OGH 4Ob68/88

OGH4Ob68/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***,

Wien 4, Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Dr. Friedrich Prunbauer und Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei D*** Warenhandelsgesellschaft mbH, Brunn am Gebirge, Johann-Steinböck-Straße 7a, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek, Dr. Guido Kucsko, Dr. Christian Schmelz und Dr. Helmut Preyer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20. Mai 1988, GZ 4 R 87/88-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16. März 1988, GZ 37 Cg 53/88-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.495,35 (darin enthalten S 1.226,85 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Vor der Eröffnung eines Lebensmittelgroßmarktes in Vösendorf warb die Beklagte (u.a.) mit folgenden Angaben:

"Von Handelsspannen, wie sie in Österreich üblich sind, können Geschäftsleute in anderen Ländern nur träumen. Wien ist eine der teuersten Städte Europas. Die Zeche zahlt der Verbraucher. ...D*** ist der neue superbillige Super-Großmarkt für Wien und Niederösterreich. Mit Preisen, von denen Österreichs Verbraucher bisher nur träumen konnten" (Beilage F).

"Schon vor der Eröffnung machen die superbilligen D***-Preise

unserer Konkurrenz gehörig zu schaffen ... Mit Lockangeboten will

man einem fairen Preiskampf aus dem Wege gehen. Die Zeche soll der

Verbraucher zahlen ... D*** ist der neue superbillige

Super-Großmarkt in Wien und Niederösterreich. Mit Preisen, von denen Österreichs Verbraucher bisher nur träumen konnten - Preise, die unserer Konkurrenz noch viele schlaflose Nächte bereiten werden" (Beilage E).

"D***-Preise sind alle absolut sensationell in Österreich .... D***, der Preisboxer ist sicher, jeden Vergleich zu seinen .... und zu Ihren Gunsten zu gewinnen" (Beilage H).

"Wenn der Preisboxer zuschlägt, fallen nicht nur reihenweise Konkurrenz und Preise um ..." (Beilage F).

Die Beklagte hatte zuvor erhoben, daß die von ihr in Aussicht genommenen Preise bei allen angebotenen Waren - meist sogar erheblich - unter den Preisen ihrer Mitbewerber lagen. Das war auch während der Eröffnungstage der Fall. Danach haben verschiedene Mitbewerber die Preise für einzelne Artikel den Preisen der Beklagten angeglichen; insgesamt ist aber das Preisniveau der Beklagten nach wie vor niedriger als jenes aller Mitbewerber. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragte der klagende Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in Filialeröffnungsanzeigen unter Erwähnung unbestimmter Vorteile anzukündigen, D*** habe die Preise, "von denen Österreichs Verbraucher bisher nur träumen konnten", D***-Preise seien alle "absolut sensationell", und im Zusammenhang mit Preisvergleichen:

"D*** ist sicher, jeden (Preis-)Vergleich zu seinen Gunsten zu gewinnen" oder mit sinngleichen Worten (anzukündigen). Im Zuge ihrer Expansionsbestrebungen sei die Beklagte im Begriff, eine weitere Filiale in Vösendorf zu eröffnen. Die Preise in den übrigen Filialen der Beklagten entsprächen durchschnittlich denen anderer Diskonter. Für die bevorstehende Geschäftseröffnung habe die Beklagte durch Erwähnung unbestimmter Vorteile besonders aggressiv geworben und damit für sich eine Spitzenstellung auf dem Gebiet der Preise in Anspruch genommen, ohne das Publikum über die wesentlichen Umstände, die ein objektives Urteil erst ermöglichten, zu informieren; diese Werbung verstoße gegen § 1 UWG. Die Ankündigung beziehe sich auch nur auf die erfahrungsgemäß besonders günstigen Eröffnungsangebote, worauf nur im Kleindruck hingewiesen werde.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Sie biete ihre Waren wesentlich billiger an als ihre Mitbewerber; in praktisch allen Fällen ergebe sich beim Einkauf in ihrem Unternehmen eine ganz erhebliche Ersparnis. Ihre Preise würden von der Konkurrenz sogar als "ruinös" empfunden. Auch treffe nicht zu, daß sie nur mit unüberprüfbaren, unbestimmten Vorteilen geworben habe: Sie habe in ihrer Werbung konkret angegeben, daß sie auf den

12.500 m2 großen Verkaufsflächen über 74.000 Artikel aus verschiedenen Sortimenten zu besonders günstigen Preisen verkaufe. Offenbar sei der Kläger selbst von diesen preislichen Gegebenheiten ausgegangen, weil er seinen Anspruch nicht auf § 2 UWG, sondern auf § 1 UWG gestützt habe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Eine Ankündigung besonders günstiger Preise, die vom Publikum leicht überprüft werden könne, sei nicht wettbewerbswidrig.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, daß die beanstandeten Werbebehauptungen vor der Eröffnung des Großmarktes in Vösendorf gemacht wurden, und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Das Ankündigen besonders günstiger Preise sei zwar ein typisches Mittel des Leistungswettbewerbes; da aber die Beklagte mit der Ankündigung einer Spitzenstellung nur unbestimmte Vorteile angepriesen habe, ohne dem angesprochenen Publikum alle für die Überprüfung der Richtigkeit des Werbevergleiches wesentlichen Umstände mitzuteilen, verstoße ihre Werbung gegen § 1 UWG. Dieser Werbung lasse sich nicht entnehmen, welches die Vergleichspreise seien, um welche Artikel es sich konkret handle und in welchem Umfang die Beklagte billiger sei; außerdem habe sich die beanstandete Ankündigung auch auf besonders günstige Eröffnungsangebote beziehen können.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der - Fragen unbestimmter Gesetzesbegriffe des Wettbewerbsrechtes betreffende - Rekurs ist zulässig (ÖBl 1984, 48 und 104 uva) und berechtigt.

Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, ihre vor der Geschäftseröffnung in Vösendorf durchgeführte Werbung sei weder unbestimmt noch unüberprüfbar gewesen; sie habe vielmehr konkret mit besonders günstigen Preisen bei allen Artikeln geworben. Dabei handle es sich um eine konkrete Bezugnahme auf bestimmte Vorteile; insoweit wichen ihre Werbeankündigungen von jenen ab, die der Entscheidung ÖBl 1988, 46, auf die sich das Rekursgericht im wesentlichen gestützt habe. Dem muß im Ergebnis beigepflichtet werden:

Alleinstellungswerbung ist zwar primär nach § 2 UWG zu beurteilen und wettbewerbsrechtlich dann zu beanstanden, wenn sie - was hier nicht bescheinigt wurde - unrichtig ist. Sie kann aber - trotz sachlicher Richtigkeit - auch gegen die guten Sitten verstoßen, wenn sie sich nicht mit der Anpreisung der eigenen Spitzenstellung begnügt, sondern damit einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren und Leistungen namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber verbindet oder fremde Erzeugnisse oder Leistungen pauschal abwertet (ÖBl 1984, 97); sie ist dann nicht anders zu behandeln als vergleichende Werbung überhaupt (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 26 f; ÖBl 1975, 145). Wer zu Wettbewerbszwecken Vergleiche zieht, muß dem angesprochenen Publikum alle wesentlichen Umstände mitteilen, die es in die Lage versetzen, sich selbst ein objektives Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistungen gegenüber denen der Mitbewerber zu bilden (Baumbach-Hefermehl aaO 726 Rz 358 zu § 1 UWG; ÖBl 1972, 90; ÖBl 1975, 146; ÖBl 1977, 100; ÖBl 1984, 5). Wer allerdings nur für seine eigene Ware oder Leistung wirbt, kann sich im allgemeinen darauf beschränken, deren Vorzüge herauszustellen.

Die Frage, ob die - nach den vorliegenden Feststellungen den Tatsachen entsprechende - Behauptung in einer Eröffnungswerbung, der Werbende werde mit den Preisen für alle Waren erheblich billiger als die Konkurrenz sein, ohne daß gleichzeitig irgendwelche Preise genannt werden, wegen dieser Unvollständigkeit auch sittenwidrig ist, ist bisher in der Rechtsprechung nicht behandelt worden. Auch in der vom Kläger für seine Auffassung ins Treffen geführten Entscheidung ÖBl 1988, 46 hat der Oberste Gerichtshof dazu nicht Stellung genommen: Dort wurde nämlich lediglich ausgesprochen, daß die Ankündigung, mit einer bevorstehenden Filialeröffnung werde "alles ganz anders", unvollständig und deshalb sittenwidrig ist, weil die Umworbenen wegen der Ankündigung solcher unbestimmter Vorteile nicht in die Lage versetzt würden, sich selbst ein objektives Urteil über die Vorteile der angebotenen Leistungen gegenüber denen der Mitbewerber zu bilden. Im vorliegenden Fall hat aber die Beklagte ausdrücklich darauf verwiesen, daß sie auf einer Verkaufsfläche von 12.500 m2 mehr als 74.000 Artikel aus verschiedenen, im einzelnen angeführten Sortimenten zu "absolut sensationellen Traumpreisen" anbieten werde.

Unter Berücksichtigung der angeführten Grundsätze vermag der Oberste Gerichtshof an der beanstandeten Werbung nichts Sittenwidriges zu erkennen. Mit der Ankündigung von Preisen, "von denen Österreichs Verbraucher bisher nur träumen konnten", sowie "absolut sensationellen D***-Preisen", hat die Beklagte deutlich erkennbar in marktschreierischer Weise auf ihr besonders günstiges Preisniveau hingewiesen. Auch die weitere Behauptung, "jeden (Preis-)Vergleich zu gewinnen", enthält nichts anderes als einen Hinweis auf das im Vergleich zu allen anderen - nicht namentlich genannten - Konkurrenzunternehmen besonders niedrige Preisniveau der Beklagten. Eine solche Behauptung besonders günstiger Preise kann aber von den angesprochenen Verkehrskreisen - nach der Geschäftseröffnung - jederzeit überprüft werden; von einer Pauschalabwertung der Konkurrenzunternehmen kann dabei jedenfall keine Rede sein. Daß die von der Beklagten in Aussicht genommenen eigenen Preise dabei nicht angegeben werden, schadet nicht, weil gerade von einer Eröffnungswerbung für einen Großmarkt mit über 74.000 Artikeln weder die Angabe sämtlicher in Aussicht genommener Preise noch auch nur der Preise eines repräsentativen Querschnittes des gesamten Warenangebotes verlangt werden kann. Ob andere, hier nicht beanstandete Ankündigungen der Beklagten - etwa durch die Erweckung des Eindruckes, daß die Preise der Mitbewerber überhöht seien - die Leistungen der Konkurrenzunternehmen pauschal abwerten, muß nicht beurteilt werden, weil sich das beantragte Verbot nicht auf herabsetzende Ankündigungen erstreckt, sondern ausdrücklich auf die Erweckung "unbestimmter Vorteile" beschränkt ist. Vorteile dieser Art, die es dem angesprochenen Publikum unmöglich machen würden, sich selbst ein objektives Urteil über das Angebot der Beklagten zu bilden, hat aber die Beklagte hier nicht angekündigt. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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