OGH 6Ob696/88

OGH6Ob696/8824.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mohamed Sami Ahmed S***, Kaufmann, 83 Ramses Street, P.O. Box 2407, Kairo, Ägypten, und 2. Jasmina G***, Angestellte, Beatrixgasse 19/15, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Karl Arlamovsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rita G***, Angestellte, Beatrixgasse 19/16, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 11. Juli 1988, GZ 41 R 17/88-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Mai 1987, GZ 44 C 77/85- 25, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger und die Beklagte sind je zu einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Wien-Landstraße, Beatrixgasse 19. Die Beklagte ist gleichzeitig Mieterin der Wohnung Nr. 16 in diesem Haus.

Die Kläger begehrten mit der Behauptung, daß ihnen die Beklagte die Erstattung von Betriebskosten für die Monate Mai bis November 1984 und Jänner 1985 (S 17.385,24) und den Erhaltungsbeitrag für den Zeitraum von Mai 1984 bis Jänner 1985

(S 20.460,--) in der auf deren Dritteleigentum entfallenden Höhe von je S 12.615,-- schulde, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Zinsrückstandes von (zusammen) S 25.230,-- s.A. und zur Räumung der Wohnung Nr. 16.

Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Zinsrückstandes. Das Erstgericht wies das Zinszahlungsbegehren mit - unbekämpft gebliebenem - Teilurteil ab und sprach mit dem in die Ausfertigung dieses Teilurteiles aufgenommenen Beschluß aus, daß der Mietzinsrückstand der Beklagten für den Zeitraum von Mai 1984 bis Ende Jänner 1985 S 13.804,70 betrage. Es stellte - soweit dies für die Erledigung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof von Bedeutung ist - fest, die Beklagte habe die Wohnung mit Vertrag von 25. August 1980 von der damals aus ihr und der Zweitklägerin, ihrer Tochter, bestehenden Miteigentumsgemeinschaft gemietet. Der Mietzins sei im Vertrag nicht beziffert, sondern es sei lediglich festgehalten worden, daß er aus dem Hauptmietzins und dem Anteil an den Betriebskosten und der Umsatzsteuer bestehe und "der Vermieter bis auf Widerruf auf die Einhebung des gesamten Hauptmietzinses" verzichte. Ein allfälliger Widerruf habe schriftlich zwei Wochen vor dem folgenden Zinstermin zu erfolgen, dann sei der Mieter verpflichtet, den gesetzlichen Mietzins zu bezahlen. Nachdem das Haus zunächst von gewerblichen Hausverwaltern verwaltet worden sei, habe die Beklagte die Hausverwaltung etwa ab Mitte 1982 selbst übernommen, die Anfertigung der Zinslisten jedoch von einem konzessionierten Hausverwalter erstellen lassen. Am 8. September 1982 habe der Erstkläger seinen Drittelanteil an der Liegenschaft erworben. Mit 1. Mai 1984 hätten die Kläger der Beklagten die Hausverwaltung entzogen und sie der P*** Immobilientreuhänder-Gesellschaft mbH (im folgenden kurz Firma P***) übertragen. Die Beklagte habe dieser trotz Aufforderung die Herausgabe der Hausverwaltungsunterlagen verweigert. Deshalb hätten die übrigen Mieter den Mietzins für Mai 1984 an die Beklagte entrichtet und erst ab Juni 1984 an die neubestellte Hausverwalterin abgeführt. Erst am 24. März 1985 habe die Beklagte der Firma P*** eine Abrechnung für den Zeitraum von Jänner bis Mai 1984 übersandt. Wegen der Schwierigkeiten beim Wechsel in der Hausverwaltung seien den Mietern und damit auch der Beklagten laufend Mietzinse in unterschiedlicher Höhe vorgeschrieben worden, sodaß diese Vorschreibungen mehrmals hätten korrigiert werden müssen. Solange die Beklagte das Haus noch selbst verwaltet habe, habe sie den Mietzins für die Wohnung ungeachtet des vertraglichen Verzichtes auf dessen Einhebung, und zwar an Hauptmietzins in der Höhe des Friedenskronenzinses monatlich S 160,--, an Betriebskosten monatlich S 1.411,98, an Erhaltungsbeitrag monatlich S 927,09 zuzüglich Umsatzsteuer, somit insgesamt S 2.748,98 entrichtet. Ab Juni 1984 hätte der Erhaltungsbeitrag für ihre Wohnung zufolge einer noch auf ihre Veranlassung erstellten Zinsliste monatlich S 1.045,70 betragen. Die von der Beklagten für den Zeitraum von Jänner 1984 bis August 1984 entrichteten Mietzinse habe sie sich, als ihr die Verwaltung entzogen worden sei, noch selbst zurückgezahlt. Seit Juni 1984 leiste die Beklagte keinerlei Zahlung mehr. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1984 habe die neue Hausverwalterin den Verzicht auf die Einhebung des Mietzinses namens der Mehrheitseigentümer widerrufen. Welche Beträge (Hauptmietzins, Erhaltungsbeitrag, Betriebskosten und Umsatzsteuer) der Beklagten seit Mai 1984

tatsächlich vorgeschrieben worden seien, könne nicht festgestellt werden. Mit Schreiben vom 5. November 1984 seien nicht näher bezifferte Betriebskosten und am 4. Jänner 1985 für den Zeitraum von Mai bis November 1984 Beträge von je S 1.674,86 und für November 1984 bis Jänner 1985 von je S 1.873,74, am 7. Jänner 1985 sei der Erhaltungsbeitrag für die Monate Mai bis Oktober 1984 mit je S 2.602,70 und für den Zeitraum von November 1984 bis Jänner 1985 ein solcher von je S 2.421,90 sowie zuletzt am 3. Oktober 1986 der Mietzins für die Monate Mai bis einschließlich Oktober 1984 in der Höhe von je S 1.553,18, von November 1984 bis einschließlich April 1985 von je S 3.700,38, von Mai 1985 bis Juli 1986 von je S 3.855,17 und von August bis Oktober 1986 von je S 4.512,64

eingemahnt worden. Die Abrechnungen der Betriebskosten für die Jahre 1984 und 1985 seien der Beklagten von der Hausverwalterin zugeschickt worden.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht zu der hier allein zur Beurteilung stehenden Frage, es habe zwar nicht festgestellt werden können, welche Beträge tatsächlich als Betriebskostenpauschalraten vorgeschrieben worden seien, sodaß deren Richtigkeit nicht habe geprüft werden können. Grundlage sei die bisher von der Beklagten, die bis zum Mai 1984 das Haus selbst verwaltet habe, für ihre Wohnung in Anschlag gebrachte Pauschalrate von monatlich S 1.411,98.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, fügte einen Rechtskraftvorbehalt bei und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige. Zur Frage der Höhe der Pauschalraten, deretwegen es den Rechtskraftvorbehalt angeordnet hat, führte es aus, die Beklagte bestreite die Höhe der vom Erstgericht festgestellten Betriebskostenpauschalrate, die sich nach den im Jahre 1983 angefallenen Betriebskosten zu richten habe. Die Fälligkeit der laufenden Betriebskostenpauschalrate hänge von der Vornahme einer Betriebskostenjahresabrechnung nicht ab. Die Höhe der zulässigen Pauschalrate richte sich vielmehr nur nach den - allenfalls um 10 % erhöhten - Betriebskosten des vorangegangenen Kalenderjahres, die im Bestreitungsfall festzustellen sei. Daher sei die Beklagte zur Zahlung der Betriebskostenpauschalraten, wie sie für das Jahr 1984 in unstrittiger Höhe geltend gemacht würden, verpflichtet. Ob auch für Jänner 1985 eine Betriebskostenpauschalrate in dieser Höhe begehrt werden könne, richte sich nach den im Jahre 1984 angefallenen Betriebskosten. Aus der Tatsache, daß die Betriebskosten nicht unmittelbar nach dem Ende des Kalenderjahres abgerechnet würden und in der Folge die für das Vorjahr vorgeschriebene Pauschalrate zunächst beibehalten werde, dürfe nicht darauf geschlossen werden, daß die Pauschalrate nicht auch der Höhe nach einer Überprüfung unterzogen werden könne. So könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, daß die Abrechnung insgesamt niedrigere Betriebskosten ergeben habe und sich damit auch die Pauschalrate für das Folgejahr verringere. Die Einwendung, die vorgeschriebenen Pauschalraten seien überhöht, erweise sich daher für Jänner 1985 als berechtigt. Das erstinstanzliche Verfahren sei in dem Umfang, als das Erstgericht keine Feststellungen über die Betriebskostenabrechnung 1984

getroffen habe, mangelhaft geblieben. Ein von der Beklagten allerdings nur vermutetes Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 1984 hindere die Fälligkeit der Pauschalrate für Jänner 1985 hingegen nicht. Solange keine Abrechnung vorliege, könne der Anspruch auf Rechnungslegung mit jenem auf Zahlung der Pauschalrate schon mangels Gleichartigkeit nicht aufgerechnet werden. Sei hingegen bereits abgerechnet worden und bestehe danach ein Guthaben des Mieters, habe dieser von dem der Abrechnung folgenden übernächsten Zinstermin an Anspruch auf den Fehlbetrag. Erst ab diesem Zeitpunkt könne er mit diesem Guthaben gegen fällige Betriebskostenpauschalraten aufrechnen. Das Erstgericht habe zwar festgestellt, daß der Beklagten die Abrechnungen der Betriebskosten für die Jahre 1984 und 1985

zugesandt worden seien, die Beklagte habe jedoch schon deshalb keine wirksame Aufrechnungseinrede erhoben, weil sie selbst davon ausgehe, daß ihr eine Abrechnung bisher nicht zugekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß von der Beklagten erhobene Rekurs ist nur im Ergebnis nicht berechtigt. Die Beklagte bekämpft die Sachbeurteilung des Rekursgerichtes nur insoweit, als es den Klägern die Berechtigung zubilligte, für bestimmte Zeiträume weiterhin Betriebskostenpauschalraten geltend zu machen, obwohl die gesetzliche Frist zur Abrechnung der auf diese Zeiträume entfallenden Betriebskosten im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlußfassung längst abgelaufen war. Sie vertritt hiezu die Auffassung, der Vermieter könne nach Ablauf der Abrechnungsfristen trotz Pauschalverrechnung gemäß § 21 Abs. 3 MRG nur mehr die Erstattung des auf die Wohnung entfallenden Anteiles der tatsächlich angefallenen Betriebskosten verlangen. Dieser Ansicht ist beizutreten.

Gemäß § 33 Abs. 2 und 3 MRG hat das Gericht - unter anderem - im Verfahren über die Kündigung nach § 30 Abs. 2 Z 1 MRG bzw. in Rechtsstreitigkeiten wegen Aufhebung der Miete und Räumung des Mietgegenstandes nach § 1118 zweiter Fall ABGB, wenn - wie in diesem Rechtsstreit - die Höhe der geschuldeten Beträge strittig ist, vor Schluß der Verhandlung hierüber durch Beschluß zu entscheiden. Den geschuldeten Betrag bildet der Mietzins mit allen Bestandteilen und somit auch den überwälzbaren Betriebskosten (EvBl. 1970/128 ua). Der im Sinne der genannten Gesetzesstelle geschuldete Betrag ist aber nicht nur der schon in der Kündigung bzw. Vertragsaufhebungserklärung geltend gemachte Zinsrückstand, es sind vielmehr darunter alle bis zur Beschlußfassung fällig gewordenen Beträge zu verstehen (vgl. MietSLG. 22.453 und 30.473; Würth in Rummel, ABGB § 33 MRG Rz 7). Dementsprechend ist für die Höhe des festzustellenden Rückstandes nicht nur der Zeitraum bis zur Aufkündigung bzw. Vertragsaufhebungserklärung, sondern es sind auch alle erst danach bis zur Beschlußfassung eingetretenen, für die Höhe des Zinsrückstandes bestimmenden Tatsachen zu berücksichtigen. Es kann dabei für den Betriebskostenrückstand nicht ohne Bedeutung sein, daß die im Gesetz vorgesehene Frist für die Abrechnung der im fraglichen Kalenderjahr fällig gewordenen Betriebskosten (und öffentlichen Abgaben) bis dahin längst abgelaufen ist. Schon aus dem Wesen der Betriebskostenpauschalraten als Abschlagszahlungen auf die zu erstattenden Betriebskosten, deren Höhe im Gesetz festgelegt wird, folgt, daß der Mieter - sind diese Pauschalraten aus welchem Grunde immer bisher nicht oder nicht vollständig entrichtet worden - nach Ablauf der für die Abrechnung bestimmten Frist nur mehr die Erstattung der tatsächlich in dem zur Beurteilung stehenden Kalenderjahr aufgelaufenen Betriebskosten schuldet. Dieses Ergebnis folgt nicht zuletzt auch aus dem Zweck der Betriebskostenpauschalverrechnung, die - wie auch sonst bei Verpflichtung des Schuldners zu der Höhe nach festgelegten Abschlagszahlungen - den Gläubiger (Vermieter) von der Vorfinanzierung überwälzbarer Kosten (Betriebskosten) entlasten soll, ohne den Schuldner (Mieter) über Gebühr zu belasten. Müssen dem Vermieter die tatsächlich aufgelaufenen Betriebskosten bereits bekannt sein und ist auch schon die für die Abrechnung im Gesetz festgesetzte Frist abgelaufen, kann er nur mehr die Erstattung jener Kosten, die ihm tatsächlich entstanden sind, verlangen, weil der Zweck der Pauschalverrechnung weggefallen ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher seiner Beschlußfassung die tatsächlich auf jenen Zeitraum, für den der Rückstand geltend gemacht wird, entfallenden Betriebskosten zugrundezulegen haben. Dies muß umso mehr gelten, als es ohnehin festgestellt hat, daß die Hausverwalterin der Beklagten für die Jahre 1984 und 1985 eine Betriebskostenabrechnung zugesandt hat und die tatsächlich aufgelaufenen Betriebskosten für diese Zeiträume daher bereits abgerechnet sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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