OGH 8Ob31/88

OGH8Ob31/8810.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Ausgleichssache der K*** W*** BAU Gesellschaft mbH, 4780 Schärding am Inn, Unterer Stadtplatz 13, und der Gläubigerin Fertigteilwerk Ing. K*** Gesellschaft mbH und Co KG, Fuchsengutstraße 7, 4020 Linz/Schärding, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, infolge Rekurses der Ausgleichsschuldnerin, vertreten durch Dr. Reinhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24. Juni 1988, GZ 2 R 67/88-65, womit der Rekurs der Ausgleichsschuldnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 11. Februar 1988, GZ Sa 11/86-58, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung in der Sache unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Im Insolvenzverfahren der Ausgleichsschuldnerin wurde am 15. Jänner 1987 ein Ausgleich angenommen (ON 29), der im wesentlichen vorsieht, daß die Gläubiger eine Quote von 40 % erhalten, und zwar 10 % binnen 6 Monaten, 15 % binnen 9 Monaten und 15 % binnen 12 Monaten. Dieser Ausgleich wurde am 13. Februar 1987 bestätigt (ON 33). Am 16. März 1987 wurde das Ausgleichsverfahren unter Anordnung eines Nachverfahrens gemäß § 57 Abs 2 AO aufgehoben und zur Überwachung ein Sachwalterkomitee bestellt (ON 36). Mit dem Beschluß vom 4. Februar 1988 wurde die Überwachung der Erfüllung des Ausgleiches gemäß § 64 Abs 2 Z 1 AO eingestellt (ON 57). Am 29. Oktober 1987 beantragte die Gläubigerin Fertigteilwerk Ing. K*** Gesellschaft mbH & Co KG, daß ihre Forderung gemäß § 55 f AO (seit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 nunmehr § 66 AO) mit S 4,351.730,84 vorläufig festgestellt werde (ON 41). Sie habe ihre Forderung im Ausgleichsverfahren deshalb nicht angemeldet, weil sie entgegen der Auffassung der Gemeinschuldnerin und des Sachwalterkomitees der Meinung (gewesen) sei, daß ihre Forderung durch den Ausgleich ohnehin nicht berührt werde. Zur Bescheinigung ihrer Forderung erstattete die Gläubigerin ein umfangreiches Vorbringen (AS 565 bis 601).

Die Ausgleichsschuldnerin verwies darauf, daß ein 10 %iger Deckungsrücklaß in der Höhe von S 435.173,08 von der Forderung von S 4,351.730,84 abzuziehen sei, sodaß sich die Forderung dadurch zunächst auf S 3,916.557,76 vermindere (AS 614). Dieser Forderung der Gläubigerin werde eine Gegenforderung von insgesamt S 1,133.593,68 entgegengehalten. Unter Berücksichtigung der Bedingungen des bestätigten Ausgleiches werde daher beantragt, die Forderung der Gläubigerin mit S 3,916.557,76 als Ausgleichsforderung und die zu entrichtenden Ausgleichsraten unter Berücksichtigung der Gegenforderung mit S 108.257,36 (10 %ige Quote), S 162.386,03 (15 %ige Quote) und S 162.386,03 (15 %ige Quote) festzustellen (AS 616/617).

Das Erstgericht stellte nach Einsicht in die zur Bescheinigung vorgelegten Urkunden und nach Vernehmung der nahmhaft gemachten Auskunftspersonen die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung der Gläubigerin mit S 3,779.478,23 "(ohne den derzeit noch nicht fälligen 10 %igen Haftrücklaß)" fest. Nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien habe die Gläubigerin bis zur Ausgleichseröffnung Leistungen über eine Auftragssumme von S 4,351.730,84 erbracht. Unter Abzug des noch nicht fälligen Haftrücklasses habe die Forderung der Gläubigerin zum Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung S 3,916.557,76 betragen. Davon habe der vereinbarte 3,5 %ige Nachlaß von S 137.079,53 einbehalten werden dürfen. Die Ausgleichsforderung der Gläubigerin sei daher mit S 3,779.478,23 vorläufig festzustellen, sodaß die Ausgleichsschuldnerin zur Erfüllung des Ausgleiches 40 % von diesem Betrag zu zahlen habe.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Ausgleichsschuldnerin zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß durch die Provisorialentscheidung im Sinne des § 66 AO der Ausgleichsschuldner nur vor den Verzugsfolgen des § 53 Abs 4 AO geschützt werden solle, keinesfalls solle jedoch ein Oppositions- bzw. Impugnationsverfahren abgeführt werden. Die Ausgleichsschuldnerin habe ausdrücklich begehrt, daß die Ausgleichsforderung der Gläubigerin mit S 3,916.557,76 festgestellt werde. Diesem Begehren habe das Konkursgericht sogar in einem geringeren Umfang entsprochen, indem es die Ausgleichsforderung bloß mit S 3,779.478,23 feststellte. Durch diese Entscheidung sei die Ausgleichsschuldnerin daher in ihren geltend gemachten Rechten keineswegs beeinträchtigt, ja ganz im Gegenteil sogar begünstigt worden. Insoweit die Ausgleichsschuldnerin den einzelnen fälligen Ausgleichsraten nunmehr eine erst nach Annahme des Ausgleiches erstmals mit Schreiben vom 10. Juli 1987 außergerichtlich geltend gemachte Gegenforderung entgegenhält, habe das Erstgericht zutreffend nicht entschieden. Es fehle der Ausgleichsschuldnerin an jeglicher Beschwer; ihr Rekurs sei daher unzulässig. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Erstgericht am 11. Februar 1988 nocht befugt war, über die gegenständlichen Anträge zu entscheiden, nachdem es bereits am 4. Februar 1988 das ausgleichsrechtliche Nachverfahren gemäß § 64 Abs 2 Z 1 AO eingestellt habe. Wenn dieser Einstellungsbeschluß am 11. Februar 1988 auch noch nicht rechtskräftig war, sei jedoch das Konkursgericht selbst an seine Entscheidung gebunden gewesen und es habe kein Grund bestanden, nochmals eine Zuständigkeit in dieser Ausgleichssache in Anspruch zu nehmen. Da eine allfällige Nichtigkeit jedoch nicht geltend gemacht worden sei und daher nur aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels hätte wahrgenommen werden können, erübrigten sich weitere Ausführungen hiezu.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Ausgleichsschuldnerin, in welchem sie Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluß sowie den Beschluß des Erstgerichtes als nichtig aufzuheben und den Antrag der Gläubigerin auf vorläufige Feststellung ihrer Forderung zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt. Die Rechtsmittelwerberin behauptet zunächst, daß die Beschlüsse der Vorinstanzen nichtig seien, weil unbeachtet geblieben sei, daß die Überwachung der Ausgleichserfüllung gemäß § 64 Abs 2 Z 1 AO schon vor der Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses eingestellt wurde. Ab dieser Einstellung hätte die Gläubigerin allfällige Ansprüche nicht mehr vor dem Ausgleichsgericht, sondern nur mehr im Klageweg geltend machen können.

Dem steht jedoch schon der Wortlaut des § 66 Abs 1 AO entgegen, wonach unter den dort dargelegten Umständen dann, wenn das Bestehen oder die Höhe einer Forderung bestritten ist, das Ausgleichsgericht, gleichviel ob das Verfahren nach der Bestätigung aufgehoben wurde oder nicht, auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung mit den für den Erfüllungsverzug des Ausgleiches bedeutsamen Wirkungen gemäß § 66 Abs 2 AO festzustellen hat. Wie Bartsch-Pollak, Kommentar II 505 ausführlich darlegen, hat die Unterlassung einer Forderungsanmeldung im Ausgleich nicht die Wirkung des Verlustes derselben. Eine Ausgleichsforderung (um welche es sich im vorliegenden Fall nach den Bescheinigungsergebnissen des Erstgerichtes eindeutig handelt) kann auch noch im Stadium der Ausgleichserfüllung geltend gemacht werden, was zur Bestreitung durch den Ausgleichsschuldner führen kann und im gegebenen Fall auch tatsächlich führte. Bei der Feststellung einer solchen Forderung handelt es sich allerdings um ein bloßes Provisorium, das den künftigen Leistungen nicht vorgreifen kann (Bartsch-Pollak aaO) und nur für die Fragen des Verzuges bei der Ausgleichserfüllung bedeutsam ist. Die gerichtliche Feststellung der mutmaßlichen Höhe der angemeldeten Forderung nach § 66 Abs 1 AO liegt vorwiegend im Interesse des Ausgleichsschuldners, denn wenn er sich bei der Ausgleichserfüllung an diese Entscheidung hält, können ihn nicht die gesetzlichen Folgen des Erfüllungsverzuges treffen (§ 66 Abs 2 AO; dazu Holzhammer, Österr. Insolvenzrecht2 180). Wegen der universellen Wirkungen des rechtskräftig bestätigten Ausgleiches (§ 53 Abs 1 AO) sollen sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger selbst in Ansehung einer nach bestätigtem Ausgleich, aber noch - wie hier - vor Einstellung der Überwachung der Ausgleichserfüllung (§ 64 Abs 2 AO) angemeldeten Forderung im Falle der Bestreitung Anspruch auf Feststellung der mutmaßlichen Höhe der Forderung oder des Ausfalles nach § 66 Abs 1 AO haben. Die Kompetenz des Ausgleichsgerichtes für diese Entscheidung bleibt dann ungeachtet eines nach Antragstellung erfolgten Einstellungsbeschlusses (§ 64 Abs 2 AO) aufrecht, solange der Ausgleich nicht erfüllt ist. Dies ist hier der Fall. Demgemäß erfolgte auch bloß eine Einstellung der Überwachung der Erfüllung des Ausgleiches gemäß § 64 Abs 2 Z 1 AO, so daß die Beurteilung der geltend gemachten Ausgleichsforderung noch im Stadium der Ausgleichserfüllung erfolgt; dies rechtfertigt aber im Sinne der dargelegten Rechtsauffassung die weitere Befassung des Ausgleichsgerichtes mit der vorläufigen Feststellung der Höhe der bestrittenen Ausgleichsforderung.

Zutreffend rügt die Rekurswerberin jedoch die Auffassung des Rekursgerichtes, daß sie kein Beschwerdeinteresse habe, weil das Erstgericht ohnedies im Sinne ihres Antrages entschieden und sie im Ergebnis sogar begünstigt habe. Wird der Antrag der Gemeinschuldnerin (ON 46) im Zusammenhalt mit ihren dazu erstatteten Ausführungen gelesen, so stellt sich diese eindeutig auf den Standpunkt, daß sie gegenüber der Ausgleichsforderung von S 3,916.557,76 eine kompensable und damit zu berücksichtigende Gegenforderung von insgesamt S 1,133.593,68 habe; diese Gegenforderung wolle sie bei der vorläufigen Feststellung der Ausgleichsforderung berücksichtigt wissen. Das Erstgericht entsprach ihrem Antrag jedoch nicht. Dagegen wendet sich die Gemeinschuldnerin in ihrem Rekurs an das Gericht zweiter Instanz (ON 60). Unter diesen Umständen kann aber davon, daß ihrem Antrag voll entsprochen und sie darüber hinaus sogar noch begünstigt worden sei, nicht die Rede sein. Das Gericht zweiter Instanz hat sich daher im Gegensatz zu seiner ausdrücklich deponierten Auffassung ("da sachlich auf die Entscheidung nicht eingegangen werden kann") mit den im Rechtsmittel an seine Jurisdiktion herangetragenen Fragen meritorisch zu befassen und unter Abstandnahme vom ausdrücklich gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden. Es war daher wie im Spruch zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte