OGH 6Ob674/88

OGH6Ob674/8810.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang S***, Finanzbeamter, Wien 6., Linke Wienzeile 158/3/40, vertreten durch Dr. Dieter Gradwohl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Peter J***, kaufmännischer Angestellter, Pottendorf, Pallischgasse 16, vertreten durch Dr. Ingo Schreiber, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 35.410,-- samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Mai 1988, GZ 11 R 27/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 16. Dezember 1987, GZ 2 Cg 246/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 257,25) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile trugen im Zuge eines Turniers ein Squash-Spiel aus. Während eines Ballwechsels im zweiten Satz entglitt dem Beklagten bei der Schlagbewegung der Schläger. Dieser flog gegen eine Seitenwand, prallte von dort zurück und traf den Kläger im Gesicht. Der Kläger erlitt dabei Verletzungen am Gebiß, deren Behandlung einen Aufwand in der außer Streit gestellten Höhe von S 25.410,-- erforderte. Die infolge der Spielverletzung erlittenen Schmerzen des Klägers sind mit einem Schmerzengeld in der außer Streit gestellten Höhe von S 10.000,-- angemessen abgegolten. Der Kläger begehrte wegen seiner Sportverletzung vom Beklagten als Schadenersatz den Betrag von S 35.410,--.

Nach dem Prozeßstandpunkt des Klägers sei es dem Beklagten als grobe Fahrlässigkeit anzulasten, daß dieser seinen Schläger nicht fest genug gehalten habe, so daß ihm dieser während der Schlagbewegung unkontrolliert habe entgleiten können. Ein derartiger Zwischenfall ereigne sich bei dem von den Streitteilen als Wettkampfspiel ausgeübten Ballspiel derart selten, daß es der Kläger bei einem Spiel mit einem Turnierspieler nicht ernstlich als möglich voraussehen und als Sportrisiko in Kauf nehmen hätte müssen. Der Beklagte bestritt seine Haftung. Nach seinem Prozeßstandpunkt sei ihm ein auch bei regelgemäßer Sportausübung nicht völlig auszuschließendes Mißgeschick unterlaufen, dessen Folgen der Kläger nach dem mit seiner Spielbeteiligung übernommenen Risiko selbst zu tragen habe.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Beide Vorinstanzen legten ihrer Beurteilung zugrunde, daß sich keiner der beiden Spieler unmittelbar vor oder bei dem Spielzwischenfall regelwidrig verhalten habe. Beide Vorinstanzen haben als kennzeichnend des von den Streitteilen ausgeübten Ballspieles hervorgehoben, daß es in einem geschlossenen Raum mit genormter Grundfläche von 9,75 m x 6,40 m mit genormten Schlägern und Bällen nach festgelegten Regeln ablaufe und von den Spielern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Genauigkeit sowie Gewandtheit und Schnelligkeit im Bewegungsablauf erfordere, wobei die Spieler beim Stellungswechsel zum abwechselnden Ballschlag auch

mit - regelwidrigen - Körperberührungen und Kontakten mit dem vom Mitspieler geführten Schläger rechnen müßten. Verletzungen eines Spielers durch einen dem Mitspieler aus der Hand entglittenen Schläger sind äußerst selten. Das Entgleiten des Schlägers kann durch schweißfeuchte Hand des schlagausführenden Spielers oder durch dessen Lockerung des Griffes herbeigeführt oder begünstigt werden. In rechtlicher Beurteilung hatte das Gericht erster Instanz bei seiner Bejahung der Spielerhaftung gefolgert, im Gegensatz zur Möglichkeit des Kontaktes mit dem Körper oder dem von Hand geführten Schläger des Mitspielers habe ein Squash-Spieler die Gefahr durch einen dem Mitspieler während seiner Schlagbewegung entglittenen und unkontrolliert durch den Spielraum fliegenden Schläger getroffen und verletzt zu werden, als überaus selten nicht in seine Erwägungen miteinzubeziehen und als Sportausübungsrisiko auf sich zu nehmen. Einem Entgleiten des Schlägers aus schweißfeuchter Hand könnte der Spieler durch Verwendung gleithemmender Mittel und entsprechende Ausstattung des Schlägergriffes vorbeugen. Deshalb sei die Haftung des Beklagten für sein fahrlässiges Verhalten, dem die Rechtswidrigkeit nicht benommen sei, zu bejahen.

Demgegenüber wertete das Berufungsgericht die in der Spielanlage des mit Schlägern auszuführenden Squash-Spieles wurzelnde Möglichkeit, daß einem Spieler der Schläger entgleite und auf seinem unkontrollierten Flug durch den Spielraum einen Mitspieler verletze, als einen zwar seltenen, aber dennoch nicht untypischen Zwischenfall, der vom Kläger durch seine Spielbeteiligung als in Kauf genommen anzusehen sei. Dem Beklagten sei das Entgleiten seines Schlägers während der Schlagbewegung nicht als rechtswidriges Verhalten anzulasten.

Der Kläger ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des klagsstattgebenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an.

Der Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Vorauszuschicken ist, daß auf die Frage eines konstitutiven Anerkenntnisses im Rahmen der auf die Geltendmachung eines Revisionsgrundes nach § 503 Abs 2 ZPO beschränkten Anfechtung zunächst nicht einzugehen ist. Der Kläger hatte zwar in seiner Klage wörtlich ausgeführt: "Trotz ausdrücklicher Zusage des Beklagten, den entstandenen Schaden zu bezahlen, weswegen keine Anzeige bei der Polizei erstattet wurde,...wurden keinerlei Beträge bezahlt." Das Erstgericht traf nach seiner Bejahung der Haftung aufgrund des Spielverhaltens des Beklagten über dessen behauptetes Zahlungsversprechen keine Feststellungen. Das Berufungsgericht erörterte den Rechtsgrund eines konstitutiven Anerkenntnisses nicht. Der Kläger führt dazu in seiner Revision nichts aus. Im Rahmen der Überprüfung des angefochtenen Berufungsurteiles aufgrund einer Revision im sogenannten Zulassungsbereich könnte auf Feststellungsmängel im Zusammenhang mit dem behaupteten Anerkenntnis erst nach Bejahung eines im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Irrtums in der Rechtsanwendung eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt von der Lösung der materiellrechtlichen Frage nach den Haftungsgrenzen im Falle einer Mitspielerverletzung beim Squash-Spiel ab. Die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist zu bejahen.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Squash ist ein Ballspiel, das nach einem verbandsinternen Regelwerk wettsportartig ausgeübt wird. Die Spieler haben mittels eines nach Gewicht und Ausmaß genormten Schlägers einen nach Gewicht und Größe genormten Ball innerhalb eines genormten Raumes abwechselnd gegen eine Wand zu spielen. Die mit dem karikierenden Berliner Ausdruck "Zick-Zack-Tennis in der Abstellkammer" umschriebene Eigenart der Spielanlage erfordert von einem Squash-Spieler beim Ballwechsel hohe Aufmerksamkeit, Schnelligkeit und Geschicklichkeit. Daß einem Spieler während einer raschen und kräftigen Schlagbewegung der Schläger entgleitet und einem Wurfholz ähnlich durch den Raum fliegt, mag zwar nur selten vorkommen, ist aber nach der Eigenart der Spielanlage nicht als atypisches Ereignis zu werten, weil in extremen Schlagsituationen nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Umklammerung des Schlaggriffes mit der Schlaghand eine unbeabsichtigte Lockerung erfährt.

Mit der Teilnahme an einem Squash-Spiel - insbesondere im Falle eines turniermäßig ausgetragenen Wettkampfes - übernimmt jeder Spieler die Gefahr einer Verletzung durch ein sportmäßiges Verhalten seines oder seiner Mitspieler auf sein eigenes Risiko. Nach dem festgestellten Sachverhalt war dem Beklagten kein Regelverstoß und keine vom Spielziel abweichende Absicht anzulasten. An der Sportmäßigkeit seines Verhaltens ist daher nicht zu zweifeln. Für die Folgen des ihm "in der Hitze des Gefechtes" unterlaufenen Mißgeschickes hat er dem Kläger als seinem Mitspieler im Sinne der bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten herrschenden Rechtsprechung zur Verletzung von Mitspielern im Zuge einer Sportausübung (SZ 51/89, SZ 54/133 ua) schadenersatzrechtlich nicht einzustehen.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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