Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Die klagenden Parteien haben die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rekurses und der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die beiden Klägerinnen sind als "Geschäftsstellen der Klassenlotterie" von der österreichischen Glücksspielmonopolverwaltung mit dem Vertrieb der Lose der Klassenlotterie betraut.
Die Beklagte übt den Handel mit Textilien, insbesondere mit Unterwäsche, aus. Im Rahmen ihrer Werbung veranstaltet sie auch Gewinnspiele, ohne für die Teilnahme daran Einsätze zu fordern. Im Oktober 1987 kündigte sie in einer Postwurfsendung, die zahlreichen Haushalten in ganz Österreich zuging, das von ihr veranstaltete "Große Bundesländer-Gewinnspiel" unter anderem wie folgt an:
"D***-Gewinnspiele
machen Freude!
Ohne Risiko, ohne Einsatz
Sie haben Spaß beim Mitspielen und
Chance auf Supergewinne!
Das ist eben der Unterschied Bei D***-Gewinnspielen
zu 'anderen Glücksspielen, haben Sie unbekümmerte
bei denen man leicht drauf- Freude, denn:
zahlen kann'.
Wieviel Unglück ist schon Sie riskieren keinen Ein-
durch Spielleidenschaft in satz,
den Casinos entstanden?
Wieviele Einsätze haben Sie alle Preise werden garan-
schon bei '6 aus 45' ver- tiert vergeben,
loren?
Wieviele Lose haben Sie schon sollten Sie auch gerade
bei der Klassenlotterie ge- keinen der Hauptpreise ge-
kauft? (Sogar der 'Verein für wonnen haben, so gibt es
Konsumenteninformation' ist oft reizende, kleinere
auf die angebliche 1:2-Ge- Preise, an denen Sie Ihre
winnchance hereingefallen.) Freude haben."
Unter Bezugnahme auf diese Werbeankündigung beantragen die Kläger - soweit für das vorliegende Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung Behauptungen zu verbieten, aus denen hervorgehe, daß die Klassenlotterie ein Glücksspiel sei, bei dem man "leicht draufzahlen" könne. Die beanstandete Werbeankündigung verstoße insbesondere gegen § 7 UWG: "Draufzahlen" bedeute nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen "rechts- oder sittenwidrigen Nachteil". Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich sei aber unrichtig, weil bei der Österreichischen Klassenlotterie im Hinblick auf den genauen Gewinnplan jedermann imstande sei, im vorhinein abzuschätzen, welche Beträge er anlegen wolle und wie hoch seine Gewinnchancen seien.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Ihre Werbeaussage sei erweislich wahr, weil die Tatsache, daß man bei allen Glücksspielen - sogar sehr leicht - "draufzahlen", d.h. seinen Einsatz verlieren könne, allgemein bekannt sei. "Draufzahlen" habe im allgemeinen Sprachgebrauch keinen festbestimmten, jedenfalls aber nicht den von den Klägern bezeichneten Begriffsinhalt.
Das Erstgericht verbot der Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites, Behauptungen wie "Das ist eben der Unterschied zu 'anderen Glücksspielen, bei denen man leicht draufzahlen kann', 'wieviele Lose haben Sie schon bei der Klassenlotterie gekauft? (Sogar der 'Verein für Konsumenteninformation' ist auf die angebliche 1:2-Gewinnchance hereingefallen.)", aufzustellen. Die noch in Rede stehende Werbeaussage der Beklagten verstoße als herabsetzende vergleichende Werbung gegen § 1 UWG. Die Beklagte habe durch die namentliche Nennung der Klassenlotterie auf die Leistungen der Klägerinnen Bezug genommen. "Draufzahlen" sei jedenfalls ein ausschließlich negativ besetzter Begriff, in welchem eine aggressive Tendenz zum Ausdruck komme. Niemand werde geschäftliche Kontakte aufnehmen, wenn er davon ausgehe, daß er dabei "draufzahlen" werde. Mit dieser Aussage werde eine Wertung vermittelt, die über die zweifellos richtige Sachinformation, daß der Teilnehmer an Glücksspielen seinen Einsatz sogar mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren werde, in einer Weise hinausgehe, daß sie das Sachlichkeitsgebot verletze und damit - ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt - sittenwidrig sei.
Das Rekursgericht wies den Antrag der Klägerinnen, der Beklagten Behauptungen zu verbieten, aus denen hervorgehe, daß die Klassenlotterie ein Glücksspiel sei, bei dem man "leicht draufzahlen" könne, ab; es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,--, übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck der Werbeankündigung der Beklagten hätten die angesprochenen Interessenten das umgangssprachliche Wort "draufzahlen" nicht anders verstehen können, als daß man bei Glücksspielen mit Einsatz nicht nur gewinnen, sondern auch verlieren könne; dies liege aber bei derartigen Glücksspielen in der Natur der Sache. Damit habe die Beklagte die Grenzen einer zulässigen vergleichenden Werbung nicht überschritten, sondern lediglich in sachlicher Weise die Gefahren entgeltlicher Glücksspiele dem von ihr beworbenen "völlig harmlosen" entgeltlichen Gewinnspiel gegenübergestellt.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes.
Die Beklagte beantragt, dem Rechtsmittel der Kläger nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig (§§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 502 Abs 4 Z 1, 528 Abs 2 ZPO) und auch berechtigt. Beide Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß die Beklagte mit ihrer Werbeankündigung die von ihr veranstalteten "D***-Gewinnspiele" mit "anderen Glücksspielen" verglichen hat, darunter durch den ausdrücklichen Hinweis auf Loskäufe bei der Klassenlotterie insbesondere auch mit dieser, in deren Losvertrieb die Kläger als "Geschäftsstellen der Klassenlotterie" eingebunden sind. Wer zu Werbezwecken Vergleiche zieht, muß aber dem angesprochenen Publikum alle wesentlichen Umstände mitteilen, die es in die Lage versetzen, sich ein objektives Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistung gegenüber den Leistungen der Mitbewerber zu bilden; beschränkt er sich statt dessen auf eine der objektiven Nachprüfung entzogene, meist mit Schlagworten operierende Pauschalabwertung der Konkurrenten, dann verläßt er damit den Boden einer sachlichen Aufklärung des Publikums und verstößt so - unabhängig davon, ob die beanstandete Gegenüberstellung der Wahrheit entspricht - gegen § 1 UWG (ÖBl. 1980, 95; ÖBl. 1984, 5 je mwN; 4 Ob 343/87; 4 Ob 30/88).
Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck ihrer Werbeankündigung hat
die Beklagte deutlich auf die Nachteile "anderer
Glücksspiele" - darunter auch der Klassenlotterie, deren Lose von
den Klägern vertrieben werden - hingewiesen und sie mit den von ihr
veranstalteten "D***-Gewinnspielen" verglichen. Sie hat dabei
unter anderem als entscheidenden Unterschied hervorgehoben, daß man
"bei anderen Glücksspielen ... leicht draufzahlen kann".
"Draufzahlen" bedeutet aber nach dem österreichischen Sprachgebrauch
"Schaden erleiden", auch im Sinne von "zum Handkuß kommen"
(Österreichisches Wörterbuch35, 147; Der große Duden
Bd. 8 - Sinn- und sachverwandte Wörter -, 186 unter dem Stichwort
"einbüßen"). Damit hat aber die Beklagte eine unsachliche
Pauschalabwertung sämtlicher "anderen Glücksspiele", insbesondere
auch der Klassenlotterie, vorgenommen, weil dem solcherart
angesprochenen Durchschnittsleser der Eindruck vermittelt wird, er
könne bei anderen Glücksspielen leicht Schaden erleiden. Mit Recht
hat das Erstgericht auch auf die aggressive Tendenz einer solchen
Werbeaussage verwiesen, weil dem Publikum auf diese Weise suggeriert
wird, es könne bei der Teilnahme an "anderen Glücksspielen",
insbesondere beim Kauf von Klassenlosen, leicht Schaden erleiden.
Gerade deshalb, weil es allgemein bekannt ist, daß bei Glücksspielen mit Einsätzen auch nichts gewonnen und damit der Einsatz "verspielt" werden kann, sind die von der Beklagten mit den Hinweisen "Ohne Risiko, ohne Einsatz" und "Sie riskieren keinen Einsatz" hervorgehobenen Vorzüge ihrer Gewinnspiele nicht geeignet, den vom Publikum gewonnenen Eindruck, beim Kauf von Klassenlosen könne man sonst auch in anderer - für den Durchschnittsleser nicht nachprüfbaren - Weise leicht einen Schaden erleiden, richtigzustellen. Darauf, daß die Beklagte selbst ihre Ankündigung vielleicht in diesem Sinne gemeint hat, kommt es nicht an, sondern nur darauf, wie der tatsächlich verwendete Wortlaut vom Verkehr aufgefaßt wird und welche Bedeutung ihm hier beigelegt wird; entscheidend ist die Auffassung eines nicht ganz unerheblichen Teiles jener Kreise, an die sich die Ankündigung wendet (ÖBl. 1986, 68 mwN).
Die Beklagte hat somit durch die beanstandete Werbebehauptung im Rahmen ihrer vergleichenden Bezugnahme auf die Leistungen der beiden Kläger das Sachlichkeitsgebot verletzt, was mangels eines besonderen rechtfertigenden Grundes für eine solche Vorgangsweise (vgl. dazu ÖBl. 1986, 42; ÖBl. 1988, 6) ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, daß die Kläger die Werbebehauptung in ihrem Antragsvorbringen ausdrücklich als unrichtig bezeichnet haben, war doch ihr Sicherungsantrag jedenfalls nicht auf eine solche Unrichtigkeit beschränkt worden.
Demgemäß war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Ausspruch über die Kosten der Kläger gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50 ZPO.
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