OGH 14Os153/88

OGH14Os153/889.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt J*** wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21.Juli 1988, GZ 35 Vr 3618/87-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Martin Riedl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.März 1934 geborene Vizeleutnant des österreichischen Bundesheeres Kurt J*** vom Anklagevorwurf, das Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Ihm liegt laut Anklage zur Last, er habe am 26. Mai 1987 in Imst als Sanitätsunteroffizier des Kasernenkommandos der Verdroß-Kaserne, sohin als Beamter der Heeresverwaltung, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes, und zwar dafür, daß er sich selbst anstelle des Grundwehrdieners Martin K*** zum Sanitätsdienst im Krankenrevier einteilte, einen Vermögensvorteil, nämlich einen Geldbetrag von 800 S, angenommen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte, dem die Diensteinteilung für das Sanitätspersonal im Krankenrevier oblag, von den Kameraden des am 26.Mai 1987 für den Sanitätsdienst vorgesehenen Grundwehrdieners Martin K*** überreden lassen, an dessen Stelle den Dienst zu übernehmen. Dadurch sollte K*** die Teilnahme an einer "Abrüsterfeier" ermöglicht werden. Hiezu hatte sich der Angeklagte bloß deshalb verstanden, weil ihm von einem Sprecher der abrüstenden Grundwehrdiener für die Übernahme des Sanitätsdienstes ein Geldbetrag von 800 S angeboten worden war, den der Angeklagte auch entgegengenommen hat.

Das Erstgericht begründete den Freispruch damit, daß der Angeklagte nach den bestehenden Vorschriften zur Übernahme des Sanitätsdienstes anstelle des zunächst eingeteilten Grundwehrdieners Martin K*** berechtigt war und demzufolge nicht pflichtwidrig gehandelt habe, als er an dessen Stelle den Sanitätsdienst übernommen hat. Da er sich hiezu auf Grund des Geldgeschenkes bereitgefunden habe, sei zwar der Tatbestand nach § 304 Abs 2 StGB vrwirklicht worden. Das Erstgericht wertete jedoch das entgegengenommene Geldgeschenk von 800 S noch als geringfügig und billigte dem Angeklagten deshalb Straffreiheit zu (§ 304 Abs 4 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit einer auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Der Beschwerde - und der ihr insoweit folgenden Stellungnahme der Generalprokuratur - ist zwar einzuräumen, daß nach der zu § 304 StGB entwickelten Rechtsprechung ein pflichtwidriges Verhalten des Beamten (auch) vorliegen kann, wenn er dem Vermögensvorteil einen Einfluß auf seine Entscheidung einräumt, mag sich diese auch innerhalb des Ermessens bewegen. Demzufolge können auch Ermessensentscheidungen pflichtwidrig sein (vgl SSt 56/19, SSt 54/42 = JBl 1983, 545 = EvBl 1984/18 = ÖJZ-LSK 1981/29; Leukauf-Steininger Komm2 § 304 RN 5). Keineswegs sollte jedoch mit dieser Rechtsprechung dem § 304 Abs 2 StGB jeder Anwendungsbereich entzogen werden (vgl die den Entscheidungen SSt 51/26 und SSt 51/41 zugrunde liegenden Sachverhalte).

Vorliegend bestand die Entscheidungsbefugnis und damit das vom Angeklagten vorzunehmende Amtsgeschäft darin, im Rahmen der Diensteinteilung dafür Sorge zu tragen, daß am 26.Mai 1987 der erforderliche Sanitätsdienst im Krankenrevier verrichtet wird. Dieser - mit der Einteilung einer bestimmten Person zum Sanitätsdienst verbundenen - Verpflichtung ist der Angeklagte nachgekommen. Dadurch aber, daß er nicht etwa einen anderen Grundwehrdiener, sondern letztlich sich selbst zum Dienst einteilte und diesen auch tatsächlich verrichtet hat und für diese Tätigkeit einen Geldbetrag erhielt, unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenen Fällen, in welchen die Rechtsprechung pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes nach § 304 Abs 1 StGB angenommen hat. Der Umstand, daß der Angeklagte den in Rede stehenden Vermögensvorteil als Ausgleich für die von ihm erbrachte Dienstleistung entgegengenommen hat, machte seine Entscheidung, den Sanitätsdienst anstelle des Grundwehrdieners Martin K*** selbst zu verrichten, jedenfalls noch nicht zu einer pflichtwidrigen. Eine andere Lösung würde zu einer mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringenden Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 304 Abs 2 StGB führen.

Im übrigen kann - entgegen der Beschwerdeauffassung - dem im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung enthaltenen Erlaß vom 30.Mai 1985 über die "Gesundheitliche Betreuung und ärztliche Behandlung der Soldaten; Regelung der Sanitätsjournaldienste" (S 9, 11) keineswegs entnommen werden, daß bei Belag des Krankenreviers mit weniger kritischen Fällen (Leichtkranken, deren Erkrankung eine Verschlechterung nicht erwarten läßt laut Punkt 3 des zitierten Erlasses) die Heranziehung von höher qualifiziertem Sanitätspersonal (Sanitätsunteroffizier, Sanitätscharge ab Zugsführer, diplomierter Krankenpfleger laut Punkt 4 der bezeichneten Dienstvorschrift) schlechthin verboten wäre. Dies ergibt sich schon aus der Wortfolge in Punkt 3 "... ist ein Sanitätsjournaldienst einzurichten, für den im Regelfall GWD/San (Grundwehrdienst-Sanitäter) einzuteilen sind".

Die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts als pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäftes (§ 304 Abs 2 StGB) durch das Erstgericht erfolgte demnach frei von Rechtsirrtum. Die Annahme des Strafausschließungsgrundes nach § 304 Abs 4 StGB hinwieder wurde von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpft. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

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