Spruch:
In der Strafsache gegen Helmut Z*** wegen §§ 15, 202 Abs. 1 StGB verletzt der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 6. Juli 1988, AZ 7 Bs 205/88, insoweit, als die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 27.April 1984, 16 Vr 44/83-22, als verspätet zurückgewiesen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 78 StPO.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18.Juli 1983, GZ 16 Vr 44/83-14 (bestätigt mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 15.März 1984, GZ 12 Os 172/83-10) wurde Helmut Z*** vom Vorwurf des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. In diesem Verfahren war dem Genannten für die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht und das Rechtsmittelverfahren gemäß § 41 Abs. 3 StPO ein Amtsverteidiger beigegeben worden, dessen Kosten mit Beschluß des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 27.April 1984 (ON 22 d.A) bestimmt wurden (§ 395 Abs. 1, 2 und 5 StPO). Dieser Beschluß wurde Helmut Z*** erst am 22.Juli 1987 zugestellt. Seine dagegen am 6.August 1987 beim Kreisgericht Wels mündlich zu Protokoll
gegebene - verspätete - Beschwerde wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.August 1987, AZ 7 Bs 280/87 (= GZ 16 Vr 44/83-25) als unzulässig zurückgewiesen. Beide Entscheidungen wurden der Staatsanwaltschaft Wels nicht zur Kenntnis gebracht (AS 184, 190).
Der von der Anklagebehörde zur Einsicht angeforderte Strafakt kam ihr am 19.Mai 1988 ohne Zuschrift des Gerichtes zu (AS 191). Am 21. Juni 1988 langte der Akt mit einer zugunsten des Helmut Z*** gegen den vorbezeichneten Kostenbestimmungsbeschluß ausgeführten Beschwerde der Staatsanwaltschaft wieder bei Gericht ein (ON 27). Diese Beschwerde wies das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 6.Juli 1988, AZ 7 Bs 205/88, einerseits wegen fehlender Rechtsmittelbefugnis und andererseits wegen Verspätung als unzulässig zurück. Auf die meritorische Frage der Rechtsrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses ging das Rechtsmittelgericht dabei nicht ein.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz steht mit dem Gesetz insofern nicht im Einklang, als die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als verspätet zurückgewiesen wurde. Das Kreisgericht Wels hat eine Zustellung des in Rede stehenden Kostenbestimmungsbeschlusses an die Staatsanwaltschaft nie verfügt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung SSt 27/88 (vgl auch EvBl 1972/92) ausgeführt und begründet hat, ist nicht jede Übersendung der Strafakten an die Anklagebehörde als Zustellung einer bereits bei den Akten erliegenden Ausfertigung einer Entscheidung iS des § 78 StPO anzusehen, sondern nur eine solche, die, wenn schon nicht ausdrücklich, so doch erkennbar den Zweck verfolgt, diese Ausfertigung der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen. Daß im vorliegenden Falle das Gericht mit der Übersendung des Strafaktes den Zweck verfolgte, der Anklagebehörde die gegenständliche Kostenentscheidung zur Kenntnis zu bringen, ist aus dem Akteninhalt nicht erkennbar. Damit liegt aber eine die Beschwerdefrist von 14 Tagen in Gang setzende Zustellung im Sinne des § 78 StPO nicht vor.
Durch die Zurückweisung dieser Beschwerde des öffentlichen Anklägers auch als verspätet, wurde das Gesetz in der genannten Bestimmung verletzt.
2. Nicht beizutreten vermag der Oberste Gerichtshof der Auffassung der Generalprokuratur, daß dieser Beschluß auch deshalb mit dem Gesetz nicht in Einklang stehe, weil die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Oberste Gerichtshof schließt sich vielmehr der Ansicht des Oberlandesgerichtes Linz an, daß nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Bestimmung des § 395 StPO nur den im Kostenstreit verfangenen Personen eine Legitimation zur Anfechtung der Bestimmung der Höhe der Kosten zukommt.
Wird zwischen dem von Amts wegen bestellten Verteidiger (§ 41 Abs. 3 StPO) und dem von ihm vertretenen Beschuldigten über die Höhe der Entlohnung (die letzterer zu zahlen hat, § 41 Abs. 3 StPO) kein Übereinkommen erzielt, so steht es jedem Teile frei, diese von dem im § 395 Abs. 1 StPO angeführten Gerichte bestimmen zu lassen (§ 395 Abs. 5 StPO iVm Abs. 1 der genannten Gesetzesstelle). Gegen den Beschluß des Gerichtshofes erster Instanz, womit die Gebühren bestimmt werden, steht beiden Teilen die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen (§ 395 Abs. 4 StPO). Nach dem Wortlaut der angeführten Gesetzesstellen ist dieses Verfahren auf die von der Kostenbestimmung betroffenen Personen beschränkt, und zwar im vorliegenden Fall auf den von Amts wegen bestellten Verteidiger und den von ihm vertretenen Beschuldigten; nur diesen genannten Beteiligten steht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Beschwerdelegitimation zu. Auch das im § 395 Abs. 1 StPO normierte Verfahren, welches einer solchen Kostenbestimmung voranzugehen hat, ist auf die im Kostenstreit verfangenen Parteien beschränkt. Daraus und aus den in den Absätzen 2 und 3 des § 395 StPO aufgestellten Grundsätzen für eine solche Kostenbestimmung ergibt sich weiters, daß diese gesetzliche Regelung den Zweck verfolgt, alle mit der Bestimmung der Höhe der Kosten verbundenen Fragen abschließend zu regeln, und zwar einschließlich des Rechtsmittelverfahrens. (Eine ähnliche Regelung findet sich auch in § 393 a StPO: Auch in dieser Bestimmung wird die Frage der Leistung eines Beitrages zu den Kosten der Verteidigung einschließlich des damit verbundenen Rechtsmittelverfahrens abschließend geregelt.)
Das von der Generalprokuratur zur Begründung ihrer Rechtsansicht angeführte, im § 392 Abs. 1 StPO normierte allgemeine Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Kostenbeschlüsse erfährt im Hinblick auf diese Sonderbestimmung des § 395 Abs. 4 StPO eine Einschränkung und kommt daher für diesen Fall nicht zum Tragen. Wie schon das Oberlandesgericht Linz zutreffend ausgeführt hat, hätte diese Bestimmung des § 395 Abs. 4 StPO keinen Sinn, wenn ohnedies die allgemeine Regelung des § 392 StPO Anwendung fände. In diesem Umfange war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
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