OGH 14Os154/88

OGH14Os154/8819.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob-Kornauth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Willibald S*** und andere wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Willibald S*** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten wie auch hinsichtlich der Angeklagten Matthias W***, Dietmar Z***, Michael W*** und Markus B*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 2. August 1988, GZ 11 Vr 3144/87-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Willibald S*** im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (Punkt VII) und in dem den genannten Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte S*** mit seiner Berufung wie auch die Staatsanwaltschaft mit ihrer hinsichtlich dieses Angeklagten erhobenen Berufung werden auf die obige Entscheidung verwiesen. II. Zur Entscheidung über die von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Matthias W***, Dietmar Z***, Michael W*** und Markus B*** erhobenen Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde (ua) der am 3.Mai 1936 geborene Versicherungsangestellte Willibald S*** der Verbrechen der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) und der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (Punkt VII) schuldig erkannt.

Das zuletzt bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er am 8.Dezember 1987 in Klagenfurt zur Ausführung der von den (jugendlichen) Mitangeklagten Matthias W***, Michael W*** und Dietmar Z*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken verübten strafbaren Handlung - begangen dadurch, daß sie (die am 8. Mai 1972 geborene) Elfriede M*** gegen deren Willen entkleideten, sich abwechselnd auf ihren Oberkörper setzten, ihre Arme und Hände niederhielten und ihre Beine auseinanderspreizten, sohin mit Gewalt mindestens dreimal zum außerehelichen Beischlaf nötigten - dadurch beigetragen hat, daß er den Genannten zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit Elfriede M*** in seiner Wohnung Präservative zur Verfügung stellte und "während des Geschlechtsverkehrs" eine sexuell stimulierende Flüssigkeit überließ. Ausdrücklich nur den Schuldspruch wegen des zuletzt bezeichneten Verbrechens bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt zunächst schon insofern Berechtigung zu, als damit aus dem zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit. a) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend gemacht werden. Das Erstgericht hat nämlich letztlich (bloß) zum Ausdruck gebracht (vgl. US 15), daß der Angeklagte auf Grund der Situation "erkennen mußte", daß es sich seitens der Mitangeklagten W*** und W*** sowie des insoweit (wegen des Verbrechens nach § 202 Abs. 1 StGB) bereits rechtskräftig abgeurteilten Dietmar Z*** um "Geschlechtsverkehrshandlungen gegen den Willen der M*** handelt". Allgemeine Redewendungen der Art wie hier: "erkennen mußte" decken indes auch die Schuldform bewußter Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 2 StGB) ab und reichen vorliegend - zumal sich auch aus dem Zusammenhalt mit den übrigen Entscheidungsgründen keine (sonstigen) tragfähigen Anhaltspunkte hiefür ergeben - für die Annahme eines Handelns mit bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 erster Halbsatz StGB) nicht aus. Zudem geben die Urteilsgründe, worauf die Beschwerde gleichfalls zu Recht hinweist, keinen Aufschluß darüber, woraus der Angeklagte bei der über Ersuchen des Angeklagten W*** erfolgten Hingabe der Präservative und Erteilung der Auskunft, wo sich das - dem W*** von vorangegangenen gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen mit dem Angeklagten bereits bekannte und von ihm verlangte - "anregende Mittel" (Riechfläschchen) befinde, erkennen konnte, daß die zuvor Genannten an Elfriede M*** das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf begehen werden. Blieb doch im gegebenen Zusammenhang völlig unerörtert, daß die Zeugin M*** vor der Polizei, auf welche Angaben das Erstgericht die bezüglichen Urteilsfeststellungen im wesentlichen stützte (US 14), erklärte, daß sie als der Angeklagte - der sich nicht ständig im selben Raum mit den übrigen Personen aufgehalten hatte - in das Zimmer kam, wo es dämmrig und nach zwischenzeitig erfolgtem Abschalten des Fernsehgerätes noch "finsterer" war, bereits nackt gewesen sei (S 78/I), daß sie nicht sagen könne, in welcher Phase des Geschehens der Angeklagte in das in Rede stehende Zimmer gekommen sei (S 127/I), daß sie nie um Hilfe gerufen habe (S 125, 129/I) und daß sie (erst) bei dem zuletzt mit Dietmar Z*** durchgeführten Geschlechtsverkehr zu weinen begonnen habe (S 78, 79/I). Die dem angefochtenen Urteil im bezeichneten Belang anhaftenden, vom Beschwerdeführer zutreffend gerügten Feststellungs- und Begründungsmängel lassen eine abschließende rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten nicht zu.

Da sohin eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich ist, war übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich wäre, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, daß Beteiligter im Sinn des § 12 dritter Fall StGB nur ist, wer - auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft oder durch Bestimmung eines anderen - einen ursächlichen Beitrag zur Ausführung der strafbaren Handlung leistet. Wenn der Haupttäter den Entschluß zu der in seiner Vorstellung individualisierten Tat bereits gefaßt hat und er daher einer Belehrung, Beratung oder Bestärkung nicht mehr bedarf, kommt auch eine intellektuelle Beihilfe begrifflich nicht in Betracht (ÖJZ-LSK 1983/20). Sollte das Schöffengericht im fortgesetzten Verfahren zur Überzeugung gelangen, daß vorliegend eine Tatbeteiligung im Sinn der bezeichneten Gesetzesstelle nicht angenommen werden kann, wäre allenfalls noch § 286 StGB in Betracht zu ziehen. Strafbar nach dieser Gesetzesstelle ist jedoch nur die vorsätzliche Unterlassung der Verhinderung einer Straftat, wobei sich der Vorsatz des Täters auch darauf beziehen muß, daß vorsätzlich eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung begangen werde.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

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