OGH 7Ob40/88

OGH7Ob40/8810.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter E***, Installateur, Spital am Semmering, Jauern 4, vertreten durch Dr. Gerhard und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wider die beklagte Partei A*** Österreichische Versicherung Aktiengesellschaft, Wien 2., Untere Donaustraße 25, vertreten durch Dr. Rudolf Volker, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Juli 1988, GZ 3 R 120/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 23. März 1988, GZ 5 Cg 459/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Familienunfallversicherung abgeschlossen. Er erlitt am 11. Mai 1987 einen Unfall und begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei. Der Versicherungsvertrag war für die Zeit vom 15. April 1986 bis 15. April 1987 einvernehmlich stillgelegt. Strittig ist, ob eine Stillegung um ein weiteres Jahr erfolgte. Das Erstgericht verneinte diese Frage und gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes (AS 55 bis 57, ON 13) und bestätigte das Ersturteil. Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen liege eine Willenseinigung nur über eine Vertragsstillegung für ein Jahr, für die Zeit vom 15. April 1986 bis 15. April 1987 vor. Das Anbot des Klägers vom 19. Februar 1986 auf Vertragsstillegung für zwei Jahre sei von der beklagten Partei nicht angenommen worden und daher erloschen. Die Zusendung einer Nachtragspolizze mit einer Vertragsstillegung von lediglich einem Jahr sei keine Annahme des Anbotes des Klägers gewesen, sondern ein neues Offert der beklagten Partei, das vom Kläger dann angenommen worden sei. Die Rücksendung der Prämienvorschreibung vom 25. März 1987 habe kein neuerliches Anbot des Klägers auf Vertragsstillegung dargestellt. Ein Anbot müsse inhaltlich ausreichend bestimmt sein, außerdem müsse in ihm der Bindungswille des Offerenten zum Ausdruck kommen. Beides sei der bloßen Rücksendung der Prämienvorschreibung nicht zu entnehmen gewesen. Mangels eines Antrages könne der Polizzennachtrag vom 27. April 1987 betreffend eine weitere Vertragsstillegung auf ein Jahr nicht als Annahme eines solchen, sondern lediglich als Anbot der beklagten Partei angesehen werden, das aber vom Kläger nicht angenommen worden sei. Auf das ursprüngliche Anbot des Klägers vom 19. Februar 1986 könne sich die beklagte Partei aber nicht berufen, weil dieses im Zeitpunkt der Ausfertigung des Polizzennachtrages vom 27. April 1987 bereits erloschen gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Es erklärte die Revision mit der Begründung für zulässig, daß die Frage, ob die Rücksendung der Prämienvorschreibung eine schlüssige Willenserklärung des Klägers auf neuerliche Vertragsstillegung darstelle, einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO unzulässig.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Offert erlischt, wenn es der Empfänger ablehnt oder nur unter Einschränkungen annimmt, und daß der Empfänger in einem solchen Fall auf den Antrag nicht mehr zurückgreifen kann, entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 862; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 66; SZ 49/142; JBl. 1977, 315 = EvBl. 1976/282; 1 Ob 708/77 ua). Erblickte man, dem Standpunkt der Revision folgend, in der Zusendung des Polizzennachtrages vom 9. Juni 1986 nicht ein neues Offert der beklagten Partei, sondern eine Teilannahme des Antrages des Klägers vom 19. Februar 1986, läge auch nur eine Annahme mit einer Einschränkung vor, sodaß die beklagte Partei nach den dargelegten Grundsätzen in der Folge nicht mehr auf den Antrag des Klägers hätte zurückgreifen können. Von der Beurteilung der Frage, ob die Nichtannahme der Prämienvorschreibung durch den Kläger und die Rücksendung derselben nach den Begleitumständen als schlüssiges Anbot einer neuerlichen Vertragsstillegung anzusehen ist (vgl. Koziol-Welser8 I 83), hängt die Entscheidung nicht ab. Auch wenn man in dieser Frage dem Standpunkt der Revision folgte, wäre die Annahme durch die beklagte Partei nicht innerhalb der Bindungsfrist erfolgt. Die Annahmeerklärung ist nach der Zugangstheorie eine dem Offerenten innerhalb der Annahmefrist zugangsbedürftige Willenserklärung (EvBl. 1977/81; 7 Ob 607/81 ua; Rummel aaO Rz 2 zu § 862 a; Gschnitzer aaO 68; Koziol-Welser aaO 101). Selbst unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist für die Ausfertigung des Polizzennachtrages neben einer Überlegungsfrist und dem Postenlauf wäre hier, weil lediglich die Frage einer Vertragsstillegung durch die beklagte Partei zu prüfen war, eine Annahmefrist von 6 Wochen jedenfalls ausreichend. Da die rückgeleitete Prämienvorschreibung bei der beklagten Partei am 31. März 1987 einlangte, war die Bindungsfrist für die Annahme selbst dann abgelaufen, wenn man von einem Zugang des Polizzennachtrages an den Kläger "um den 20. Mai 1987" ausgeht (festgestellt wurde ein Zugang am 21. Mai 1987).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn der Schaden seiner Höhe nach noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ist gleichfalls durch die Rechtsprechung gedeckt (3 Ob 11/85 ua) und wird von der Revision auch nicht bekämpft. Die Revision wendet sich lediglich gegen die, entgegen der Meinung der beklagten Partei, in der Berufung unbekämpft gebliebene und dem Tatsachenbereich angehörende Schlußfolgerung des Erstgerichtes, daß der Schadensumfang noch nicht zur Gänze abzuschätzen ist.

Demgemäß ist die Revision zurückzuweisen.

Da der Kläger in der Revisionsbeantwortung auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO hinwies, hat er auch Anspruch auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung (§§ 41, 50 ZPO).

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