Spruch:
Der Revision wird stattgegeben, das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Beklagten haben am 4.Oktober 1986 die Ehe geschlossen. Die Frau war österreichische Staatsbürgerin, der Mann nicht. Nach ihrem prozessualen Zugeständnis verfolgten die Streitteile bei ihrer Eheschließung ausschließlich die Absicht, dem Mann den Erwerb der inländischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.
Das Prozeßgericht erster Instanz hat das von der Staatsanwaltschaft gemäß § 23 Abs 1 EheG gestellte Begehren auf Nichtigerklärung der Ehe aus der Erwägung abgewiesen, daß die Nichtigkeitsdrohung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Ehen beschränkt sei, bei denen ein Staatsbürgerschaftserwerb durch die Frau bezweckt gewesen sei. Davon abgesehen könne seit der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes durch die Novelle vom 3. März 1983, BGBl Nr 170 der Tatbestand nach § 23 Abs 1, zweiter Fall EheG nicht mehr verwirklicht werden, weil die Eheschließung nicht mehr (kraft Gesetzes) zum Staatsbürgerschaftserwerb führe, sondern diesen bloß erleichtere.
Das Berufungsgericht bestätigte das abweisende Urteil erster Instanz.
Es teilte zwar die erstrichterliche Ansicht darüber nicht, daß infolge der durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983 geänderten Verwaltungsrechtslage der Nichtigkeitstatbestand der Staatsbürgerschaftsehe nicht mehr erfüllbar wäre, und hielt dem entgegen, daß im Falle der Eheschließung eines Fremden mit einem inländischen Staatsbürger dieser bei Vorliegen weiterer positiver und negativer Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft besäße.
Das Berufungsgericht teilte aber die erstrichterliche Ansicht, daß die ausdrücklich auf den Staatsbürgerschaftserwerb durch die Frau abgestellte Nichtigkeitsdrohung nicht auf den Fall eines beabsichtigten Staatsbürgerschaftserwerbes durch den Mann analog ausgedehnt werden dürfe.
Die Nichtigkeitsklägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Stattgebung des Klagebegehrens zielenden Abänderungsantrag an. Die Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Nach dem seit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbestand der zweiten Republik unverändert gebliebenen Wortlaut des § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen, ist, der Frau ... den Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Als gesetzgeberisches Ziel dieser Regelung muß erkannt werden, jenen eherechtlichen Formalerklärungen die Rechtswirksamkeit zu nehmen, die als übereinstimmende Scheinerklärungen der Partner nicht auf eine Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern zumindest vorwiegend darauf zielen, einem der Partner den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, die der andere bereits besitzt. Zur Zeit der Formulierung des Gesetzeswortlautes und auch noch zur Zeit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbereich der zweiten Republik war nach dem damals geltenden Staatsbürgerschaftsrecht nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau und nicht auch umgekehrt vorgesehen. Die Nichtigkeitsdrohung erfaßte alle denkmöglichen Fälle. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Ehegesetzgeber mit seiner Nichtigkeitsanordnung einseitig nur den Staatsbürgerschaftserwerb über die Eheschließung in Ansehung des weiblichen Ehepartners hätte erfassen wollen. Die Eheschließung eines Fremden mit einer Inländerin war staatsbürgerschaftsrechtlich ohne Belang. Dies änderte sich erst mit dem Inkrafttreten der StbG-Nov 1983. Nunmehr ist die Eheschließung eines inländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestandsmerkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt ("Ausländerin" im § 4 StbG 1949 oder "eine Fremde" in § 9 StbG 1965) sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist (der andere "Ehegatte" geschlechtsneutral in § 11a StbG idgF).
Mit dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes trat in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG nachträglich eine unbeabsichtigte, systemwidrige Lücke auf. Diese ist ungeachtet des § 20 EheG aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot im Sinne der Analogie zu schließen (vgl zum parallelen Fall der Namensehe Schwind, FamR, 26 und Koziol-Welser, Grundriß8, II, 180).
§ 23 Abs 1 EheG ist in seinem zweiten Regelungsfall daher in folgendem Sinne zu lesen:
"Eine Ehe ist nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, einem Ehegatten ... den Erwerb der Staatsbürgerschaft des anderen zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll."
Die geänderte staatsbürgerschaftrechtliche Lage hat die Regelung nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG nicht gegenstandslos gemacht. Wenn auch die Eheschließung numehr nicht kraft Gesetzes (§ 4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt oder diese durch Erklärung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat, (§ 9 StbG 1965) herbeigeführt wird, steht doch dem Fremden im Falle der Eheschließung mit einem Inländer bei Vorliegen weiterer gesetzlich umschriebener Voraussetzungen ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 11a StbG 1965 idgF) zu. Die Eheschließung ist damit ein staatsbürgerschaftserwerbsrechtlich erhebliches Tatbestandselement. Sie "ermöglicht" in diesem Sinne den Staatsbürgerschaftserwerb. Der vom Prozeßgericht erster Instanz geteilten Ansicht von Schwind, FamR, 26, eine Staatsbürgerschaftsehe sei nun nicht mehr möglich, ist das Rekursgericht mit Recht nicht gefolgt.
Die Abweisung des Klagebegehrens ist rechtlich nicht gedeckt. Dennoch ist derzeit eine Stattgebung des Klagebegehrens nicht möglich. Das Prozeßgericht erster Instanz hat sich mit dem Prozeßvorbringen der beiden Ehegatten begnügt und den der Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt auf das "Zugeständnis" der Beklagten gegründet. Damit wurde dem Stoffsammlungsgrundsatz nach § 460 Z 4 ZPO nicht entsprochen. Das Verfahren erweist sich deshalb als ergänzungsbedürftig. In Stattgebung der Revision war die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen an das Prozeßgericht erster Instanz zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
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