Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.
Text
Begründung
Am 7. April 1983 schlossen die Streitteile einen Mietvertrag über die im ersten Stock des Hauses Wien 13, Fourniergasse 8, gelegene Wohnung. Das Haus Fourniergasse 8 besteht nur aus zwei Wohnungen, und zwar aus einer Wohnung im Parterre und einer zweiten im ersten Stock. In Punkt VI., zweiter Satz, des Vertrages heißt es:
"Die Vertragsteile vereinbaren im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG, daß als Kündigungsgrund der Umstand vereinbart wird, daß die Vermieterin das gegenständliche Haus ernstlich an einen Dritten verkauft; der Kündigungsgrund ist schon dann gegeben, wenn dem Mieter das verbindliche Kaufanbot des präsumtiven Käufers nachgewiesen wird".
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis am 20. Dezember 1983 unter Berufung auf Punkt VI. des Mietvertrages zum 31. Jänner 1984 gerichtlich auf.
Der Beklagte erhob Einwendungen und brachte vor, Punkt VI. des Mietvertrages sei sittenwidrig und ungültig. Es sei zudem vereinbart worden, daß von dem geltendgemachten Kündigungsgrund von der Klägerin nicht vor dem Ablauf von drei Jahren Gebrauch gemacht werde, und daß dem Beklagten ein Vorkaufsrecht zustehe. Die Kündigungsmöglichkeit habe nur für den Fall der Nichteinigung über den Abschluß eines Kaufvertrages bestehen sollen.
Das Erstgericht hob die Kündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:
Ungeachtet Punkt X. des Mietvertrages vom 7. April 1983, in dem für jede Änderung des Vertrages Schriftlichkeit vereinbart wurde, vereinbarten die Streitteile mündlich ein Recht des Beklagten, das Haus zu kaufen. Sie vereinbarten auch, daß der in Punkt VI. bezeichnete Kündigungsgrund nur dann zur Anwendung kommen solle, wenn es zwischen den Parteien nicht zum Abschluß eines Kaufvertrages komme. Darüberhinaus war für die Veräußerung des Hauses durch die Klägerin ein nicht genau festgelegter, in etwa drei Jahren eintretender Termin vereinbart.
Bereits vor dem Abschluß des Mietvertrages fanden zwischen den Streitteilen Gespräche über einen Verkauf des Hauses statt, es wurde auch über die Möglichkeit der Bezahlung des Kaufpreises in Form einer Leibrente oder nur anteiligen Erwerb durch den Beklagten oder Begründung von Wohnungseigentum gesprochen. Diese Verhandlungen brachten jedoch kein Ergebnis, weil die damalige finanzielle Situation des Beklagten diesem einen käuflichen Erwerb des Hauses nicht ermöglichte.
In der Folge tätigte der Beklagte in der Wohnung umfangreiche Investitionen. Diese Adaptierungsarbeiten erfolgten im Einvernehmen mit der Klägerin.
Die Klägerin erwarb im Dezember 1983 eine Eigentumswohnung und entschloß sich, das Haus zu verkaufen. Diese teilte sie zunächst der Mutter des Beklagten und in weiterer Folge dem Beklagten selbst mit. Der Beklagte verfügte jedoch auch im Dezember 1983 nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel, um das Haus zu kaufen. Die Klägerin verkaufte es daraufhin mit Vertrag vom 22. Dezember 1983 anderweitig.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die neben dem schriftlichen Mietvertrag abgeschlossenen Vereinbarungen über ein Vorkaufsrecht des Beklagten und den frühesten Zeitpunkt eines eventuellen Verkaufs des Hauses seien als wesentliche Vertragsbestandteile und somit als verbindliche Vereinbarungen anzusehen. Der spätere käufliche Erwerb des Hauses durch den Beklagten wäre ein zentrales Thema der Vertragsverhandlungen gewesen, sodaß der Mietvertrag ohne diesbezügliche Einigung gar nicht abgeschlossen worden wäre. Den Parteien stehe es jederzeit frei, von der vereinbarten Schriftform einvernehmlich abzugehen. Punkt VI. des Vertrages sei nur bedingt für den Fall abgeschlossen worden, daß es dem Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt nicht möglich sein sollte, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Die getroffenen Vereinbarungen stünden daher einer Aufkündigung nach Punkt VI. des Vertrages entgegen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und daß die Revision zulässig sei. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG sei gegeben, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintrete, der in bezug auf die Kündigung oder Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen sei. Bei der Frage der Gültigkeit eines vereinbarten Kündigungsgrundes sei darauf Bedacht zu nehmen, daß gemäß § 30 Abs 3 MRG eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem in § 30 Abs 2 MRG bestimmten Maß zustehen soll, rechtsunwirksam sei. Diese Bestimmung diene dazu, Umgehungen des Kündigungsschutzes zu verhindern. Auch durch Vereinbarungen im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG könne ein als wichtig und bedeutsam bezeichneter Umstand nur dann als Kündigungsgrund gewertet werden, wenn er den in § 30 Abs 2 MRG angeführten Fällen an Bedeutung nahekomme. Dies aber treffe auf eine Vereinbarung, mit der der Verkauf des Hauses generell als Kündigungsgrund vereinbart worden sei, nicht zu. Wollte man den Verkauf eines Hauses als einen den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 MRG gleichwertigen ansehen, würde damit einer der fundamentalsten Grundsätze des Kündigungsschutzes, daß der Vermieter im Fall des Eigentümerwechsels die Bestandverhältnisse zu übernehmen habe, beseitigt werden. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 753/83 (MietSlg 35.382/36) einen anderen Standpunkt vertreten habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist aus dem dargelegten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.
Gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG ist es als ein wichtiger Grund für die Kündigung eines Mietvertrages anzusehen, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter (Untervermieter), für seine nahen Angehörigen oder für das Unternehmen, für das der Vermieter (Untervermieter) allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist. Um einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben, muß der vereinbarte Umstand auch objektiv für den Vermieter bedeutsam sein und den sonst in § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich-, aber nahekommen (Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG).
In der Entscheidung MietSlg 35.382/36 hat der Oberste Gerichtshof den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG in einem Fall als gegeben angesehen, in dem (unter anderem) der Verkauf des "Bestandobjektes" durch die Vermieterin als für die Vermieterin wichtiger und bedeutsamer Kündigungsgrund vereinbart worden war. Bestandobjekt war in jener Sache ein "Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen" gewesen. Dem Mieter war das Objekt auf Grund eines ihm zustehenden Vorkaufsrechtes zum Kauf angeboten worden; er hatte von diesem Recht jedoch nicht Gebrauch gemacht. In einer weiteren Entscheidung, 3 Ob 508/88, hat der Oberste Gerichtshof hervorgehoben, daß die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG nicht dadurch umgangen werden dürfen, daß im Mietvertrag schriftlich die Veräußerung der Liegenschaft als wichtiger Umstand für die Kündigung ohne besonderes Bedürfnis des Vermieters nach dieser Auflösungsmöglichkeit vereinbart wird. Er hat die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 13 MRG als gegeben angesehen, wenn ein in Erwägung gezogener Verkauf eines Einfamilienhauses als Kündigungsgrund vereinbart wird, weil in einem solchen Fall das besondere Anliegen des Vermieters anzuerkennen sei, daß der Bestandvertrag aufgelöst werden kann, wenn das Bestandverhältnis der Verwertung der Liegenschaft behindernd entgegensteht. Der in der Entscheidung 3 Ob 508/88 vertretene Standpunkt deckt sich im wesentlichen mit der Auffassung von Würth-Zingher, MRG2, Anm. 20 zu § 30.
Ob das Wohnhaus, dessen Verkauf gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG als wichtiger und bedeutsamer Kündigungsgrund vereinbart wird, ein Einfamilienhaus oder ein Objekt mit zwei selbständigen Wohnungen ist, macht jedoch nach Ansicht des erkennenden Senates keinen wesentlichen Unterschied, da die in der Entscheidung 3 Ob 508/88 für die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bei einem Einfamilienhaus angegebenen Gründe auch bei Zweifamilienhäusern gelten. Maßgebend ist, daß bei kleinen Wohnobjekten die Frage, ob diese Objekte zur Gänze frei sind oder nicht, für die Verwertungschancen und die Preisbildung von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, was bei Zinshäusern im allgemeinen zumindest nicht in diesem Ausmaß der Fall ist. Daß die Erzielung eines höheren Preises Zweck des vereinbarten Kündigungsgrundes ist, liegt auf der Hand, sodaß dieser Umstand nicht als notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vereinbarung angeführt zu werden braucht. Wollte man die Bestandfreiheit bei kleinen Objekten im Falle ihres Verkaufes nicht als für den Vermieter wichtig und bedeutsam anerkennen, würde man Hauseigentümer, die die Veräußerung eines Ein- oder Zweifamilienhauses in absehbarer Zeit in Erwägung ziehen, außerstande setzen, Wohnungen in diesem Haus zu vermieten. Für größere Objekte trifft diese Erwägung im allgemeinen nicht zu, was eine andere Beurteilung in Ausnahmsfällen allerdings nicht ausschließt.
Dem von der zweiten Instanz für die Ablehnung der in MietSlg 35.382/36 vertretenen Rechtsansicht gewählten Grund vermag das Revisionsgericht nicht beizupflichten. Aus § 1120 ABGB ergibt sich nur, daß der Erwerber in bestehende Bestandverhältnisse einzutreten hat, nicht aber, daß solche vom Veräußerer nicht gekündigt werden dürfen. Einer Kündigung könnte nur § 30 MRG entgegenstehen.
Das Revisionsgericht hält die in der Entscheidung
MietSlg 35.382/36 vertretene Rechtsansicht aus den dargelegten
Gründen aufrecht.
Die Aufhebung der Aufkündigung allein schon aus dem von der zweiten Instanz angeführten Grund ist daher nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren auf die in der Beweisrüge der klagenden Partei vorgebrachten Umstände einzugehen haben.
Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.
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