Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 12 (zwölf) Jahre herabgesetzt wird.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Juni 1916 geborene Willibald K*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 8.März 1987 in Wien Margarete T*** durch Versetzen von mehreren - nämlich von mehr als 3 - Stichen mit einem Küchenmesser (Klingenlänge 18 cm) in die Halsregion vorsätzlich getötet hat.
Rechtliche Beurteilung
Die Geschwornen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord mit 6 gegen 2 Stimmen bejaht, eine - nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage zu beantwortende - Eventualfrage nach versuchter Nötigung - überflüssigerweise - mit 6 gegen 2 Stimmen verneint und die in Richtung des § 11 StGB gestellte Zusatzfrage stimmeneinhellig verneint. Die weiteren an die Geschwornen gerichteten Eventualfragen blieben - folgerichtig - unbeantwortet. Im ersten Rechtszug hatten die Geschwornen die Hauptfrage nach Mord (einstimmig) verneint und die (damals an sie gerichtete) auf das Verbrechen des Totschlages lautende Eventualfrage (gleichfalls einstimmig) bejaht, worauf der Schwurgerichtshof die Entscheidung gemäß § 334 Abs 1 StPO aussetzte (S 399/II). Der Oberste Gerichtshof verwies mit Beschluß vom 8.Februar 1988 die Strafsache gemäß § 334 Abs 2 StPO vor ein anderes Geschwornengericht desselben Gerichtshofes (ON 99).
Den nunmehr gefällten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt er im diesmaligen Unterbleiben einer auf das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB gerichteten Eventualfrage; der von ihm unmittelbar nach der Tathandlung verfaßte Abschiedsbrief wie auch die Aussage der Zeugin Christa F*** in der Hauptverhandlung vom 14. April 1988 hätten die "Möglichkeit eines der Tat vorausgegangenen Streites" wie auch das Vorliegen einer "heftigen tiefgreifenden Gemütsbewegung" zur Tatzeit indiziert.
Die Rüge versagt.
Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Eine "heftige Gemütsbewegung" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung verlangt einen tiefgreifenden Affekt, der die verstandesmäßigen Erwägungen zurückdrängt und den von ihm ergriffenen Täter mitreißt. Um "allgemein begreiflich" zu sein, muß der für das spontane Fassen des Tatentschlusses kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene tiefgreifende Affekt des Täters derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in dieser Situation und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 RN 3 ff; Kienapfel BT I2 RN 14 ff jeweils zu § 76 und die dort zitierte Judikatur). Die Stellung der vom Beschwerdeführer vermißten Eventualfrage nach Totschlag hätte gemäß § 314 Abs 1 StPO vorausgesetzt, daß in der Hauptverhandlung entsprechende Tatsachen im Sinn des Gesagten vorgebracht worden wären, nach denen, wenn sie als erwiesen angenommen würden, der Angeklagte die ihm angelastete vorsätzliche Tötung eines Menschen in einer heftigen Gemütsbewegung begangen hätte und nach denen die Entstehung dieses hochgradigen Affekts aus den hiefür konkret in Betracht kommenden Ursachen als allgemein begreiflich anzusehen wäre. Die Annahme eines diesen Kriterien gerecht werdenden Gemütszustandes des Angeklagten zur Tatzeit war dem Beschwerdestandpunkt zuwider nicht indiziert. Der Angeklagte selbst hat in der Hauptverhandlung vom 14. und 15.April 1988 (siehe S 65 ff/III; 90 ff/III; 145 ff/III) in Übereinstimmung mit seinen übrigen im Laufe des Verfahrens gemachten Angaben (vgl. Aussage vor der Polizei S 372 ff/I; vor dem Untersuchungsrichter S 307 ff/I; in der Hauptverhandlung vom 11.November 1987, S 373 ff/II vor den Sachverständigen S 53 ff/II, 71 ff/II) einen Tötungsvorsatz entschieden in Abrede gestellt und den Tod der Margarete T*** unmißverständlich durch ein von seinem Vorsatz nicht erfaßtes (Unfalls-)Geschehen zu erklären versucht. Auch in seinem unmittelbar nach der Tat verfaßten Abschiedsbrief hat der Angeklagte, der in Ansehung des diesem Schriftstück ferner zu entnehmenden (äußerst unbestimmten) Hinweises auf bestandene "Probleme" gleichfalls jeden Zusammenhang mit dem inkriminierten Geschehen verneinte (S 78/III iVm S 377/II), den Tod der Margarete T*** ausdrücklich auf einen "Unfall" zurückgeführt (S 357 f/I), sodaß diesem Beweismittel ein den Beschwerdestandpunkt stützendes Substrat fehlt. Die vermißte Fragestellung war aber auch durch die Aussage der Zeugin Christa F***, auf die sich die Beschwerde gleichfalls beruft, keineswegs indiziert, konnte doch die Genannte nur über einen vom Angeklagten ihr gegenüber eingestandenen "Ärger mit seiner Freundin" berichten (S 101/III iVm S 387/II und 441/I). Bei dieser Sachlage hat der Schwurgerichtshof daher zu Recht davon Abstand genommen, eine durch die Verfahrensergebnisse - im übrigen auch schon im ersten Rechtsgang - nicht indizierte Eventualfrage im Sinn des nunmehrigen Beschwerdevorbringens zu stellen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 36-38 zu § 314).
Unbegründet ist auch die auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Rüge, die eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung zunächst daraus abzuleiten sucht, daß die "Möglichkeit einer privilegierten Behandlung des Totschlages durch eine tiefgreifende Gemütsbewegung mit der nicht nur sthenische, sondern auch asthenische Affekte erfaßt werden sollen", unzureichend erläutert worden sei. Der in der Rechtsbelehrung (S 4) enthaltene Hinweis, daß sich auch eine plötzliche Entschlußfassung im Affekt als "vorsätzlich" darstelle, habe nämlich zu Irrtümern der Geschwornen dahin Anlaß geben können, daß selbst eine an sich zu einer privilegierten Beurteilung als Totschlag Anlaß gebende Affekthandlung nur dem Tatbestand des Mordes unterstellt werden dürfe.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß nach § 321 Abs 2 StPO die Rechtsbelehrung eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale (nur) jener strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen gerichtet sind, und eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke zu enthalten, sowie das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarzulegen hat. Demnach hat sie nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden, nicht hingegen auch andere, außerhalb des Bereichs derselben liegende Rechtsbegriffe zu erläutern (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 20, 22 zu § 345 Z 8). Da vorliegend eine auf das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB lautende Eventualfrage nicht gestellt worden war, brauchte die Rechtsbelehrung die vom Beschwerdeführer vermißten Abgrenzungsfragen zwischen Mord und Totschlag nicht zu behandeln.
Der unsubstantiiert gebliebene weitere Einwand, die Erläuterung der für die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit maßgeblichen Kriterien erschöpfe sich "zum überwiegenden Teil in einer für Laien unverständlichen, rechtsphilosophischen Abhandlung über Wissens- und Willenskomponenten", versagt schließlich ebenso, wie die gleichfalls ohne konkrete Begründung gebliebene Behauptung, die (an sich überflüssigen) Ausführungen über einzelne vorliegend gar nicht aktuelle Bestimmungen der Strafzumessung hätten zu einer "Verwirrung der Geschwornen führen müssen". Denn die bezüglichen Erläuterungen in der schriftlichen Rechtsbelehrung sind rechtlich einwandfrei, allgemein verständlich und keineswegs so geartet, daß die Geschwornen bei der Beantwortung der an sie gestellten Fragen auf einen falschen Weg gewiesen werden konnten.
Die Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 10 a StPO sind nicht geeignet, erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Der Beweggrund des Täters für die Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbestandes ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Leukauf-Steininger aaO RN 13 zu § 75). Der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr. H*** hinwieder hat (im übrigen im Einklang mit dem in der ersten Hauptverhandlung beigezogenen Sachverständigen Dr. P***) seine die Unfallsversion des Angeklagten widerlegenden Ausführungen keinesfalls auf die in der Beschwerde hervorgehobene Tatrekonstruktion in der Hauptverhandlung (vom 14.April 1988) gestützt, sondern dabei auf objektive, aus der Untersuchung der Getöteten gewonnene Erkenntnisse zurückgegriffen (S 128 ff/III). Mit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen wird demnach lediglich die Forderung erhoben, einer für den Angeklagten günstigeren Tatversion den Vorzug zu geben. Damit wird jedoch nichts aufgezeigt, das bei intersubjektiver Betrachtungsweise geeignet wäre, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschwornen zugrundegelegten Tatsachen hervorzurufen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch steht, ferner die Enthemmung durch den Genuß von Alkohol und den Umstand, daß er durch seine Angaben zur Aufklärung der Tat und damit wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt. Angesichts bisherigen Wohlverhaltens, vor allem aber des relativ hohen Alters des Angeklagten und der durch einen erlittenen Schlaganfall bewirkten zusätzlichen Belastung liegen jedoch Umstände vor, die dem Berufungswerber das Strafübel doch als erheblich schwerer empfinden lassen.
Unter Berücksichtigung dieser speziellen Strafempfindlichkeit erscheint daher eine Herabsetzung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf die im Spruch ersichtliche, seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechende Dauer als angebracht.
Seiner Berufung war demnach in diesem Sinn stattzugeben.
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