OGH 9ObA247/88

OGH9ObA247/8812.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bernhard S***, Kellner, Feldkirchen, Perschweg 5, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Renate D*** G***-B***, Hotelierin, Mösern Nr. 9, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung (Streitwert 6.000 S), infolge Rekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Mai 1988, GZ 5 Ra 53/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei der in das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Dezember 1987, GZ 47 Cga 1026/87-14, aufgenommene Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsweges abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.812,50 S bestimmten Kosten des Verfahrens dritter Instanz (davon 164,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der Beklagten vom 28. August bis 20. Oktober 1986 (nach seiner Behauptung bis 23. Oktober 1986) als Kellner beschäftigt. Er begehrte von der Beklagten außer der Zahlung restlicher Bezüge von 54.142,88 S brutto (abzüglich 8.918 S netto) sA, der Ausstellung eines Dienstzeugnisses und der Ausfolgung des Ergänzungsblattes zur Lohnsteuerkarte, die nicht mehr Gegenstand des Verfahrens in dritter Instanz sind, die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung für die Zeit vom 28. August bis 23. Oktober 1986.

Die Beklagte wendete bezüglich dieses Anspruchs Unzulässigkeit des Rechtsweges ein; der Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung könne (ebenso wie jener auf Ausstellung eines Ergänzungsblattes zur Lohnsteuerkarte) nur im Verwaltungsweg geltend gemacht werden.

Das Erstgericht nahm den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsweges in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung auf (§ 261 Abs 3 ZPO), verwarf die erhobene Einrede, sprach dem Kläger 23.616,64 S brutto abzüglich 10.455 S netto zu, verpflichtete die Beklagte, dem Kläger die Arbeitsbescheinigung gemäß § 46 Abs 3 ALVG für die Zeit vom 28. August bis 20. Oktober 1986 sowie ein mit 120 S Bundesstempelmarken vergebührtes Dienstzeugnis auszustellen und wies das Mehrbegehren ab.

Es war der Ansicht, daß über die Ausstellung einer Arbeitsbestätigung nach § 46 Abs 3 ALVG (ebenso wie über die Ausfolgung der Lohnsteuerkarte an den Arbeitnehmer) auf dem Rechtsweg zu entscheiden sei, weil § 61 Abs 1 Z 3 ASGG ausdrücklich Rechtsstreitigkeiten über die Herausgabe der dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses auszufolgenden Arbeitspapiere erwähne. Dadurch sei aus dem ursprünglich öffentlich-rechtlichen Anspruch ein privatrechtlicher geworden.

Das Berufungsgericht gab der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung (§ 261 Abs 3 ZPO) der Beklagten Folge und hob das Ersturteil in seinem Ausspruch über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung nach § 46 Abs 3 ALVG auszustellen, sowie das sich auf diesen Anspruch beziehende Verfahren erster Instanz als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Im übrigen gab es der Berufung der Beklagten in der Hauptsache keine Folge.

Schließlich sprach es aus, daß der Rekurs nach § 45 Abs 1 und 3 sowie § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstellung der Arbeitsbescheinigung nach § 46 Abs 3 ALVG sei ein öffentlich-rechtlicher Anspruch; dies gehe schon daraus hervor, daß nach § 71 Abs 1 ALVG die Ausstellung dieser Bestätigung im Falle grundloser Weigerung und wissentlich unwahrer Angaben des Dienstgebers von der Bezirksverwaltungsbehörde mit (Geld- und Haft-)Strafen erzwungen werden könne. Der Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung sei somit nicht klagbar. Es obliege den Arbeitsämtern, den Arbeitnehmern bei der Beschaffung der Arbeitsbescheinigung behilflich zu sein. Der Arbeitgeber sei vom Arbeitsamt auf seine gesetzliche Pflicht aufmerksam zu machen und erforderlichenfalls ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Die Schaffung der Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 3 ASGG habe daran nichts geändert. Diese Bestimmung begründe keinen privatrechtlichen Anspruch, sondern setze ihn vielmehr voraus. Wenn ein Herausgabeanspruch nicht privatrechtlicher Natur sei, werde er durch § 61 Abs 1 Z 3 ASGG überhaupt nicht betroffen. § 61 Abs 1 Z 3 ASGG habe an der bestehenden Rechtslage, wonach der Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung nach § 46 Abs 3 ALVG ein öffentlich-rechtlicher und kein privatrechtlicher Anspruch sei, nichts geändert. Dieser Anspruch sei daher wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen und das darauf bezügliche Verfahren vor dem Erstgericht für nichtig zu erklären.

Der Kläger bekämpft diesen Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) mit Rekurs. Er beantragt, die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem aufzutragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über den (davon betroffenen) Anspruch neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Gemäß § 46 Abs 3 ALVG (nunmehr seit der ALVG-Nov BGBl 1987/615: § 46 Abs 4 ALVG) hat der Arbeitslose seinen Anspruch beim Arbeitsamt nachzuweisen. Er hat eine Bestätigung des Dienstgebers über die Dauer und Art des Dienstverhältnisses, über die Höhe des Entgelts und über die Art der Lösung des Dienstverhältnisses beizubringen. Der Dienstgeber ist zur Ausstellung dieser Bestätigung verpflichtet. Die näheren Bestimmungen hierüber erläßt der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung. Verweigert der Dienstgeber die Ausstellung dieser Bestätigung grundlos oder macht er darin wissentlich unwahre Angaben, so wird er gemäß § 71 Abs 1 ALVG, sofern die Tat nicht nach einem anderen Gesetz einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen von 30 S bis 3.000 S oder mit Arrest von einem Tag bis zu drei Monaten bestraft. Daraus ist abzuleiten, daß es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 46 Abs 4 ALVG um einen im öffentlichen Recht begründeten und von den Verwaltungsbehörden mittelbar durch die Strafdrohung des § 71 Abs 1 ALVG zu erzwingenden Anspruch handelt, für den der Rechtsweg unzulässig ist. Das ALVG enthält zwar keine ausdrückliche Anordnung für die unmittelbare Durchsetzung dieses Anspruchs. Die Regelung des ALVG unterscheidet sich insofern von der die Ausfolgung der Lohnsteuerkarte an den Arbeitnehmer regelnden Bestimmung des § 74 Abs 2 letzter Satz EStG, die vorsieht, daß das Finanzamt im Fall der Weigerung des Arbeitgebers die körperliche Übergabe der Lohnsteuerkarte an den Arbeitnehmer mit Bescheid anzuordnen hat. Der Anspruch auf Ausfolgung der Lohnsteuerkarte ist daher nur dann im Klagewege durchsetzbar, wenn er sich auf einen privatrechtlichen Rechtsgrund (zB Anerkenntnis, Vergleich oder überhaupt auf eine mit dem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung über die Herausgabe) stützt (Kuderna, Die sofortige Vollstreckbarkeit nach § 61 ASGG, DRdA 1988, 104). Bei Fehlen einer solchen privatrechtlichen Rechtsgrundlage kann aber auch der Anspruch auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 46 Abs 4 ALVG, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Verordnung näher zu regeln ist, nur im Verwaltungsweg geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber ist in solchen Fällen vom Arbeitsamt auf seine gesetzliche Verpflichtung aufmerksam zu machen. Erforderlichenfalls hat das Arbeitsamt gemäß § 71 Abs 1 ALVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde das Strafverfahren einzuleiten (Dirschmied, ALVG 164). Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstellung der in § 46 Abs 4 ALVG vorgesehenen Bestätigung ist daher mangels einer privatrechtlichen Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur (Arb 7090) und gehört daher nicht auf den Rechtsweg (Kuderna ASGG 252).

Daß der Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitsbestätigung nach § 46 Abs 3 (Abs 4) ALVG vor der Schaffung des ASGG ein im Verwaltungsweg durchzusetzender Anspruch war, bestreitet auch der Rekurswerber nicht; er meint aber, daß diese Arbeitsbestätigung nunmehr zu den im § 61 Abs 1 Z 3 ASGG erwähnten Arbeitspapieren gehöre (so anscheinend auch Konecny, Wirkungen erstinstanzlicher Urteile in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 61 ASGG, ZAS 1986, 160); daraus, daß der Gesetzgeber der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz in Rechtsstreitigkeiten über die Herausgabe der dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses auszufolgenden Arbeitspapiere sofortige Vollstreckbarkeit zuerkannt habe, stehe nunmehr auch für den Anspruch auf Ausfolgung der Arbeitsbestätigung nach § 46 Abs 4 ALVG der Rechtsweg offen. Dieser Meinung ist jedoch nicht zu folgen, weil das ASGG in das ALVG nicht eingegriffen hat und die Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 3 ASGG keinen neuen materiellrechtlichen Herausgabeanspruch schafft, sondern diesen voraussetzt (Kuderna, ASGG 331; ders DRdA 1988, 104; Konecny aaO 160). Das ASGG hat daher in der Frage, ob Ansprüche auf Ausstellung einer Arbeitsbestätigung nach § 46 Abs 4 ALVG im Verwaltungsweg durchzusetzen sind, keine Änderung gebracht. Der im öffentlichen Recht begründete Anspruch auf Ausstellung dieser Bestätigung wird durch § 61 Abs 1 Z 3 ASGG überhaupt nicht betroffen. Auf die Frage, ob unter die Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 3 ASGG nur "auszufolgende" Arbeitspapiere, aber nicht Urkunden gehören, die vom Arbeitgeber erst anzufertigen oder auszustellen sind (vgl Kuderna ASGG 331; Konecny aaO 160) ist daher nicht einzugehen.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50, 52 ZPO.

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