OGH 10ObS236/88

OGH10ObS236/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler und Norbert Kunc als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine P***, Rathausstraße 46, 4310 Mauthausen, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***

(Landesstelle Linz), Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Mai 1988, GZ 12 Rs 53/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27. Jänner 1988, GZ 15 Cgs 1103/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Anläßlich der Ehescheidung wurde zwischen der Klägerin und ihrem damaligen Gatten Josef P*** in einem gerichtlichen Vergleich am 1.6.1959 vereinbart, daß Josef P*** ihr einen Unterhaltsbetrag von 600 S zu bezahlen habe. Bei der Unterhaltsberechnung sollte eigenes Arbeitseinkommen der Klägerin unberücksichtigt bleiben. Dieser Unterhaltsleistung lag ein monatliches Nettoeinkommen des Gatten der Klägerin von 1.900 S sowie dessen Sorgepflicht für zwei eheliche Kinder im Betrag von je 150 S monatlich zugrunde. Josef P*** bezahlte etwa 10 Jahre hindurch den Unterhaltsbetrag von 600 S monatlich an die Klägerin. Als er mit den Unterhaltszahlungen in Verzug geriet, schaltete die Klägerin einen Rechtsanwalt ein. Um weitere Anwaltskosten in der Folge nicht entstehen zu lassen, schlug Josef P*** der Klägerin vor, etwaige Unterhaltserhöhungen direkt im Gütlichen zu vereinbaren. Es erfolgten dann einige Erhöhungen, die jeweils zwischen den beiden geschiedenen Ehegatten mündlich vereinbart wurden. Solche Vereinbarungen wurden meist anläßlich von Besuchen Josef P*** bei seiner Mutter Maria R*** in Mauthausen getroffen. Im Jahre 1982 war ein Unterhaltsbetrag von 2.500 S zu leisten. Nach dem Tod der zweiten Gattin Josef P*** (1982 oder 1983) vereinbarte dieser mit der Klägerin in der Wohnung seiner Mutter in Mauthausen die Erhöhung des Unterhaltsbetrages auf monatlich 3.000 S. Josef P*** verfügte im Jahr 1985 über Pensionseinkünfte von monatlich 10.700,-- S. Den Unterhaltsbetrag von 3.000 S monatlich erhielt die Klägerin bis zum Tod ihres geschiedenen Gatten im August 1986. Die Bezahlung erfolgte jeweils in der Form, daß die Klägerin das Geld von ihrer Schwiegermutter Maria R*** erhielt, die ihrerseits das Geld von ihrem Sohn Josef P*** bekam. Die Klägerin war in der Verwendung des Unterhalts völlig frei. Josef P*** wollte auch, daß die Klägerin die gemeinsamen Kinder besser unterstützen könne. Er machte jedoch keinerlei Auflagen, ob und wieviel sie aus dem von ihm bezahlten Unterhalt an die Kinder (Geburtsjahrgänge 1948 und 1949) weiterzugeben hatte. Josef P*** hatte auch in Deutschland Pensionsversicherungszeiten erworben und die Klägerin erhält neben der österreichischen Teilleistung auch eine Pension aus der Bundesrepublik Deutschland.

Die beklagte Partei erkannte der Klägerin eine Witwenpension von 222 S zu.

Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei zur Leistung einer Witwenpension im Betrag von 1.110 S zu verpflichten. Die Bemessung der Pension sei ausgehend von der zwischen ihr und dem verstorbenen Josef P*** im Jahr 1982 getroffenen Vereinbarung vorzunehmen, derzufolge Josef P*** die Verpflichtung zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 3.000 S übernommen hatte. Ausgehend von einer Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen in dieser Höhe errechne sich die Witwenpension unter Berücksichtigung des zwischenstaatlichen Kürzungsfaktors in der begehrten Höhe. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Berechnung der Pension habe ausgehend vom Inhalt des anläßlich der Scheidung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches zu erfolgen. Auf dieser Grundlage bestehe ein die zuerkannte Höhe übersteigender Witwenpensionsanspruch nicht.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Die Unterhaltsvereinbarung vom Jahr 1982 stelle keine freiwillige Leistung oder Gefälligkeitsleistung des geschiedenen Gatten dar. Aus dem anläßlich der Ehescheidung getroffenen Unterhaltsvergleich sowie bei Bedachtnahme auf den Wegfall der Sorgepflichten ergebe sich, daß die Klägerin Anspruch auf 39,5 % des Einkommens ihres Gatten gehabt habe. Bei diesem Einkommen würde sich unter Berücksichtigung des Einkommens Josef P*** ein Unterhaltsbeitrag von 4.200 S ergeben. Der Umstand, daß die Klägerin den Unterhalt auch zur Unterstützung der Kinder erhalten habe, stelle bloß ein Motiv für den geschiedenen Gatten dar, den Unterhalt freiwillig zu erhöhen. Am Charakter der Leistung als vertraglichem Unterhalt ändere sich dadurch nichts.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Bei Berechnung der Höhe der Witwenpension nach § 258 Abs 4 ASVG sei eine Abänderung einer Unterhaltsvereinbarung auch ohne Einhaltung einer besonderen Form zulässig. Unbeachtlich wäre eine solche Vereinbarung nur dann, wenn mit ihr eine Leistung übernommen worden wäre, die die Grundlagen des seinerzeitigen Vergleiches übersteige. Dies treffe hier nicht zu. Die zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Josef P*** getroffene Vereinbarung über die Leistung eines Unterhaltsbetrages von 3.000 S sei daher gemäß § 264 Abs 4 ASVG beachtlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 258 Abs 4 ASVG gebührt die Witwenpension nach Maßgabe der Abs 2 und 3 dieser Bestimmung auch der Frau bzw. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, und zwar sofern und solange die Frau (der Mann) nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Diese Bestimmung legt die grundsätzlichen Voraussetzungen fest, unter denen dem geschiedenen Gatten ein Anspruch auf Witwenpension zusteht. Die Regelung über die Höhe einer derartigen Pensionsleistung sind im § 264 Abs 4 ASVG enthalten. Nach dieser Bestimmung darf die Witwen-(Witwer-)Pension nach § 258 Abs 4 den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalls für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 c) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs 3 gebührenden Witwen-(Witwer-)Rente sowie die der hinterlassenen Witwe (dem hinterlassenen Witwer) aus demselben Versicherungsfall gebührende Witwen-(Witwer-)Pension nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhaltes (Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. Aus dem letzten Satz des § 264 Abs 4 ASVG ergibt sich deutlich, daß der Gesetzgeber der Ermittlung der Begrenzung der Witwenpension der Höhe nach nicht ausschließlich im Sinn des § 258 Abs 4 ASVG qualifiziert titulierte Beträge zugrunde legen wollte; ansonsten käme dem Wort "Vereinbarung" im letzten Satz dieser Bestimmung keinerlei Sinn zu.

§ 264 Abs 4 letzter Satz ASVG behandelt ausschließlich die Änderungen einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung. Dies hat zur Voraussetzung, daß (nach Scheidung der Ehe) zuvor bereits eine Unterhaltsverpflichtung bestanden hat. Gemäß § 258 Abs 4 ASVG kommt jedoch einer nicht in Form eines gerichtlichen Vergleiches geschlossenen Vereinbarung nur dann Relevanz zu, wenn sie vor Scheidung der Ehe getroffen wurde. Daraus, daß die Berücksichtigung von Vereinbarungen über die Erhöhung einer bereits bestehenden, in der qualifizierten Form des § 258 Abs 4 ASVG festgelegten Unterhaltsverpflichtung vom Gesetzgeber nur für den Fall ausgeschlossen wird, daß seit dem Abschluß des Vertrages bis zum Tod des Unterhaltsverpflichteten nicht mehr als ein Jahr vergangen ist, ergibt sich, daß auf außerhalb dieses Zeitraumes getroffene vertragliche Vereinbarungen über die Erhöhung einer bereits zuvor in der im § 258 Abs 4 ASVG geforderten qualifizierten Form bestehenden Unterhaltsfestsetzung bei Ermittlung der Höhe der Witwenpension gemäß § 264 Abs 4 ASVG Bedacht zu nehmen ist. Der Rechtsansicht der beklagten Partei, die ihrer Argumentation ausschließlich die Bestimmung des § 258 Abs 4 ASVG zugrundelegt, kann daher nicht beigetreten werden. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer spekulativen Ausnützung geht im vorliegenden Fall schon deshalb fehl, weil die Höhe des nach der festgestellten Vereinbarung zu leistenden Unterhaltes unter Berücksichtigung der seit Abschluß des gerichtlichen Vergleiches eingetretenen Änderungen der Einkommensverhältnisse Josef P*** - ein Einkommen der Klägerin sollte nach dem Inhalt des seinerzeitigen Vergleichs außer Betracht bleiben - die dem Vergleich vom 1.6.1959 zugrunde liegende Relation zwischen Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsleistung nicht überstieg.

Soweit die beklagte Partei die Ansicht vertritt, der Betrag von 3.000 S sei nicht zur Gänze dem Unterhalt der Klägerin zuzuordnen, weil darin Unterhaltsbeträge für die Kinder enthalten seien, geht sie nicht von den Feststellungen aus. Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen zugrunde, daß zwar ein Motiv für die Übernahme der Unterhaltsverpflichtung in der festgestellten Höhe durch Josef P*** gewesen sei, daß die Klägerin die Kinder besser unterstützen könne, sie aber in der Verwendung der Unterhaltsbeträge völlig frei gewesen sei und ihr Auflagen über die Weitergabe von Beträgen an die Kinder nicht erteilt worden seien. Damit übernahm Josef P*** jedenfalls eine Unterhaltsverpflichtung

ausschließlich für die Klägerin. Die Kinder (Jahrgang 1948 und 1949) waren nach den Verfahrensergebnissen im Zeitpunkt der Vereinbarung längst selbsterhaltungsfähig. Dafür, daß die Klägerin bei der mit Josef P*** geschlossenen Vereinbarung auch als Einhebungskurator für unterhaltspflichtige Kinder aufgetreten wäre, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten nicht verzeichnet wurden.

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