OGH 4Ob93/88

OGH4Ob93/8829.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,

Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer, Dr.Friedrich Prunbauer, Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Martin Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*** O*** Handelsgesellschaft mbH, Hall i.T.,

Löfflerweg 36, vertreten durch DDr.Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 4.August 1988, GZ 5 R 150/88-13, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 17.Juni 1988, GZ 9 Cg 180/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er in der Hauptsache zu lauten hat:

"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen und Ankündigungen wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreites im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Artikeln der Raumausstattung (Teppichen) verboten, den Verkauf von Orientteppichen mit dem Preishinweis "50 % unter dem Listenpreis (der beklagten Partei)" oder sinnähnlich anzukündigen, wenn diese Listenpreise zumindest zum Teil um rund 100 % über den handelsüblichen Marktpreisen liegen und von ihr gar nicht ernsthaft eine angemessene Zeit hindurch verlangt worden sind."

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt am Standort Zollfreie Zone, T*** B*** mbH, Hall, Löfflerweg 36, mit Lagerungsmöglichkeiten im Bereich der Spedition W*** auf Grund einer Gewerbeberechtigung den Handel gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973, beschränkt auf den Import- und Exporthandel mit Teppichen. Sie meldete am 15.April 1988 beim Gewerbeamt des Magistrates G*** eine weitere Betriebsstätte für das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973 für den Standort Graz, Alte Poststraße 176 (richtig: 376), an.

Am 14.April 1988 erschien in der "Kleinen Zeitung" folgendes

Inserat der Beklagten:

"B***

Laut Beschluß der Geschäftsleitung der

I*** O*** H***

wird in den Räumlichkeiten der Spedition Gebrüder W***, Graz, ein

dort lagernder Warenposten von

W*** O***

im Wert von mehreren Millionen Schilling bis zu

50 % unter dem Listenpreis

der obigen Gesellschaft direkt ohne Zwischenhandel an Letztverbraucher verkauft. Es handelt sich überwiegend um original handgeknüpfte Teppiche aus Persien, wie: Nain, Ghom, Ghom-Seide bis zu 12 m2, Isfehan, Keschan, Täbris, Bidjar, Ghosgaie sowie Herke-Seide und Teppiche aus Afghanistan, Türkei, Rußland usw.

mit Verkaufspreisen von S 500,-- bis 1,1 Mill.

Echtheitszertifikat:

Sie erhalten ein Echtheitszertifikat mit Ursprungszeugnis

Verkauf und Besichtigung:

Täglich ab 10 Uhr während der Geschäftszeit

I*** O*** H***

Ort: Spedition Gebrüder W***

Graz, Alte Poststraße 376"

Im Text dieses fett umrandeten Inserates stechen, blickfangartig durch Fettdruck und Schriftgröße hervorgehoben, der Titel "B***" sowie die Wortfolgen "W*** O***",

"50 % unter dem Listenpreis" sowie "Spedition Gebrüder W***" hervor. Die Beklagte hat bereits lange vor diesem Zeitpunkt Teppiche an Letztverbraucher veräußert.

Der klagende Verband beantragt zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Artikeln der Raumausstattung (Teppichen) den Verkauf von Orientteppichen mit dem Preishinweis "50 % unter dem Listenpreis (der beklagten Partei)" oder sinnähnlich anzukündigen. Der im Inserat verwendete Begriff "Listenpreis" sei schon an sich mehrdeutig. Die Beklagte habe bisher - soweit überblickbar - den Einzelhandel mit Teppichen nicht betrieben, weshalb der "Listenpreis" auch nicht ihr eigener früherer Einzelhandelsverkaufspreis sein könne; vielmehr lägen die sogenannten "Listenpreise" der Beklagten rund 100 % über den für solche Kommerzwaren in der Steiermark üblichen Marktpreisen. Es handle sich einfach um "Mondpreise", mit denen eine Verbilligung nur vorgetäuscht werde. Für "sehr wertvolle Orientteppiche" gebe es jeweils nur einen individuellen Preis oder einen Preis der besonderen Vorliebe. Hingegen würden die im Inserat der Beklagten mit Verkaufspreisen ab S 500,-- beschriebenen "üblichen neu erzeugten Orientteppiche afghanischer, türkischer und sowjetischer Herkunft" nach handelsüblichen Quadratmeterpreisen verkauft; solche Teppiche hätten daher einen Marktpreis.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Es sei absolut unrichtig, daß sie bisher an Letztverbraucher keine Teppiche verkauft habe. Der Begriff "Listenpreis" sei in ihrem Inserat nicht mehrdeutig, weil er dort dahingehend präzisiert worden sei, daß es sich dabei um ihren eigenen Listenpreise handle. Auch habe sie keinen generellen Verkauf "50 % unter dem Listenpreis" angekündigt, sondern einen solchen "bis zu 50 % unter dem Listenpreis". Wenn es auch richtig sei, daß es für "sehr wertvolle Orientteppiche" (nur) einen individuellen Preis gebe, so habe sie doch keinen solchen Verkauf, sondern denjenigen "wertvoller Orientteppiche" angekündigt. Die Preise von Orientteppichen seien aber allgemein schwankend; diese hätten keinen fixen Marktpreis, wie etwa Waren des täglichen Bedarfs. Im übrigen entsprächen die von ihr ausgestellten Orientteppiche (offenbar gemeint: deren Listenpreise) den üblichen

Markt- bzw.Verkaufspreisen; die Beklagte biete sie auch tatsächlich "bis zu 50 % unter diesem Listenpreis" an.

In der vom Erstgericht als "erste Tagsatzung und Verhandlung gem. § 55 EO" anberaumten Verhandlungstagsatzung vom 10.Juni 1988 brachte der Kläger noch ergänzend vor, daß es sich beim Inserat der Beklagten um eine Blickfangwerbung handle. Die Ankündigung "50 % unter dem Listenpreis" trete in den Vordergrund; die Zusätze "bis zu" und "Listenpreis...der obigen Gesellschaft" seien deutlich kleiner geschrieben und beim Lesen unbeachtlich. Die blickfangartig hervorgehobene Aussage umfasse auch die Ankündigung "wertvoller Orientteppiche".

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es verneinte einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG, weil in der von ihr verwendeten Wortfolge "bis zu 50 % unter dem Listenpreis der obigen Gesellschaft" ein ausreichend deutlicher Hinweis auf die eigenen, von ihr selbst vorher verlangten Preise als Vergleichsbasis zum Ausdruck komme.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,--, übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz nahm ergänzend noch folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Für wertvolle Orientteppiche gibt es individuelle Preise oder einen Preis der besonderen Vorliebe. Die von der Beklagten angeschriebenen Listenpreise der (von ihr) angebotenen Teppiche liegen zumindest zum Teil um rund 100 % über den Schätzpreisen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß die Beklagte in ihrem Inserat blickfangartig hervorgehoben den Verkauf "wertvoller Orientteppiche....50 % unter dem Listenpreis" angekündigt habe. Der Hinweis, daß es sich um den Listenpreis der Beklagten handle, folge in wesentlich kleinerem Druck und geradezu unauffällig, ebenso die vorangehende Einschränkung "bis zu". Hiedurch könne aber beim angesprochenen Käuferpublikum der - unzutreffende und daher irreführende - Eindruck entstehen, daß von der Beklagten "wertvolle Orientteppiche" - also Teppiche besonderer Qualität und nicht gewöhnliche Kommerzware - zum halben üblichen Preis angeboten würden. Diese Irreführungseignung werde im übrigen auch durch den unauffällig klein gedruckten Hinweis auf den Listenpreis der Beklagten ("....der obigen Gesellschaft") nicht aufgehoben, weil diese Listenpreise nach den ergänzend getroffenen Feststellungen deutlich überhöht seien; es liege daher eine manipulierte Preisgegenüberstellung vor, bei welcher der Werbende die Preise zunächst bewußt so hoch ansetze, daß ihm - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um interne oder um auf einer Empfehlung des Herstellers beruhende "Mondpreise" handle - das werbewirksame Ankündigen von Preisnachlässen möglich sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung zulässig. Es ist zwar richtig, daß die Werbung mit Preisgegenüberstellungen, insbesondere im Zusammenhang mit Listenpreisen und "Mondpreisen", in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes schon wiederholt behandelt wurde (ÖBl.1981, 21; ÖBl.1984, 77; ÖBl 1987, 127), ebenso die sogenannte "Blickfangwerbung" (ÖBl.1982, 158, ÖBl.1983, 43, 78 und 106; ÖBl.1984, 75 ua); auch die prozentmäßige Preisherabsetzung ist bereits mehrfach als Fall einer Preisgegenüberstellung behandelt worden (ÖBl.1977, 10; ÖBl.1979, 128; ÖBl.1984, 77; ÖBl.1988, 75). Im Bereich des Wettbewerbsrechtes kann aber eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO auch dann vorliegen, wenn zu einem unbestimmten Gesetzesbegriff zwar bereits allgemeine, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigem Sachverhalt ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen notwendig ist (ÖBl.1984, 48 und 104; ÖBl.1985, 51; ÖBl.1988, 75 und 104 uva). Im Sinne dieser Ausführungen hängt auch im vorliegenden Fall die Entscheidung darüber, ob die Werbeankündigung der Beklagten wegen Vortäuschung eines in Wahrheit nicht vorhandenen Preisvorteils irreführend ist und wen bei Gegenüberstellung eines überhöhten Preises ("Mondpreises") mit reduzierten Preisen die Beweis-(Bescheinigungs-)last trifft, von der Lösung von Rechtsfragen des materiellen und des formellen Rechtes von erheblicher Bedeutung ab.

Der Revisionsrekurs ist daher zwar zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Beklagte wendet sich in unzulässiger Weise gegen die in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbaren ergänzenden Tatsachenfeststellungen des Rekursgerichtes; sie zeigt aber doch einen - allerdings nur scheinbaren - Widerspruch zwischen dem ersten und dem zweiten Satz dieser Feststellungen auf. Da sie ausschließlich auf dem Privatgutachten Beilage ./L fußen, ist in dessen Licht der verwendete Ausdruck "Schätzpreis" als "handelsüblicher Marktpreis" zu verstehen; das Angebot der Beklagten hatte aber "wertvolle Orientteppiche" betroffen. Es besteht somit auf den ersten Blick tatsächlich ein Widerspruch zum ersten Satz der Feststellungen, wonach es für solche Teppiche (nur) individuelle Preise oder einen Preis der besonderen Vorliebe - also keine handelsüblichen Marktpreise - gibt. Wäre dies vom Rekursgericht wirklich gemeint, so läge eine Aktenwidrigkeit vor, weil sich derartiges aus dem Inhalt der Beilage ./L nicht entnehmen läßt. Im Zusammenhang mit dem übereinstimmenden Parteienvorbringen, daß nur "sehr wertvolle Orientteppiche" keinen handelsüblichen Marktpreis hätten, für sie vielmehr individuelle Preise oder Preise der besonderen Vorliebe erzielt würden, ergibt sich aber, daß das Rekursgericht mit dem ersten Satz seiner ergänzenden Feststellungen lediglich darauf Bezug genommen hat. Damit ist aber der scheinbare Widerspruch auch schon aufgelöst.

In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß der Kläger die Werbeankündigung der Beklagten aus zwei Gründen als unrichtig und irreführend beanstandet hat: einerseits deshalb, weil sie schon mangels bisheriger Ausübung des Teppichverkaufes an Letztverbraucher keine eigenen früheren Verkaufspreise und daher auch keinen Listenpreis gehabt habe, und andererseits deshalb, weil diese Listenpreise rund 100 % über den üblichen Marktpreisen der angebotenen Teppiche lägen, sie daher reine "Mondpreise" seien und aus diesem Grund eine Preisreduktion nur vorgetäuscht werde. Da der Kläger in seinem Sicherungsantrag selbst von der Ankündigung einer Reduktion des "Listenpreises der Beklagten" ausgeht, kann der Gebrauch des Wortes "Listenpreis" - ebenso wie etwa der Hinweis auf einen "unverbindlich empfohlenen Listenpreis" (vgl. ÖBl.1984, 77) - nicht mehr vieldeutig und irreführend sein, weil dadurch mit der gebotenen Deutlichkeit auf die eigenen früheren Preise der Beklagten im Teppichdetailhandel Bezug genommen wird. Insoweit kommt daher weder dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers in Richtung "Blickfangwerbung" noch den diesbezüglichen Rechtsausführungen des Rekursgerichtes Bedeutung zu, weil der Kläger dieses Vorbringen nicht zum Anlaß einer entsprechenden Änderung seines Sicherungsantrages genommen hat. Ebenso müssen die nunmehrigen Behauptungen des Klägers in seiner Revisionsrekursbeantwortung über die in der Bezugnahme auf die eigenen Listenpreise angeblich deshalb liegende Vieldeutigkeit, weil die Beklagte sowohl den Import- und Exporthandel als auch den Großhandel und den Einzelhandel mit Teppichen betreibe und daher nicht ersichtlich sei, auf welchen Listenpreis ihrer drei Geschäftszweige Bezug genommen wurde, als unzulässige Neuerungen unberücksichtigt bleiben.

Auf die beiden oben erwähnten Vorwürfe des Klägers hat die Beklagte lediglich repliziert, sie habe sehr wohl auch bisher schon den Detailverkauf von Teppichen durchgeführt; nach den vorliegenden Feststellungen ist ihr die Bescheinigung dieser Behauptung auch gelungen. Damit ist aber noch keineswegs behauptet oder gar bescheinigt, daß sie vor ihrer Werbeankündigung Teppiche eine angemessene Zeit hindurch auch tatsächlich zu den im Inserat als Vergleichsbasis herangezogenen Listenpreisen an Letztverbraucher verkauft hat. Durch die Feststellung, daß die von ihr angeschriebenen Listenpreise zumindest zum Teil um rund 100 % über den handelsüblichen Marktpreisen der Teppiche lagen, ist jedenfalls auch die Behauptung widerlegt, ihre Listenpreise entsprächen den üblichen Markt- bzw.Verkaufspreisen. Das Festsetzen von im Verhältnis zu den marktüblichen (marktgerechten) Preisen, mit denen der Verbraucher aber rechnet (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1238 Rz 312 zu § 3 dUWG), derart überhöhten Listenpreisen bildet bereits ein so schwerwiegendes Indiz für die willkürliche Festsetzung von Phantasiepreisen ("Mondpreisen"), daß es schon aus diesem Grund der Beklagten oblegen wäre, diese objektive Diskrepanz aufzuklären und zu widerlegen. Zwar trifft die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeankündigung grundsätzlich den Kläger, doch tritt bei einer Alleinstellungswerbung eine Verschiebung der Beweislast dann ein, wenn der Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, wogegen dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiters zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben (ÖBl.1983, 42; ÖBl.1984, 97 ua). Dieser Grundsatz - welcher freilich keine allgemeine Umkehr der Beweislast bei Verstößen gegen § 2 UWG bedeutet - muß über den Bereich der Alleinstellungswerbung hinaus ganz allgemein überall dort gelten, wo es bei einer als irreführend beanstandeten Werbebehauptung dem außerhalb des Geschehensablaufes stehenden Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der entsprechenden Tatumstände unmöglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während andererseits die Umstände des konkreten Falles ausnahmsweise eine solche Überwälzung der Beweislast (Bescheinigungslast) auf den Beklagten rechtfertigen (SZ 50/20). Diese Voraussetzungen sind auch hier gegeben, weil dem Kläger jedenfalls die Bescheinigung gelungen ist, daß die angeschriebenen Listenpreise der Beklagten zumindest zum Teil um rund 100 % über den handelsüblichen Marktpreisen der von ihr angebotenen Teppiche liegen. Da sie bisher zumindest in der zollfreien Zone selbst keinen Direktverkauf an Letztverbraucher durchführen konnte, nähere Behauptungen und Bescheinigungsergebnisse über Art und Ort der von ihr bereits vor dem 14.April 1988 durchgeführten Teppichverkäufe an Letztverbraucher aber fehlen und diese nur ihr bekannt und nur von ihr leicht aufklärbar sind - was ebenso für die Frage gilt, ob sie diese Verkäufe bereits längere Zeit hindurch zu den von ihr nunmehr angeblich reduzierten Listenpreisen durchgeführt hat -, ist eine ausnahmsweise Überwälzung der Bescheinigungslast auf die Beklagte gerechtfertigt; dies umso mehr, als die festgestellten Divergenzen zwischen den Listenpreisen und den handelsüblichen Marktpreisen ihrer Teppiche bereits evident auf das Vorliegen einer manipulierten Preisgegenüberstellung hindeuten, bei welcher der Werbende den Anfangspreis zuvor bewußt überhöht angesetzt hat, um ein attraktives Werbemittel zu haben (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 297, 312 zu § 3 dUWG; vgl auch Rz 16 zu § 1 dUWG; ÖBl.1987, 127).

Da die Beklagte ihrer im vorliegenden Fall ausnahmsweise anzunehmenden Darlegungs- und Beweis-(Bescheinigungs-)pflicht nicht nachgekommen ist, kann von der Unrichtigkeit der angekündigten Preisherabsetzung ausgegangen werden (SZ 50/20). Die Vorgangsweise der Beklagten war daher geeignet, das Publikum durch Vorspiegelung eines in Wahrheit gar nicht vorhandenen besonders günstigen Angebotes zu täuschen. Wer die Preise zunächst so festsetzt, daß ihm die werbewirksame Ankündigung von Preisnachlässen möglich ist, verstößt gegen § 2 (Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 336 mwN in FN 186). Die gleiche Täuschung tritt ein, wenn der Werbende in seiner Preisgegenüberstellung auf einen früheren eigenen Preis hinweist, welchen er gar nicht ernsthaft auf Grund einer marktgerechten Kalkulation eine angemessene Zeit hindurch verlangt hat (ÖBl.1987, 127).

Es war daher die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung zu bestätigen, wobei ihr zugleich im Sinne des Antragsvorbringens des Klägers eine klarere und deutlichere Fassung zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich in Ansehung des Klägers auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

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