Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 17.6.1978 vor dem Standesamt Hollabrunn die beiderseits erste Ehe geschlossen. Sie sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer Wohnort war Wien. Durch diese Ehe wurde die am 31.5.1976 geborene Tochter Sonja legitimiert; der Ehe entstammt der am 30.5.1981 geborene mj.Alexander G***. Mit der am 23.9.1986 erhobenen Klage begehrte die Ehefrau die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden ihres Mannes. Dieser habe durch Mißhandlungen und Beschimpfungen ihr gegenüber die Ehe tiefgreifend und unheilbar zerrüttet.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Feststellung des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin an der Ehezerrüttung. Die Klägerin sei ein ehebrecherisches Verhältnis zu Anton Z*** eingegangen. Z*** wohne in der ehelichen Wohnung, aus der er ausgesperrt worden sei.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen:
Bereits seit dem Jahr 1979 kam es zwischen den Streitteilen im Zuge des ehelichen Zusammenlebens häufig zu Auseinandersetzungen. Im Jahr 1985 zogen die Streitteile in die jetzige eheliche Wohnung in Wien 19., Radelmayergasse 10/6/1. Seit dieser Zeit verhielt sich der Beklagte besonders aufbrausend und aggressiv. Er fing oft auch aus Nichtigkeiten im ehelichen Zusammenleben an, mit der Klägerin zu schreien und sie sowie die Kinder lautstark zu beschimpfen. Im Rahmen solcher Auseinandersetzungen kam es auch wiederholt zu Tätlichkeiten und zumindest einmal zu einer Mißhandlung der Klägerin durch den Beklagten. Wegen der ständigen Drohungen und des aggressiven Verhaltens des Beklagten wurden die beiden Kinder zunehmend verängstigt und verschreckt. So fragten sie aus Angst vor dem Beklagten die Klägerin insbesondere seit Sommer 1986 wiederholt, ob der Beklagte ohnedies nicht zu Hause sei und ob er ohnedies spät heimkomme. Vor allem Sonja benahm sich verstört und nahm nervöse Verhaltensweisen an. Im Sommer 1986 lernte die Klägerin Anton Z*** kennen. Zu dieser Zeit besuchte sie einmal ohne Wissen ihres Mannes ein Tanzlokal, wobei sie damals erst spät in der Nacht nach Hause kam. Zu dieser Zeit hatte sie mit Z*** ein intimes Verhältnis. Unter dem Einfluß der Bekanntschaft mit Z*** entschloß sich die Klägerin, die Scheidungsklage einzubringen. Hierauf zog die Klägerin mit den Kindern für etwa eine Woche zu ihrer Schwester Andrea A***. Ende September 1986 wurde die Klägerin mit Anton Z*** in der Nähe des Wohnhauses ihrer Schwester vom Beklagten beobachtet, wie die beiden einander küßten. Zunächst lehnte die Klägerin es ab, in die Ehewohnung zurückzukehren und mit dem Beklagten über die Vorfälle zu sprechen. Etwa eine Woche nach Einbringung der Scheidungsklage zog der Beklagte zu seiner Schwester, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, einige Tage allein mit den Kindern in der Ehewohnung zu leben und sich zu beruhigen. Da die Klägerin in der Folge das Schloß der Wohnung änderte, wurde der Beklagte aus dieser ausgesperrt. Bei Versuchen, sich aus der Wohnung Sachen zu holen, die er benötigte, kam es meist zu Auseinandersetzungen mit Z***, der zwischenzeitig in die Ehewohnung gezogen war. Aufgrund des rechtskräftigen Versäumungsendbeschlusses des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Oktober 1986, 2 C 31/86, ist die Klägerin verpflichtet, die Schlüssel zur Ehewohnung dem Beklagten herauszugeben. Exekutionsmaßnahmen blieben jedoch erfolglos, weil die Klägerin, nachdem ihr die Schlüssel vom Vollstrecker abgenommen worden waren, das Schloß neuerlich ändern ließ. Seit Weihnachten 1986 kam es immer wieder zu Vorfällen, bei welchen der Beklagte versuchte, sich zur Wohnung Zutritt zu verschaffen. Dabei randalierte er wiederholt, weshalb auch die Polizei mehrmals intervenieren mußte. Um Weihnachten 1986 sperrte er die Klägerin auch einmal in den Keller, bis sie von Z*** befreit wurde. Am 26.Jänner 1987 lauerte der Beklagte der Klägerin im Stiegenhaus auf, zerrte sie aus dem Aufzug und würgte sie. Ende Februar 1987 zerstörte er das Türschloß der Wohnung, worauf er von der Polizei vorläufig festgenommen wurde. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung vom 25.Juni 1987 aufgetragen, die eheliche Wohnung nicht mehr zu betreten und sich dort nicht mehr aufzuhalten. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 6.März 1987, 2 P 206/86, wurden die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten der Klägerin zugewiesen und es wurde dem Beklagten das Besuchsrecht den beiden Kindern gegenüber aberkannt. Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, daß der Beklagte durch die Beschimpfungen und Mißhandlungen der Klägerin zur Ehezerrüttung beigetragen habe, die Eheverfehlungen der Klägerin, die durch Eingehen eines ehebrecherischen Verhältnisses die Ehe endgültig unheilbar zerrüttet habe, aber erheblich schwerer wägen. Es sei daher das überwiegende Verschulden der Klägerin auszusprechen gewesen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes, das in Ansehung des Ausspruches der Scheidung aus einem Verschulden des Beklagten in Rechtskraft erwachsen war, im Verschuldensausspruch dahin ab, daß es die Ehe aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden der Parteien schied. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung, erachtete jedoch die Rechtsrüge der Klägerin als teilweise berechtigt. Eine Ehe sei dann unheilbar zerrüttet, wenn das Bewußtsein der Gemeinsamkeit, das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Ehegatten infolge der Eheverfehlung erloschen und nicht zu erwarten sei, daß dieses Gemeinsamkeitsgefühl wieder entstehe. Die begangene Eheverfehlung müsse für die Zerstörung kausal gewesen sein. Mit ihrer Begehung müsse das Sich-Auseinanderleben der Ehegatten begonnen haben. Nicht erforderlich sei, daß die Eheverfehlung die einzige Ursache der Zerrüttung sei. Grundsätzlich genüge, daß der klagende Ehegatte die Ehegesinnung verloren habe (vgl. EFSlg 51.602 f). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sei es unzweifelhaft, daß die Ehe der Streitteile durch die begangenen Eheverfehlungen unheilbar zerrüttet sei; zu beurteilen sei nur, wie die einzelnen Eheverfehlungen zu gewichten seien. Dabei sei vor allem darauf Bedacht zu nehmen, welcher Ehegatte die Zerrüttung der Ehe schuldhaft eingeleitet habe und wie weit spätere Eheverfehlungen des anderen Ehegatten diese Zerrüttung letztlich herbeigeführt hätten oder Folge der bereits durch das Verschulden des anderen Ehegatten heraufbeschworenen Zerrüttung der Ehe gewesen seien (vgl. EFSlg 51.645 ff). Der Beklagte habe die Zerstörung der Ehe durch sein schuldhaftes Verhalten zwar eingeleitet; der endgültige Verlust der Ehegesinnung sei bei der Klägerin aber erst mit der Aufnahme eines ehebrecherischen Verhältnisses zu Z*** eingetreten. Dies ergebe sich daraus, daß sie trotz der schon länger anhaltenden Auseinandersetzungen mit dem Beklagten immer noch an der Ehe festgehalten und sich erst nach der Bekanntschaft zu Z*** entschlossen habe, eine Scheidungsklage zu erheben. Der Klägerin sei damit nicht der Beweis gelungen, daß sie bereits vor dem Sommer 1986 aufgrund der Eheverfehlungen des Beklagten nicht mehr gewillt gewesen wäre, mit ihm die Ehe fortzusetzen, sei es, daß sie ausdrücklich oder durch ein entsprechendes Verhalten dem Beklagten bedeutet hätte, daß sie durch seine schweren Eheverfehlungen so tief verletzt sei, daß von ihr nicht mehr das Gemeinschaftkeitsgefühl aufgebracht werden könne, das zur Fortsetzung einer Ehe unerläßlich sei. Die Aufnahme einer ehewidrigen Bekanntschaft zu Z*** sei in keinen direkten Zusammenhang mit den Eheverfehlungen des Beklagten zu bringen; damit habe die Klägerin ihre bis dahin geduldige Haltung gegenüber dem Beklagten ohne dessen (weiteres) Zutun aus eigenem in eine ehezerstörende geändert. Sie habe damit ihrerseits eine schwere Eheverfehlung begangen. Allerdings komme dem Verhalten der Klägerin in Abwägung zu den Verfehlungen des Beklagten nicht das vom Erstgericht zugemessene Gewicht zu. Die Eheverfehlungen des Beklagten seien schwer und lang andauernd gewesen. Daß die Klägerin in ihrer Geduld bzw. Hoffnung, mit dem Beklagten doch noch gedeihlich zusammenleben zu können, schwer enttäuscht worden sei, mindere den Grad der ihr anzulastenden Eheverfehlung beträchtlich. Überwiegendes Verschulden eines Ehegatten liege nur dann vor, wenn die Schuld des einen erheblich schwerer sei und das Verschulden des anderen dagegen fast völlig in den Hintergrund trete, der Unterschied müsse daher offenkundig hervortreten (vgl. EFSlg 51.658 ff). Zwischen den vom Beklagten durch Jahre hindurch angezettelten Streitereien, den Drohungen und den Tätlichkeiten gegenüber der Klägerin sowie der dadurch verursachten Verängstigung der Kinder und dem Entschluß der Klägerin, ein gemeinsames Leben mit einem anderen Mann zu beginnen, könne kein gradueller Unterschied erblickt werden. Dem Berufungsgericht erscheine daher der Ausspruch eines beiderseitigen gleichteiligen Verschuldens gerechtfertigt. Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz in seinem Verschuldensausspruch richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 5 ZPO), aber nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt nach Wiedergabe des festgestellten ehewidrigen Verhaltens der Klägerin den Standpunkt, das Berufungsgericht hätte die Ehe - wie das Erstgericht - aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin scheiden müssen. Es habe wohl schon vor Einbringung der Scheidungsklage eine gewisse Entfremdung zwischen ihm und seiner Frau bestanden, das Berufungsgericht habe aber selbst hervorgehoben, daß der endgültige Verlust der Ehegesinnung bei der Klägerin erst mit der Aufnahme ihres ehebrecherischen Verhältnisses zu Z*** eingetreten sei. Er habe sogar nach Einbringung der Klage versucht, die Ehe zu retten. Da die Klägerin bis zum Beginn ihres ehebrecherischen Verhältnisses zu Z*** an der Ehe festgehalten habe und die Klägerin ihre Ehegesinnung erst aufgrund ihrer Beziehung zu Z*** verloren habe, sei die relevante kausale Eheverfehlung für die endgültige Zerrüttung der Ehe ausschließlich von seiner Frau gesetzt worden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung treffe daher sie das überwiegende Verschulden. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Insoweit der Revisionswerber mit diesen Ausführungen darzulegen versucht, sein von den Vorinstanzen festgestelltes Verhalten der Frau und den Kindern gegenüber in der Zeit bis zur Einbringung der Scheidungsklage sei für die Zerrüttung der Ehe nicht ursächlich gewesen, übersieht er, daß es hier nicht mehr um die Frage geht, ob die Ehe auch aus seinem Verschulden zu scheiden ist, sondern nur darum, ob die Klägerin das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft oder die Scheidung aus dem gleichteiligen Verschulden beider Teile auszusprechen war. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß bei der Verschuldensabwägung die schweren Eheverfehlungen beider Eheteile in ihrer Gesamtheit einander gegenüberzustellen sind (EFSlg 43.685, 48.817 uva) und ein überwiegendes Verschulden eines Teiles nur dann ausgesprochen werden darf, wenn - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - die Schuld des einen Gatten erheblich schwerer ist und jene des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg 43.692, 48.832, 51.658 uva). Dem Beklagten ist wohl beizupflichten, daß es sich bei Eingehung eines ehebrecherischen Verhältnisses um ein besonders schweres Fehlverhalten eines Ehegatten handelt, hier darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß es der Beklagte war, der durch sein ehewidriges Verhalten viele Jahre hindurch die ehelichen Beziehungen schwer belastet und damit sogar psychische Fehlentwicklungen der Kinder verursacht hat. Da somit der Beklagte den ersten Anstoß zur Zerrüttung der Ehe gegeben hat, das ehewidrige Verhalten der Klägerin erst kurz vor Beginn des Scheidungsprozesses gesetzt wurde und den nach Eintritt der unheilbaren Ehezerrüttung begangenen Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Bedeutung mehr zukommt (EFSlg 46.237, 48.829, 51.653 ua), kann nicht gesagt werden, daß der Unterschied des beiderseitigen Verschuldens der Streitteile offenkundig (EFSlg 46.244, 48.833, 51.659 ua) oder augenscheinlich (EFSlg 43.691, 48.834, 51.660 ua) hervorgetreten ist. Da der Gesetzgeber dem Richter auch nicht die Pflicht auferlegt, über das Verschuldensausmaß der beiden Eheteile subtile Abwägungen vorzunehmen (vgl. Schwind2 251; EFSlg 51.662; 5 Ob 565/87) und nur ein sehr erheblicher gradueller Unterschied des beiderseitigen Verschuldens den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens an der Scheidung rechtfertigt (EFSlg 46.245, 48.835, 51.661 ua), entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes der Sach- und Rechtslage.
Der Revision konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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