OGH 2Ob100/88

OGH2Ob100/8822.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marlene B***, Diplomkrankenschwester, Müsinenstraße 34, 6832 Sulz, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1) Christine B***, Hausfrau, Zanderstraße 3, 6900 Bregenz, und 2) E*** A*** V***-AG, Brandstätte 7-9,

1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 25.230,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21. April 1988, GZ 3 R 106/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. Jänner 1988, GZ 4 Cg 18/88-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 25.230,-- samt 4 % Zinsen seit 4. Mai 1987 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 13.283,31 bestimmten Kosten des Verfahrens in erster Instanz (darin Barauslagen von S 3.150,-- und Umsatzsteuer von S 1.116,66), die mit S 2.593,63 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 235,78, keine Barauslagen) und die mit S 4.612,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 1.500,-- und Umsatzsteuer von S 282,97) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. Februar 1987 ereignete sich gegen 15 Uhr auf dem Zufahrtsweg zum Landesnervenkrankenhaus Valduna in der Nähe dessen Einmündung in die Valdunastraße ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Halterin und Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen

V 11.852 und Christoph B*** als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen

V 71.095 beteiligt waren. Die Erstbeklagte ist die Halterin, die Zweitbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die mit ihrem PKW auf dem Zufahrtsweg in Richtung Valdunastraße fahrende Klägerin kollidierte mit dem für sie von rechts aus einem Umkehrplatz für Omnibusse in den Zufahrtsweg einfahrenden PKW der Erstbeklagten. Dabei wurden beide Fahrzeuge beschädigt; Personenschaden trat nicht ein. Ein gerichtliches Strafverfahren fand gegen keinen der beiden beteiligten Lenker statt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ein auf Zahlung eines Betrages von S 6.935,60 s.A. gerichtetes Mehrbegehren wurde bereits im ersten Rechtsgang unbekämpft abgewiesen) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 25.230,-- s.A. (Fahrzeugschaden, Ersatz von Spesen). Der Höhe nach ist der Klagsbetrag nicht mehr strittig. Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß den Lenker des PKW der Erstbeklagten das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, weil er den der Klägerin nach § 19 Abs 6 StVO zukommenden Vorrang verletzt habe. Er habe seiner "Räumpflicht" nicht entsprochen (ON 6 S 30) und gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen; er hätte die vor der Einfahrt in den Zufahrtsweg befindliche Verkehrsinsel rechts umfahren müssen (ON 18 S 89).

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe die Klägerin, weil sie den Rechtsvorrang des Fahrzeuges der Erstbeklagten nicht beachtet habe. Die Klägerin sei überdies nach § 19 Abs 6 StVO gegenüber dem Lenker des PKW der Erstbeklagten benachrangt gewesen, sei zu schnell und zu weit links gefahren und habe verspätet reagiert. Die Beklagten wendeten eine Schadenersatzforderung der Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 8.744,52 (Fahrzeugschaden) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Der Höhe nach ist auch diese Gegenforderung nicht mehr strittig. Das Erstgericht entschied im zweiten Rechtsgang, daß die Klagsforderung mit S 25.230,-- s.A. zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht besteht. Es verurteilte daher die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 25.230,-- s.A. an die Klägerin.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Unfallstelle befindet sich im Bereich der als Zufahrtsweg bezeichneten Verkehrsfläche, die die Verbindung zwischen der Valdunastraße und dem Haupteingang des Krankenhauses darstellt. Für diesen Zufahrtsweg ist entgegen der Fahrtrichtung der Klägerin eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h angeordnet; in Fahrtrichtung der Klägerin besteht keine besondere Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Valdunastraße, der Zufahrtsweg und der Busumkehrplatz sind asphaltiert. Der Zufahrtsweg weist in Fahrtrichtung der Klägerin ein Gefälle von 5 % auf. In Fahrtrichtung der Klägerin verbreitert sich die von ihr befahrene Verkehrsfläche kreisförmig. 15 m nach Beginn der Ausbuchtung beginnt eine kreisförmige Grünfläche, in deren Mitte ein Baum steht. Die kreisförmige Erweiterung der Verkehrsfläche ist gegenüber der Grünfläche und dem rechts befindlichen Rasen durch erhöhte Bordsteine begrenzt. Am Ende der Grüninsel war (in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen) eine Stoptafel angebracht. Nach dieser Stoptafel mündet der Zufahrtsweg in die Valdunastraße. Diese kommt aus Richtung Rankweil und beschreibt bei der Einmündung des Zufahrtsweges entgegen der Fahrtrichtung der Klägerin gesehen eine scharfe Linkskurve; sie führt dann weiter bergwärts hinter das Krankenhaus zu einem mehrere hundert Meter davon entfernten Parkplatz. Der Zufahrtsweg ist im Bereich der Grüninsel 6 m breit. Auf Höhe der Grüninsel ist die kreisförmige Erweiterung 7 m breit. Vor Beginn der kreisförmigen Erweiterung ist der Zufahrtsweg 6 m breit. Die Valdunastraße hat eine Breite von 7 m. In der kreisförmigen Erweiterung der Verkehrsfläche befindet sich eine Postautobushaltestelle. Zu diesem Zweck ist das Verkehrszeichen "Postautobushaltestelle" zusammen mit dem Verkehrszeichen "Halten und Parken verboten" an einer Stange angebracht. Vor dieser Stange ist eine Sitzbank montiert. Diese Verkehrszeichen und Beschilderungen sind etwa in der Mitte der kreisförmigen Erweiterung in bezug auf die Ausdehnung angebracht. Davor und danach sind Beschilderungen mit der Aufschrift "Freihalten Postautoumkehrplatz" vorhanden. Auf der Asphaltfahrbahn der kreisförmigen Erweiterung ist - in Fahrtrichtung des PKW der Erstbeklagten gesehen - im linken Teil dreimal die Aufschrift "Bus" als Bodenmarkierung angebracht. Vor der Einmündung dieser kreisförmigen Erweiterung in den Zufahrtsweg ist eine gelbe ununterbrochene Linie mit einer Länge von etwa 2,5 m angebracht. Auf dem Zufahrtsweg befinden sich im Bereich der Kollisionsstelle keine besonderen Verkehrszeichen. Am - in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen - linken Fahrbahnrand des Zufahrtsweges befinden sich zwei Verkehrszeichen "Halten und Parken verboten".

Die Valdunastraße ist in der Mitte durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnhälften geteilt. In Fahrtrichtung des PKW der Erstbeklagten gesehen ist vor dem Beginn der kreisförmigen Erweiterung auf der Valdunastraße eine 15 m lange Sperrlinie angebracht. Rechts befinden sich außerhalb der Fahrbahn der Valdunastraße Felsen; sie stellen im Bereich der Rechtskurve der Valdunastraße eine Sichtbehinderung dar. Die Entfernung von der Kollisionsstelle bis zum Haupteingang des Krankenhauses beträgt ca 60 m. Ca 30 m vor dem Haupteingang zweigt nach rechts eine Verkehrsfläche zu einem Parkplatz ab, der sich etwa 200 m nach der Kollisionsstelle befindet.

Zur Unfallszeit waren am Zufahrtsweg nach der kreisförmigen Erweiterung an beiden Seiten Fahrzeuge geparkt. Die Klägerin fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca 29 bis 34 km/h vom Parkplatz beim Haupteingang des Krankenhauses in Richtung Valdunastraße. Der Lenker des PKW der Erstbeklagten fuhr von der Valdunastraße her über die kreisförmige Erweiterung der Verkehrsfläche links an der Grüninsel vorbei und beabsichtigte, in den Zufahrtsweg in Richtung zum Haupteingang des Krankenhauses einzubiegen. In welchem Zeitpunkt der PKW der Erstbeklagten für die Klägerin erstmals wahrnehmbar war, kann nicht festgestellt werden. Ca 1,2 Sekunden vor der Kollision bremste die Klägerin ihr Fahrzeug voll ab; sie betätigte die Bremse, als sie noch etwa 7,1 bis 8,6 m von der Kollisionsstelle entfernt war. Sie prallte mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h mit der Mitte der Vorderfront ihres Fahrzeuges gegen das linke vordere Eck des PKW der Erstbeklagten, der sich in einer Linksschrägstellung befand.

Ob der PKW der Erstbeklagten vor der Kollision am Zufahrtsweg stand oder noch in Fahrt war, kann nicht festgestellt werden. Der Lenker des PKW der Erstbeklagten fuhr auf der kreisförmigen Erweiterung der Verkehrsfläche etwas links der Mitte. Er blieb an der gedachten Einmündungslinie der kreisförmigen Erweiterung in den Zufahrtsweg stehen. Zu diesem Zeitpunkt war die gegenseitige Sicht der beiden Fahrzeuglenker durch die auf dem Zufahrtsweg abgestellten Fahrzeuge versperrt. Das Anhalten des PKW der Erstbeklagten war für die Klägerin nicht wahrnehmbar. Zum Zeitpunkt des Anhaltens des PKW der Erstbeklagten war das anhaltende Fahrzeug nicht im Sichtbereich der Klägerin. Nach kurzem Stillstand fuhr der Lenker des PKW der Erstbeklagten weiter. Es ist nicht feststellbar, in welcher Entfernung er den PKW der Klägerin erstmals wahrnahm. Auch der Seitenabstand des Fahrzeuges der Klägerin zu den links und rechts am Zufahrtsweg geparkten Fahrzeugen ist nicht feststellbar. Die auf der kreisförmigen Erweiterung der Verkehrsfläche angebrachten Verkehrszeichen und Beschilderungen waren für den Lenker des PKW der Erstbeklagten wahrnehmbar.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht - unter Bedachtnahme auf eine ihm in dem im ersten Rechtsgang vom Berufungsgericht ohne Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß überbundene Rechtsansicht - den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den Lenker des PKW der Erstbeklagten ein Verschulden treffe, weil er entgegen § 8 Abs 2 und Abs 3 StVO die Schutzinsel links umfahren habe. Er sei in den von der Klägerin benützten Zufahrtsweg aus einem Straßenstück eingefahren, das für den - in Fahrtrichtung des PKW der Erstbeklagten

gesehen - Linksabbiegeverkehr aus der Valdunastraße in den Zufahrtsweg zum Krankenhaus nicht vorgesehen gewesen sei. Da - in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen - die Stoptafel erst nach dem von Christoph B*** benützten Straßenstück auf der Verkehrsinsel angebracht gewesen sei, habe sie darauf vertrauen können, daß kein Fahrzeug herankomme. Somit könne der Klägerin weder eine Vorrangverletzung noch sonst ein Verstoß gegen Verkehrsvorschriften angelastet werden. Es sei daher nicht entscheidend, welche der von den Unfallsbeteiligten benützten Straßen als eine untergeordnete Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO anzusehen sei. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, es seien auch sogenannte Haltestelleninseln und solche straßenbaulichen Einrichtungen unter die Bestimmung des § 2 Z 13 StVO zu subsumieren, die - über den Gesetzeswortlaut hinausgehend - nicht dem Fußgängerverkehr, sondern anderen Zwecken, zum Beispiel der Aufstellung von Lichtmasten, wie überhaupt der Kanalisierung des Fahrzeugverkehrs im Kreuzungsbereich dienten. Aus dem Vorhandensein einer Sperrlinie, die, in Fahrtrichtung des Lenkers des PKW der Erstbeklagten gesehen, vor Beginn des Busumkehrplatzes geendet habe, könne nicht der dem Rechtsfahrgebot widersprechende Schluß gezogen werden, daß die Schutzinsel links statt rechts zu umfahren sei.

Die aus § 8 Abs 2 StVO resultierende Verpflichtung des Lenkers des PKW der Erstbeklagten, an der Schutzinsel rechts vorbeizufahren, sei bereits in dem im ersten Rechtsgang gefaßten Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes entsprechend begründet worden. Es handle sich im übrigen bei der Bestimmung des § 8 Abs 2 StVO nur um eine Präzisierung des eine Grundregel der Fahrordnung darstellenden Rechtsfahrgebotes.

Dem Lenker des PKW der Erstbeklagten sei, da er dem Rechtsfahrgebot zuwider den dem Gegenverkehr vorbehaltenen Ast der Valdunastraße benützt habe, der Vorrang nicht zugekommen. Schon mit Rücksicht auf die erst nach der Verkehrsinsel angebrachte Stoptafel habe die Klägerin auch nicht mit einem Querverkehr vor diesem Vorrangzeichen rechnen müssen. Wenn dem Lenker des PKW der Erstbeklagten somit der Vorrang nicht zugekommen sei, könne er auch von der Klägerin nicht verletzt worden sein. Da die Klägerin auch keine anderen Verkehrsvorschriften verletzt habe, bestehe gemäß § 11 EKHG kein Anlaß, sie zur Mithaftung heranzuziehen. Seinen Anspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß, soweit überschaubar, zu der hier streitentscheidenden Frage, ob aus § 8 Abs 2 und Abs 3 StVO die Verpflichtung eines Kraftfahrers abzuleiten sei, eine nicht für den Fußgängerverkehr bestimmte kreisförmig ausgebildete Grünfläche mit Baumbestand analog einer Schutzinsel rechts zu umfahren, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 3 zweiter Satz und Abs 4 Z 1 ZPO zulässig und auch sachlich berechtigt.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der kreisförmigen, mit einem Baum bestandenen Grünfläche, die den vom Erstgericht als "kreisförmige Erweiterung der Verkehrsfläche" bezeichneten Umkehrplatz für Omnibusse von der Fahrbahn der Valdunastraße und dem Zufahrtsweg zum Krankenhaus abgrenzt, um eine in der Mitte einer Straße gelegene Schutzinsel gehandelt hätte, die nach der Anordnung des § 8 Abs 2 StVO rechts zu umfahren gewesen wäre, kann nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestehen am Verlauf der Valdunastraße und des Zufahrtsweges zum Krankenhaus bis zu seiner Einmündung in die Valdunastraße keinerlei Zweifel; die erwähnte kreisförmige Grünfläche liegt nicht im Verlauf dieser Verkehrsflächen, sondern grenzt sie von einer anderen Verkehrsfläche, nämlich dem Umkehrplatz für Omnibusse, ab. Im Hinblick auf diese straßenbauliche Ausgestaltung der im Bereich der Unfallstelle liegenden Verkehrsflächen ist im vorliegenden Fall für die Anwendung der Bestimmung des § 8 Abs 2 StVO kein Raum.

Auszugehen ist vielmehr davon, daß sich die Kollision der beteiligten Fahrzeuge an der Kreuzung zweier Verkehrsflächen ereignete, von denen die eine der von der Klägerin befahrene Zufahrtsweg zum Krankenhaus und die andere der vom Lenker des PKW der Erstbeklagten befahrene Umkehrplatz für Omnibusse war, der weder der Fahrbahn der Valdunastraße noch dem Zufahrtsweg zuzurechnen ist. Gemäß § 19 Abs 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die aus Nebenfahrbahnen, von Wohnstraßen, von Radfahrstreifen, von Radwegen, von Geh- und Radwegen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, aus Garagen, von Parkplätzen, von Feldwegen, von Tankstellen oder dergleichen kommen. Grundgedanke dieser Vorschrift ist, daß dem fließenden Verkehr der Vorrang gegenüber dem Verkehr auf allen jenen Verkehrsflächen zukommt, denen eine wesentlich geringere Bedeutung zuzumessen ist als einer normalen Straße. Der aus dem Gesetzeswortlaut klar erkennbare Zweck dieser Bestimmung liegt darin, die Behinderung von Fahrzeugen, die sich auf Verkehrsflächen mit größerer Verkehrsbedeutung im fließenden Verkehr befinden, durch andere Fahrzeuge, die aus Verkehrsflächen mit geringerer Verkehrsbedeutung kommen und sich in den fließenden Verkehr erst einordnen müssen, hintanzuhalten (ZVR 1986/8 mwN ua). Allerdings hat die Beurteilung der Frage, ob eine Verkehrsfläche den im § 19 Abs 6 StVO beispielsweise angeführten Verkehrsflächen gleichzuhalten ist, nach objektiven, für die Verkehrsteilnehmer während ihrer Fahrt deutlich erkennbaren Kriterien zu erfolgen. Bei der Lösung dieser Frage kommt es nicht auf die jeweilige subjektive Betrachtungsweise der beteiligten Lenker, auf ihre besonderen Ortskenntnisse oder die Verkehrsfrequenz an, sondern darauf, ob sich die betreffende Verkehrsfläche ihrer gesamten Anlage nach deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (ZVR 1984/165 mwN uva). Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits wiederholt ausgeführt, daß unter einer Grundstückseinfahrt jede erkennbar nicht dem allgemeinen öffentlichen Verkehr gewidmete Fahrbahn zu verstehen ist, die von einer öffentlichen Straße zu einem einzelnen Grundstück oder zu einem begrenzten Grundstückskomplex führt

(ZVR 1984/165 mwN). Dies trifft im vorliegenden Fall auf den von der Klägerin befahrenen Zufahrtsweg von der Valdunastraße zum Krankenhaus bzw zu einem zu diesem gehörigen Parkplatz zu, weil dieser Weg nach seiner gesamten für den Benützer überblickbaren Anlage (siehe dazu die im Akt befindlichen Lichtbilder) nicht dem allgemeinen öffentlichen Verkehr dienen konnte, sondern eben nur der Zufahrt zum Krankenhaus. In gleicher Weise ist aber auch der vom Lenker des PKW der Erstbeklagten befahrene Umkehrplatz für Omnibusse einer der im § 19 Abs 6 StVO beispielsweise beschriebenen, benachrangten Verkehrsflächen gleichzuhalten, weil auch er nach seiner Anlage und seiner von den Vorinstanzen festgestellten Ausgestaltung und Beschilderung, die gleichfalls für jeden diese Verkehrsfläche benützenden Verkehrsteilnehmer überblickbar war, nicht dem allgemeinen öffentlichen fließenden Verkehr, sondern einer Verwendung als Halte- und Umkehrstelle für Omnibusse gewidmet war. Das Befahren dieser Verkehrsfläche war dem Lenker des PKW der Erstbeklagten durch keine Verkehrsvorschrift verboten. Es handelte sich daher bei der Unfallstelle um eine Kreuzung zweier Verkehrsflächen im Sinne des § 19 Abs 6 StVO, sodaß sich der Vorrang zwischen den beteiligten Fahrzeugen nach der im § 19 Abs 1 StVO normierten Rechtsregel zu richten hat, da durch Verkehrszeichen nichts anderes angeordnet war (ZVR 1986/8 mwN uva). Es kam somit dem Lenker des PKW der Erstbeklagten gegenüber der Klägerin der Vorrang zu. Aus dem Anhalten des PKW der Erstbeklagten vor dem Einfahren in den Zufahrtsweg kann ein Vorrangverzicht seines Lenkers im Sinne des § 19 Abs 8 StVO nicht abgeleitet werden, weil sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ergibt, daß während dieses Anhaltens bereits die Möglichkeit gegenseitiger Sicht für die beiden beteiligten Lenker bestanden hätte. Daß der Lenker des PKW der Erstbeklagten nach Wahrnehmbarkeit des Fahrzeuges der Klägerin noch irgendeine Möglichkeit gehabt hätte, den Unfall zu vermeiden, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht. Der hier zu beurteilende Verkehrsunfall ist unter diesen Umständen auf eine Vorrangverletzung der Klägerin zurückzuführen, der es oblegen wäre, den Lenker des PKW der Erstbeklagten beim Einfahren in den Zufahrtsweg zum Krankenhaus nicht in der im § 19 Abs 7 StVO beschriebenen Weise zu behindern. Ein Mitverschulden des Lenkers des PKW der Erstbeklagten ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung war daher das Klagebegehren abzuweisen.

In diesem Sinne waren in Stattgebung der Revision der Beklagten die Urteile der Vorinstanzen abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.

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