OGH 9ObA113/88

OGH9ObA113/8812.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Maria-Luise K***, Kindergärtnerin, Graz, Obere Teichstraße 15 b, vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei LAND S***, vertreten durch Dr. Josef Krainer, Landeshauptmann, Graz-Burg, dieser vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 31.000,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 1988, GZ 7 Ra 9/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6. November 1987, GZ 36 Cga 1186/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Zwischenurteil wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.357,85 (darin S 214,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bei der beklagten Partei seit 3. April 1978 als Vertragsbedienstete beschäftigt. Nach dem schriftlichen, auf der Grundlage des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 abgeschlossenen Dienstvertrag vom 13. April 1978 wurde sie als "Kindergärtnerin" für das Landes-Sonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Graz aufgenommen. In diesem Sonderkrankenhaus führt die Klägerin in der "Station K" im Rahmen der sogenannten Schulabteilung eine eigene Gruppe, in der sie ausschließlich vorschulpflichtige behinderte Kinder im Alter zwischen dem 2. und 15. Lebensjahr betreut. Es ist ihre Aufgabe, die stationär behandelten Kinder, deren geistige Reife den Besuch einer (Sonder-)Schule noch nicht zuläßt, durch Förderung der Sprache, Motorik und geistigen Schulung sowie durch Erteilung einer emotionalen Erziehung und eines lebenspraktischen Unterrichts so weit zu bringen, daß ihre Integration in eine Sonderschule, Werksgruppe oder bei Pflegeeltern möglich ist. Die Klägerin übt ihre Tätigkeit hauptsächlich wochentags von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr aus. In der übrigen Zeit werden die Kinder vom anderen Personal des Krankenhauses betreut.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Betrages von S 31.000,-- brutto sA als Abgeltung der Mehrleistung, die sie dadurch erbracht habe, daß die beklagte Partei ihre Dienste entgegen den Bestimmungen des Landesgesetzes vom 18. Juni 1985, LGBl. 1985/77, übermäßig in Anspruch genommen habe. Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Das von der Klägerin genannte Landesgesetz finde auf ihr Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete keine Anwendung. Das Landesgesetz gelte nur für öffentliche Kindergärten und Horte, nicht aber für die im Zuge der Krankenbehandlung erfolgende Betreuung behinderter Jugendlicher im Landes-Sonderkrankenhaus.

Beide Parteien stellten "gemeinsam" den Zwischenantrag auf Feststellung, "ob das Landesgesetz vom 18. Juni 1985 über das Dienst- und Besoldungsrecht der vom Land Steiermark oder von den Gemeinden anzustellenden Kindergärtnerinnen und Erzieher an den Horten, LGBl. 1985/77, auf das gegenständliche Dienstverhältnis Anwendung zu finden habe".

Das Erstgericht erkannte über diesen Antrag mit Zwischenurteil, daß das zitierte Landesgesetz auf das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis Anwendung zu finden habe. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin als Kindergärtnerin aufgenommen worden sei, die Arbeit einer Kindergärtnerin leiste und in einem "Hort" im weiteren Sinn tätig sei. Es komme nicht auf das Lebensalter der zu betreuenden Kinder an, sondern lediglich darauf, daß ihre mangelnde geistige Reife den Besuch einer Schule nicht zulasse.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe,

S 30.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ein von beiden Parteien gestellter Zwischenfeststellungsantrag unzulässig sei. Gehe man davon aus, daß ein solcher Antrag im überwiegenden Interesse der Klägerin gelegen und somit in erster Linie als von ihr gestellt anzusehen sei, hätte der (negative) Antrag der beklagten Partei wegen Streitanhängigkeit zurückgewiesen werden müssen. Eine Auseinandersetzung mit dem unerledigt gebliebenen Antrag der beklagten Partei erübrige sich jedoch, da der Verfahrensmangel nicht gerügt worden sei.

In der Sache selbst könne dem Erstgericht nicht beigepflichtet werden. Der Begriff des Hortes sei von dem des Kindergartens zu trennen. An Horten und Schülerheimen seien nicht Kindergärtnerinnen, sondern Erzieherinnen tätig. Ein Sonderkindergarten diene der Unterstützung und Ergänzung der Familienerziehung in ihrer Entwicklung gehemmter oder geschädigter Kinder zwischen dem vollendeten dritten Lebensjahr und dem Schuleintritt. Hingegen seien die von der Klägerin zu betreuenden Kinder im Landes-Sonderkrankenhaus stationär aufgenommen, so daß ihre Tätigkeit - auch wegen der nicht zu berücksichtigenden Schulferien - für eine Kindergärtnerin nicht typisch im Sinne des Steiermärkischen Kindergartengesetzes sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts. Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, daß zumindest § 2 Abs 3 des Landesgesetzes vom 18. Juni 1985, LGBl. 1985/77, auf das Dienstverhältnis anwendbar sei. Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Bei Prüfung der Frage, ob das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten unter das Landesgesetz vom 18. Juni 1985 über das Dienst- und Besoldungsrecht der vom Land Steiermark oder von den Gemeinden anzustellenden Kindergärtner(innen) und Erzieher an Horten, LGBl. 1985/77, fällt, ist davon auszugehen, daß dieses Landesgesetz keine neue Definition des Begriffes "Kindergärtnerin" enthält, sondern in seinem § 1 Abs 1 lediglich anordnet, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes auf Kindergärtner(innen), die vom Land Steiermark angestellt werden, Anwendung findet. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ergibt der Umkehrschluß aus § 16 Abs 4 leg cit, daß die dienstrechtlichen Normen dieses Gesetzes mit Ausnahme der neuen Besoldungsregelungen auch für Dienstverhältnisse anzuwenden sind, die vor dem 1. Jänner 1986 begründet wurden. Es ist unbestritten, daß die Klägerin von der beklagten Partei als "Kindergärtnerin" und nicht etwa als Krankenpflegefachkraft (vgl. BGBl. 1961/102 betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes) eingestellt wurde. Zum Zeitpunkt der Errichtung des schriftlichen Dienstvertrages (13. April 1978) gab es bereits das Landesgesetz vom 29. November 1965 über das Kindergartenwesen in der Steiermark (Steiermärkisches Kindergartengesetz, LGBl. 1966/59) und das Landesgesetz vom 13. Februar 1973 über die fachlichen Anstellungserfordernisse für die vom Land Steiermark ...... anzustellenden Kindergärtnerinnen (LGBl. 1973/58). Soweit die beklagte Partei die Klägerin daher während der Geltung der Bestimmungen des Steiermärkischen Kindergartengesetzes und auf Grund des nicht bezweifelten Vorliegens der fachlichen Anstellungserfordernisse ausdrücklich als Kindergärtnerin aufgenommen hat, ist die Auffassung der beklagten Partei verfehlt, die Klägerin sei gar keine Kindergärtnerin, weil sie nicht in einem typischen Kindergarten arbeite. Diese schon arbeitsvertraglich erfolgte Einstufung der Tätigkeit der Klägerin entspricht aber auch durchaus ihrer tatsächlichen Verwendung als Sonderkindergärtnerin.

Gemäß § 6 des Steiermärkischen Kindergartengesetzes haben die Sonderkindergärten die Aufgabe, in ihrer Entwicklung gehemmte oder geschädigte Kinder zwischen dem vollendeten 3. Lebensjahr und dem Schuleintritt nach dem für Kindergärten geltenden Zielsetzungen (§ 5), nach erprobten wissenschaftlichen, insbesondere heilpädagogischen Grundsätzen zu betreuen und in ihrer Entwicklung zu fördern. Diese auch als heilpädagogisch bezeichneten Kindergärten sind sohin zur Aufnahme und Betreuung körperlich oder geistig behinderter Kinder bestimmt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2 676). Nach den Feststellungen obliegt aber der Klägerin gerade eine solche heilpädagogische Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher. Der Umstand, daß sie ihrer Tätigkeit als Sonderkindergärtnerin nicht in einer organisatorisch abgeschlossenen Einheit in einem als Kindergarten bezeichneten Gebäude, sondern in einer eigenen Station des Landes-Sonderkrankenhauses nachkommt, ist für ihre allein maßgebliche berufsfachliche Qualifikation als Sonderkindergärtnerin ohne Belang. Wie der Verwaltungsdirektor des Landes-Sonderkrankenhauses dazu aussagte, sind in diesem Krankenhaus auch Sonderschullehrer tätig, welche mit der Ausbildung der jugendlichen Patienten betraut sind.

Arbeitet aber die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag und ihrer Verwendung als von der beklagten Partei angestellte Kindergärtnerin - dies wird auch vom Berufungsgericht nicht bezweifelt -, dann ist dem den Anwendungsbereich des Gesetzes regelnden § 1 des Landesgesetzes vom 18. Juni 1985, LGBl. 1985/77, nichts darüber zu entnehmen, daß die beklagte Partei etwa Kindergärtnerinnen verschiedenen Rechts beschäftigen wollte. Eine solche Differenzierung in typische Fälle von Kindergärtnerinnen und Sonderfälle widerspräche auch dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach ein Arbeitnehmer nicht willkürlich oder aus sachfremden Gründen schlechtergestellt werden darf als die übrigen Arbeitnehmer unter den nämlichen Voraussetzungen (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 224). Die Tätigkeit der Klägerin unterscheidet sich nicht von jener einer Sonderkindergärtnerin in einem typischen Kindergarten. Es verschlägt daher nichts, daß das zitierte Landesgesetz in der Folge Kindergärtnerinnen in Landes-Sonderkrankenhäuser nicht ausdrücklich erwähnt, da es seinen Anwendungsbereich - wie erwähnt - ohnehin nicht auf Kindergärtner(innnen), die in einem öffentlichen Kindergarten beschäftigt sind, beschränkt. Der Einwand, die Ferien- und Urlaubsregelung des Dienst- und Besoldungsgesetzes könne auf die Klägerin schon deshalb nicht angewendet werden, weil sonst die stationär untergebrachten Kinder während der Sommermonate ohne heilpädagogische Betreuung wären, läßt die Verpflichtung der beklagten Partei zur organisatorischen Vorsorge unberücksichtigt. Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 41, 50, 52, 393 Abs 4 ZPO begründet. Eine Pauschalgebühr ist jedoch nicht zuzuerkennen, da Feststellungsbegehren gemäß § 16 Z 1 lit a GGG mit einem Streitwert von S 6.000,-- bewertet werden und arbeitsgerichtliche Rechtsmittelverfahren bei einem Streitwert bis S 6.000,-- gebührenfrei sind (GGG TP 2 und 3 Anm. 5).

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