion und Statik von der beklagten Partei zu überprüfen sei. Eine statische oder konstruktive Kontrolle des Plans der M*** & K*** Gesellschaft mbH durch die beklagte Partei sei dieser nicht zumutbar gewesen. Eine solche Kontrolle sei bei einem Schlossereibetrieb auch völlig unüblich. Es sei branchenüblich, daß sich der Stahlbauer oder Schlosser auf die ihm gelieferte Statik und die Konstruktionsvorgaben verlasse. Bauphysikalische Überprüfungen oder Berechnungen seien einem Schlosser oder Stahlbauer nicht zumutbar. Dieses Gebiet sei auch nicht Gegenstand der Meisterprüfung. Ein Schlosser sei von der Ausbildung her nicht in der Lage, solche Berechnungen vorzunehmen. Die Durchbiegung von Trapezblechen bei Belastungen falle in die Branche des Schlossers. Er habe deshalb die richtige Blechstärke zu wählen. Der Schlosser könne zwar nicht die Stärke des Bleches berechnen, doch existierten hiefür Tabellen. Werden die Baupläne von einem Statiker erstellt, falle das Problem der anzunehmenden Schneelast nicht in den Verantwortungsbereich des Schlossers. Es sei nicht branchenüblich, daß der Stahlbauer, der die Pläne nicht erstellt habe, Berechnungen über allfällige Schneelasten anstelle. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Warnpflicht der beklagten Partei ungeachtet der von ihr vertraglich übernommenen Prüfpflicht, weil sie nach der Verkehrsauffassung nicht gehalten gewesen sei, weitere Prüfungen vorzunehmen. Der beklagten Partei könne aber auch nicht angelastet werden, sich auf den Werkvertrag eingelassen zu haben, ohne ihre Unfähigkeit, die Richtigkeit der Pläne eingehend zu prüfen, darzulegen. Ein solcher Hinweis sei nicht branchenüblich und schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil auch der bauausschreibenden Stelle bekannt gewesen sei, daß von der beklagten Partei eine Überprüfung nicht durchgeführt werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien teilweise Folge. Es sprach aus, daß die Forderung der erstklagenden Partei dem Grunde nach mit einem Viertel zu Recht und mit drei Vierteln nicht zu Recht bestehe. Die Forderung der zweitklagenden Partei wurde mit dem Betrag von S 53.695,75 s.A. zu Recht, die von der Beklagten aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung mit S 41.107,12 zu Recht bestehend und die beklagte Partei demnach schuldig erkannt, der zweitklagenden Partei den Betrag von S 12.588,63 s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren der zweitklagenden Partei auf Zahlung des weiteren Betrages von S 202.194,37 s.A. wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht behielt die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz der Endentscheidung vor. Es erklärte die Revision für zulässig.

Die Feststellung des Erstgerichtes, sowohl Ing.Gerhard M*** von der M*** & K*** Gesellschaft mbH als auch Josef M*** und Ing.Walter K*** hätten die im Werkvertrag übernommene Überprüfungsverpflichtung nicht dahin verstanden, daß die gesamte Konstruktion und Statik von der beklagten Partei überprüft werden müsse, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen. Die weiteren Feststellungen des Erstgerichtes legte das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde. In rechtlicher Hinsicht billigte es die Auffassung des Erstgerichtes, die erstklagende Partei habe die von der beklagten Partei übernommene Prüfpflicht nicht dahin verstehen können, daß die beklagte Partei auch Prüfungen, die üblicherweise einem Zivilingenieur (Statiker) obliegen, durchführe, zumal sie als Stahlbauer (Schlosser) den hiefür notwendigen Wissensstand nicht gehabt habe. Auch das Problem der anzunehmenden Schneelast falle nach den getroffenen Feststellungen dann, wenn ein Statiker die Pläne erstellt habe, nicht in den Prüfungsbereich des Schlossers, so daß der beklagten Partei auch insoweit eine Verletzung der Warnpflicht nicht angelastet werden könne. Ein Verschulden der beklagten Partei liege aber darin, daß sie vertraglich eine Prüfpflicht übernommen habe, ohne den hiefür notwendigen technischen Wissensstand zu besitzen und die erstklagende Partei hierüber aufzuklären. Das Verschulden der beklagten Partei wiege aber gegenüber dem Mitverschulden der erstklagenden Partei erheblich geringer. Die erstklagende Partei habe nämlich den gravierenden Planungsfehler der

M*** & K*** Gesellschaft mbH, der auslösende Ursache für den Schadenseintritt gewesen sei, zu vertreten. Unter Bedachtnahme hierauf sei eine Schadensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zu Lasten der klagenden Parteien gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Den gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revisionen der Streitteile kommt Berechtigung nicht zu.

Im vorliegenden Fall hatte die erstklagende Partei vertraglich der beklagten Partei die Pflicht zur Überprüfung der von ihr beigestellten Unterlagen überbunden und damit zum Inhalt des mit der beklagten Partei abgeschlossenen Werkvertrages gemacht. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 28.Jänner 1987, 1 Ob 653/86, ausgesprochen, daß die Verantwortung für die Tauglichkeit der zur Verfügung gestellten Pläne dann nicht mehr primär die erstklagende Partei, sondern die beklagte Partei traf. Es könne nur nicht ohne weiteres eine umfassende Prüfpflicht der beklagten Partei angenommen werden. Sie bestimme sich vielmehr danach, in welchem Umfang die erstklagende Partei eine solche Überprüfung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. Da das von der beklagten Partei erstellte Anbot kein Entgelt für beizuziehende Prüforgane vorgesehen habe, habe die erstklagende Partei auch nur erwarten dürfen, daß die beklagte Partei die vertraglich übernommenen Prüfungen selbst nach Maßgabe der von ihr zu gewährleistenden Sachkunde (§ 1299 ABGB) vornehmen werde. Die erstklagende Partei habe die vertragliche Regelung hingegen nicht dahin verstehen können, daß die beklagte Partei auch Prüfungen, die üblicherweise einem Ziviltechniker oder Sachverständigen anderer Branchen obliegen, vornehmen (lassen) werde.

Soweit die klagenden Parteien in der Revision geltend machen, daß nach der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 24.April 1986 die beklagte Partei ihre Warnpflicht jedenfalls verletzt habe, ist darauf zu verweisen, daß allein die rechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofes im vorzitierten Aufhebungsbeschluß maßgeblich zu sein hat. Ohne Bedeutung ist es, daß die erstklagende Partei nicht imstande war, die Tragfähigkeit des von der beklagten Partei im Variantenanbot angeführten Trapezblechs nachzuprüfen, weil das von der beklagten Partei verwendete Stahlprofilblech eine 2,13-fach erhöhte Tragfähigkeit aufwies als das von der M*** & K***

Gesellschaft mbH in den Ausschreibungsunterlagen zur Verwendung vorgeschriebene Blech. Von den klagenden Parteien wird die der beklagten Partei anzulastende Verletzung der Warnpflicht nur mehr darin erblickt, daß sie nicht an Hand der Regelschneelastkarte Österreichs für das Gebiet von Bludenz-Bürs geprüft habe, ob das von der M*** & K*** Gesellschaft mbH vorgeschriebene Blech (und das von der beklagten Partei dann angebotene Stahlprofilblech) eine hinreichende Tragfähigkeit aufwies. Nach den getroffenen Feststellungen ist es nicht Aufgabe des Schlossers, Schneelastprüfungen vorzunehmen, wenn die Baupläne von einem Statiker erstellt werden. Das Berufungsgericht leitete daraus ab, daß der beklagten Partei insoweit eine Verletzung der Warnpflicht nicht anzulasten sei. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei aber eine vertragliche Verpflichtung zur umfassenden Prüfung der Konstruktion und Ausführungsart übernommen, der sie nach Maßgabe der von ihr zu gewährleistenden Sachkunde zu entsprechen hatte. Die Prüfung der Durchbiegung von Stahlblechen fällt zwar nach den getroffenen Feststellungen in den Aufgabenbereich eines Schlossers, der die richtige Blechstärke zu wählen hat. Den grundlegenden Planungsfehler, der darin besteht, daß die Dachkonstruktion alle bauphysikalischen Erkenntnisse über Wasserdampfdiffusion, Tauwasserbildung und Entlüftung des Aufbaus außer Acht ließ und das Dach daher unabhängig von der Tragfähigkeit der verwendeten Bleche erneuert werden mußte (vgl. ON 13 S 12), hat nach den ergänzenden Feststellungen aber nicht die beklagte Partei zu verantworten. Auch die klagenden Parteien gehen in ihrer Revision von einer umfassenden Prüfpflicht der beklagten Partei nicht mehr aus. Daß durch die Nichtbeachtung der Regelschneelastkarte Österreichs für das Gebiet um Bludenz-Bürs in Verbindung mit der für die Berechnung und Ausführung der Tragwerte bei Schneeund Eislasten geltenden ÖNORM B 4000 und die dadurch bedingte Wahl eines Stahlprofilblechs mit unzureichender Tragfähigkeit ein höherer Schaden entstanden ist, wird in der Revision nicht dargetan. Die beklagte Partei hätte aber die erstklagende Partei darauf hinweisen müssen, daß sie nach ihrem Wissensstand, der der erstklagenden Partei nicht bekannt sein mußte, eine statische und bauphysikalische Überprüfung nicht durchzuführen in der Lage ist. Dies rechtfertigt die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung.

Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden. Was die Kostenentscheidung betrifft, so hat bereits das Berufungsgericht in Ansehung der zweitklagenden Partei eine Endentscheidung getroffen. Es hat die Kostenentscheidung aber insgesamt der Endentscheidung vorbehalten, dies offenbar in der zutreffenden Erwägung, daß erst dann eine Aufteilung der Kosten zwischen den klagenden Parteien möglich sein wird. Demnach ist auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens der Endentscheidung vorzubehalten (§ 393 Abs. 4, § 52 Abs. 2 ZPO).

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