OGH 11Os132/88

OGH11Os132/8825.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johannes G*** wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den im Urteil des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 21. Juli 1988, GZ U 122/88-3, enthaltenen Ausspruch, daß die Johannes G*** im Verfahren AZ 25 Vr 4.222/85 des Landesgerichtes Innsbruck gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wird, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der im Urteil des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 21.Juli 1988, GZ U 122/88-3, enthaltene Ausspruch, mit dem die dem Verurteilten Johannes G*** im Verfahren AZ 25 Vr 4.222/85 des Landesgerichtes Innsbruck gnadenweise gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des Art 65 Abs. 2 lit c B-VG (in Verbindung mit dem § 53 Abs. 1 StGB) und als erklärte Entscheidung nach dem § 494 a Abs. 1 StPO mangels Abfassung in Beschlußform auch in der Bestimmung des § 494 a Abs. 4 StPO. Dieser Ausspruch sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß dem § 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 23.Juni 1988 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht wird zurückgewiesen. Dem Landesgericht Innsbruck wird aufgetragen, die Akten auf dem hiefür vorgeschriebenen Weg dem Bundesministerium für Justiz zur Entscheidung durch den Bundespräsidenten über den allfälligen Widerruf der am 15.Dezember 1987 gewährten Begnadigung zuzuleiten.

Text

Gründe:

Mit der in Form eines (Protokolls- und) Urteilsvermerks beurkundeten Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. November 1985, GZ 25 Vr 4222/85-8, wurde der am 24.Mai 1949 geborene Johannes G*** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen zu je 20 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Zufolge Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde am 13.November 1987 die Ersatzfreiheitsstrafe in Vollzug gesetzt, dem Verurteilten jedoch kraft Entschließung des Bundespräsidenten vom 15.Dezember 1987 die Verbüßung eines Strafrestes von vier Monaten und 23 Tagen mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren gnadenweise erlassen (S 57, 71, 75 f dA 25 Vr 4222/85 des Landesgerichtes Innsbruck).

Wegen eines am 7.September 1987 verübten Fahrzeugdiebstahles verhängte das Bezirksgericht Rattenberg über Johannes G*** mit (offensichtlich in gekürzter Form gemäß dem § 458 Abs. 3 StPO ausgefertigtem - der zugehörige, gemäß dem § 458 Abs. 2 StPO anzufertigende Protokollsvermerk ist im Akt nicht vorzufinden -) rechtskräftigem Urteil vom 21.Juli 1988, GZ U 122/88-3, eine Geldstrafe und widerrief auf Antrag des Bezirksanwaltes vom 23. Juni 1988 (S 1 in U 122/88 des Bezirksgerichtes Rattenberg) unter einem - ohne daß dies erkennbar in Beschlußform geschehen wäre - gemäß dem § 494 a StPO den zum Verfahren AZ 25 Vr 4222/85 des Landesgerichtes Innsbruck bedingt nachgesehenen Strafrest. Auch dieser Ausspruch blieb unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die erwähnte Widerrufsentscheidung des Bezirksgerichtes Rattenberg steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Bei gnadenweiser bedingter Strafnachsicht durch den Bundespräsidenten obliegt die Entscheidung über den Widerruf gemäß dem § 53 Abs. 1 StGB wegen einer (zwar nach dem Schuldspruch, jedoch) vor dem Gnadenakt begangenen, erst später bekanntgewordenen Straftat nicht dem Gericht, sondern dem Bundespräsidenten, dem gemäß Art 65 Abs. 2 lit c B-VG ua im Einzelfall die Begnadigung der von den Gerichten rechtskräftig Verurteilten sowie die Milderung und Umwandlung der von den Gerichten ausgesprochenen Strafen und folglich auch die Überprüfung der Gnadenentscheidungen auf ihre

Wirksamkeit zusteht (SSt 48/85 = JBl 1978, 161 = EvBl 1978/75

= RZ 1978/14 uam). Für die in Rede stehende Widerrufsentscheidung

fehlt es demnach an der gerichtlichen Zuständigkeit. Im Hinblick auf den vor Beginn der Probezeit liegenden Begehungszeitpunkt der der Nachverurteilung zugrundeliegenden Straftat war ein Widerrufsgrund im Sinn des § 53 Abs. 1 StGB gar nicht gegeben.

Die Widerrufsentscheidung des Bezirksgerichtes Rattenberg verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des Art 65 Abs. 2 lit c B-VG (in Verbindung mit dem § 53 Abs. 1 StGB), wobei auch eine hiedurch eingetretene Benachteiligung des Verurteilten nicht auszuschließen ist. Demnach war die Gesetzesverletzung nicht nur festzustellen, sondern auch gemäß dem § 292, letzter Satz, StPO mit der Aufhebung aller von dieser Nichtigkeit betroffenen Akte vorzugehen.

Als ausdrücklich auf die Bestimmung des § 494 a StPO gestützte Entscheidung war das Vorgehen des Bezirksgerichtes Rattenberg aber auch in formeller Hinsicht verfehlt. Denn es ermangelte der Beschlußform, die gemäß dem § 494 a Abs. 4 StPO für Entscheidungen dieser Art vorgeschrieben ist.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

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