Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die betreibende Partei hatte in ihrer arbeitsrechtlichen Leistungsklage behauptet, sie sei bei der verpflichteten Partei seit 25. Oktober 1985 als Handelsvertreter beschäftigt gewesen. Mit Schreiben vom 26.August 1986 habe die verpflichtete Partei den Handelsvertretervertrag zeitwidrig gekündigt. Der betreibenden Partei stünden Provisionen aus der Zeit bis zur Vertragsauflösung und Ansprüche gemäß § 25 HVG zu.
Das Erstgericht erkannte zu Recht, daß die Klagsforderung mit 560.010,94 S und die Gegenforderung mit 4.183,95 S zu Recht bestehe und daß die verpflichtete Partei daher schuldig sei, der betreibenden Partei 555.826,99 S samt Anhang zu zahlen; ein Mehrbegehren von 203.846,25 S samt Anhang wurde abgewiesen.
§ 1 Abs 1 des vom Erstgericht in diesem Urteil festgestellten Handelsvertretervertrages lautet: "Der Handelsvertreter (= betreibende Partei) übernimmt zur selbständigen und gewerbsmäßigen Ausübung: ..." § 3 Abs 2 lautet: "Bei der Ausübung seiner Tätigkeit hat der Handelsvertreter die Interessen der Firma (= verpflichtete Partei) mit der Sorgfalt eines ordentliches Kaufmanns wahrzunehmen." § 4 Abs 2 lautet: "Bei der Erteilung von Weisungen an den Handelsvertreter hat die Firma der selbständigen Stellung des Handelsvertreters Rechnung zu tragen." Nach § 11 hat der Handelsvertreter keinen Anspruch auf Erstattung der Porto-, Fernsprech- und Telegrammkosten, die ihm im Verkehr mit der Firma und durch die Weiterleitung von Post an die Abnehmer entstehen. Kosten vorher abgesprochener Werbeaktionen, Rundschreiben ua sollten jedoch von der Firma getragen werden. § 13 des Vertrages enthält ein Konkurrenzverbot. Nach einer Zusatzvereinbarung stellte die betreibende Partei der verpflichteten Partei einen PKW zur Verfügung, wobei die verpflichtete Partei die Kosten des Ankaufs und der Instandsetzung übernahm, alle weiteren Kosten aber die betreibende Partei tragen sollte.
Zur Klagsstattgebung gelangte das Erstgericht, weil es Provisionsansprüche von 160.010,94 S bis zur Vertragsauflösung und weiters einen Entschädigungsanspruch von 400.000 S für berechtigt hielt. (Die Gegenforderung von 4.183,95 S betrifft einen Provisionsrückforderungsanspruch der verpflichteten Partei.) Gestützt auf § 61 ASGG beantragte die betreibende Partei auf Grund dieses nicht rechtskräftigen Urteiles zur Hereinbringung des Betrages von 155.826,99 S (das sind die rückständigen Provisionen abzüglich Gegenforderung) die Bewilligung der Fahrnisexekution. Das Erstgericht als Titelgericht, aber ohne den Zusatz "als Arbeits- und Sozialgericht", bewilligte die Exekution. Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde. Es war der Auffassung, daß § 61 ASGG auf selbständige Handelsvertreter nicht anzuwenden sei, weil es sich hier nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern höchstens um ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis handle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Nach § 61 Abs 1 ASGG hemmt die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichts erster Instanz nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den der Vollstreckbarkeit in Rechtsstreitigkeiten u.a. (1.) über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und daraus abgeleitete Ansprüche auf das rückständige laufende Arbeitsentgelt, und (2.) über Ansprüche auf das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückständige laufende Arbeitsentgelt. Nach § 51 ASGG sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind (Abs 1), und es stehen den Arbeitnehmern (nach Abs 3) gleich
- 1. Personen, die den Entgeltschutz für Heimarbeit genießen, sowie
- 2. sonstige nicht mit gewerblicher Heimarbeit beschäftigte Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind.
Daraus ergibt sich, daß das ASGG bei Verwendung des Wortes "Arbeitnehmer" auch Personen umfassen kann, die zwar keine Arbeitnehmer im eigentlichen Sinn des Wortes sind, diesen aber gleich stehen, während bei Verwendung des Wortes "Arbeitsverhältnis" nicht ebenso auch die nach § 51 ASGG davon verschiedenen arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse erfaßt sind. Zu den in § 61 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG behandelten Ansprüchen aus dem "Arbeitsverhältnis" gehören also nicht auch Ansprüche aus arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen. In dieser Unterscheidung des Gesetzes kann auch ein sinnvoller Unterschied liegen, weil nicht bei allen Ansprüchen arbeitnehmerähnlicher Personen die gleiche Schutzwürdigkeit und Interessenlage bestehen muß wie bei Arbeitnehmern.
Der erkennende Senat schließt sich daher der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz an, daß § 61 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG nur auf Ansprüche anzuwenden ist, die aus einem Arbeitsverhältnis stammen. Diese Auffassung wird auch im Kommentar von Kuderna vertreten (Anm 8 und 9 zu § 61 ASGG). Im übrigen Schrifttum wird, soweit überblickbar, zwar nie gesagt, daß Ansprüche, welche aus bloß arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnissen abgeleitet werden, nicht unter § 61 ASGG fielen, es wird aber auch nie das Gegenteil vertreten (Schrank, RdW 1985, 154 ff und 1987, 86; Konecny, ZAS 1986, 155 ff; Rebhahn, ZAS 1986, 207 und DRdA 1988, 16; Harrer, DRdA 1987, 460, 466; Gesetzesausgabe von Feitzinger-Tades und Hofmeister-Rechberger). Aus der Nichtbehandlung der strittigen Unterscheidung kann nicht der Schluß gezogen werden, diese Autoren setzten die Geltung des § 61 ASGG auch für arbeitnehmerähnliche Verhältnisse voraus.
Unter einem Arbeitsverhältnis versteht man das Rechtsverhältnis, das durch privates Rechtsgeschäft begründet wird und den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung für einen anderen verpflichtet. Es ist gekennzeichnet durch die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, die sich vor allem darin äußert, daß ein erheblicher Teil der Person des Arbeitnehmers zur Verfügung des Arbeitgebers steht (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 42, 50).
Der Handelsvertreter ist hingegen typischerweise höchstens wirtschaftlich, nicht aber persönlich vom Geschäftsherrn abhängig (Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO 50; Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht 48 f, derselbe in DRdA 1985, 85; Schima, RdW 1987, 16). Ob der Kläger nach den festgestellten besonderen Umständen ein angestellter oder ein selbständiger Handelsvertreter war, stellt aber keine Rechtsfrage dar, der über den vorliegenden Einzelfall hinaus eine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt.
Wenn § 61 ASGG auf den Kläger nicht anzuwenden ist, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die verfassungsrechtliche Problematik des zitierten Vollstreckungsprivilegs (dazu kürzlich Kuderna, DRdA 1988, 89).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78 EO und 50 und 40 ZPO.
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