OGH 8Ob644/88

OGH8Ob644/8820.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshof Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dipl.Ing. Rudolf P***, ÖBB-Bediensteter, Kohlenplatz 4, 4300 St. Valentin, vertreten durch Dr. Maria Schmegner, Rechtsanwältin in Rottenmann, wider die Antragsgegner

1.) Ernst P***, Molkereiangestellter, 2.) Daniela P***, Hausfrau, beide Salzburgerstraße 10, 8950 Steinach, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 8. August 1988, GZ R 465/88-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Irdning vom 21. Mai 1988, GZ Nc 321/86-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Etwa 4 m oberhalb der Bahntrasse der Strecke Stainach Irdning - Bad Aussee befindet sich bei Bahnkilometer 1,7 das Grundstück Nr. 640/2 mit dem sogenannten "Bahnwärterhaus Nr. 2", das bis zum Frühjahr 1984 im Eigentum der Ö*** B***

stand. Zwischen dieser Liegenschaft und dem öffentlichen Wegenetz besteht keine unmittelbare Verbindung. Über mehrere Grundstücke verschiedener Eigentümer führt jedoch bis in die Höhe des Bahnwärterhauses ein 1,8 bis 2 m breiter, geschotterter Wirtschaftsweg, dessen Benützung durch den Eigentümer des Grundstückes 640/2 auf keinen Widerstand stößt. Von diesem Wirtschaftsweg zweigt etwa 37 m ostwärts der Ostgrenze des Grundstückes 640/2 ein ca. 50 cm breiter, ausschließlich auf Bundesbahngrund liegender Fußweg ab. Nur über diesen konnte und kann das Bahnwärterhaus bisher erreicht werden.

Der Antragsteller beantragte die Einräumung eines Notweges über das den Antragsgegnern gehörige Grundstück Nr. 523/1. Gemäß der vom Sachverständigen ausgearbeiteten "Variante 1" sollten von den Antragsgegnern 28 m2 und von den Ö*** B*** 8 m2

in Anspruch genommen werden. Diese Variante stelle eine rund 19 m lange und 2 m breite Verbindung der Südostecke des Grundstückes 640/2 mit dem vom Antragsteller benutzbaren Wirtschaftsweg dar.

Die Antragsgegner beantragten die Abweisung des Begehrens des Antragstellers. Es sei ohnedies ein Fußweg vorhanden. Durch die Neuerrichtung der geplanten Wegeanlage gingen sie eines erheblichen Teiles ihres Gemüsegartens verlustig; für diesen gäbe es keinen Ersatz.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Einräumung des Notweges ab.

Es traf nachstehende Feststellungen:

Im Frühjahr 1984 kaufte der Antragsteller von seinem Dienstgeber, den Ö*** B***, das Grundstück 640/2

mit dem Bahnwärterhaus Nr. 2. Vorher hatte er es bereits gepachtet gehabt. Er setzte die Baulichkeit instand, errichtete einen neuen Sanitärtrakt, erneuerte die Dacheindeckung, wechselte die im Erdgeschoß vorhandenen Fenster und installierte eine Warmwasserheizung, die mit festem Brennstoff betrieben wird. Die Rechtsvorgängerin im Eigentum des Nachbargrundstückes Nr. 523/1, Theresia R***, hatte den Ö*** B*** gestattet,

über dieses Grundstück bzw. den teilweise vorhandenen Weg zu Bauzwecken bis zur Nordostecke des Grundstückes 640/2 zuzufahren. Im Jahre 1983 wurde der Antragsteller jedoch von den Antragsgegnern zu C 91/83 des Bezirksgerichtes Irdning auf Unterlassung geklagt, weil er den Weg über das Grundstück 523/1 benützt bzw. auf deren Liegenschaft Baumaterial gelagert hatte. In der Folge transportierte er daher erforderliches Material händisch bzw. mit Scheibtruhe auf dem Fußweg zu dem bisher als Wochenendhaus benutzten Bahnwärterhaus. Die Umbauarbeiten am Haus sind im wesentlichen abgschlossen. Die Entleerung der Senkgruben konnte mit entsprechend langen Schläuchen oder unter Verwendung von Waggons über die Gleisanlage der ÖBB erfolgen. Der Antragsteller hatte den Antragsgegnern für die Einräumung einer Zufahrtsmöglichkeit eine von zwei Ersatzliegenschaften angeboten. Die eine hat ein Ausmaß von 1600 m2 und liegt etwa 800 m weit entfernt. Die zweite befindet sich südlich der Bahntrasse, verfügt aber im Gegensatz zum Grundstück Nr. 523/1 über keinen Wasseranschluß.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Vorteile des Antragstellers im Falle der Einräumung des Notweges ihrem Gewicht nach geringer wären, als die Nachteile, die die Antragsgegner damit auf sich nehmen müßten. Überdies sei die Einräumung von Notwegen im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte Unverletzlichkeit des Eigentums möglichst einzuschränken.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Gemäß § 2 Abs 1 NotwegeG sei das Begehren auf Einräumung eines Notweges unzulässig, wenn der Mangel der Wegverbindung auf eine ..... auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Auffallende Sorglosigkeit könne vorliegen, wenn der Eigentümer die Liegenschaft in Kenntnis des Fehlens einer für die von ihm beabsichtigte Nutzung notwendigen Zufahrt erworben hat. Bereits vor dem Kauf der Liegenschaft sei der Antragsteller durch das Verfahren C 91/83 mit der Tatsache konfrontiert worden, daß die Antragsgegner mit der Mitbenützung ihres Grundes durch ihn nicht einverstanden waren. Er habe sich zum Kauf entschlossen, obwohl er wußte bzw. wissen mußte, daß er das Kaufobjekt nur und ausschließlich über den vorhandenen Fußweg erreichen kann. Unter solchen Gegebenheiten eine Liegenschaft zu kaufen, sei - zumindest im Hinblick auf das spätere Verlangen nach Einräumung eines Notweges - nach Auffassung und Ermessen des Rekursgerichtes auffallend sorglos.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der Nullität mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Begehren auf Einräumung eines Notweges stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Äußerung zum Revisionsrekurs (§ 16 Abs 3 NotwegeG) beantragen die Antragsgegner, dem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Wie der Antragsgegner richtig erkennt, ist der von ihm erhobene außerordentliche Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG zu beurteilen, weil diese Bestimmung auch im Verfahren über die Einräumung von Notwegen anzuwenden ist (SZ 49/99; RZ 1964, 142; 1 Ob 509/86 ua).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist daher nur aus den Rechtsmittelgründen der Aktenwidrigkeit, der offenbaren Gesetzwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig.

Der Rechtsmittelwerber erachtet sich zunächst durch die als aktenwidrig gerügte Unterlassung der Feststellung beschwert, daß auch die Ö*** B*** bereits im Jahre 1984 einen Antrag auf Einräumung des Notwegerechtes eingebracht hätten. Die dem Rekursgericht mit diesem Vorbringen unterstellte Aktenwidrigkeit ist jedoch nicht gegeben: In der Unterlassung einer Feststellung kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen. Mit dem Vorbringen, ein nach den aktenkundigen Beweisergebnissen feststellbarer Tatumstand sei nicht zum Gegenstand einer Feststellung gemacht worden, wird der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht (6 Ob 786/80 ua). Die unter diesem Anfechtungsgrund vorgebrachten Argumente des Rechtsmittelwerbers zielen in Wirklichkeit darauf ab, die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß er bei dem Erwerb der Liegenschaft auffallend sorglos im Sinne des § 2 Abs 1 NotwegeG vorgegangen sei, als offenbar gesetzwidrig zu widerlegen. Eine als offenbare Gesetzwidrigkeit qualifizierte unrichtige rechtliche Beurteilung wird jedoch nach ständiger Rechtsprechung (vgl. SZ 49/99; 6 Ob 719/80 uva) erst durch die Darlegung geltend gemacht, daß eine für die Sachentscheidung erhebliche Rechtsfrage im Gesetz in einer jeden Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers ausschließenden Weise geregelt sei und dennoch eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Welches Verhalten als "auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers" im Sinne des § 2 Abs 1 NotwegeG anzusehen ist, kann dem Gesetz aber ohne abwägende, wertende Tätigkeit des Rechtsanwenders nicht unmittelbar entnommen werden. Die Beurteilung des als negatives Tatbestandsmerkmal erkannten und auch einer Prüfung und Wertung unterzogenen Verhaltens des Antragstellers als auffallende Sorglosigkeit oder die Verneinung dieser Qualifikation kann daher nach ständiger Rechtsprechung (vgl. SZ 49/99, 6 Ob 719/80 uva) keine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen.

Unter dem Anfechtungsgrund der "Nichtigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens" erachtet sich der Rechtsmittelwerber für beschwert, weil das Rekursgericht auf die modernen Lebensverhältnisse nicht entsprechend Bedacht genommen habe. Ein Auto werde heutzutage "schon als Notwendigkeit" angesehen. In einem Notfall wie diesem sei das Notwegegesetz weitherzig auszulegen; eine auffallende Sorglosigkeit seinerseits sei nicht anzunehmen. Mit diesen Ausführungen wird jedoch keine Nichtigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens aufgezeigt. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers zielt vielmehr wiederum nur darauf ab, die rechtliche Beurteilung des Falles durch das Rekursgericht in Frage zu stellen. Wie aber bereits oben ausgeführt wurde, kann dem Gesetz nicht unmittelbar entnommen werden, welches Verhalten als "auffallende Sorglosigkeit" des Grundeigentümers im Sinne des § 2 Abs 1 NotwegeG anzusehen ist. Damit ist es dem Rechtsmittelwerber aber auch verwehrt, seine in Wirklichkeit auf das Vorliegen einer offenbaren Gesetzwidrigkeit beruhenden rechtlichen Erwägungen über dem Umweg einer behaupteten Nichtigkeit zum Gegenstand des außerordentlichen Revisionsrekursverfahrens zu machen. Da keiner der allein zulässigen Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG vorliegt, war der außerordentliche Revisionsrekurs somit zurückzuweisen.

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