OGH 3Ob75/88

OGH3Ob75/885.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert R***, Kaufmann, Wien 18, Währinger Straße 161, vertreten durch Dr. Karlheinz Kux ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M*** Ton- und Bildträger, Vertriebsgesellschaft m.b.H., Wien 21, Matthias-Ernst-Pista-Gasse 46, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 2.März 1988, GZ R 96/88-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 31.Juli 1987, GZ 1 C 240/86-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.263,36 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 205,76 S Umsatzsteuer) und die mit 4.219,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 247,20 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu E 2062/86 und E 2090/86 des Erstgerichtes wurden zur PZ 1 des Pfändungsprotokolles E 1029/86 zugunsten der beklagten Partei 152 Video-Kassetten (bespielte Bänder) gepfändet.

Die klagende Partei erhob gegen diese Exekution Widerspruch gemäß § 37 EO mit der Begründung, an den von ihr gelieferten Video-Kassetten bestehe Vorbehaltseigentum.

Die beklagte Partei (das Verfahren gegen die weiteren beklagten Parteien ist beendet oder ruht) beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Einwendung, die Pfandgegenstände seien nicht hinreichend deutlich bezeichnet und es handle sich um sogenannte Raubkopien, sodaß wegen Verletzung des Urheberrechtsgesetzes ein nichtiger Erwerbsvorgang vorliege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei.

Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Alle 152 Videokassetten wurden der verpflichteten Partei Maria A*** von der klagenden Partei gegen Eigentumsvorbehalt verkauft und übergeben und sind noch unbezahlt. Die klagende Partei ihrerseits hatte diese Kassetten von den Firmen "D*** V***" und "V***-R***" in Salzburg gekauft.

Bei der Pfändung wurden die entsprechenden Titel der Videofilme nicht festgehalten, die Kassetten sind numeriert und haben unterschiedliche Preise. Zum Zeitpunkt der Pfändung befanden sich am Ort der Pfändungsvornahme nur Kassetten der klagenden Partei. Die verpflichtete Partei hatte allerdings an anderer Stelle auch Kassetten aus anderen Lieferungen und bezog in der Folge auch Kassetten von anderen Firmen. Diese nicht von der strittigen Pfändung erfaßten Kassetten könnten anhand einer Liste von der verpflichteten Partei abgesondert werden.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß diese Umschreibung der Kassetten ausreichend bestimmt sei. Eine Urheberrechtsverletzung könnte nur der Urheber geltend machen. Die beklagte Partei habe nicht behauptet Urheber zu sein.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Widerspruchsklage mangels Bestimmtheit abgewiesen werden müsse. Die einzelnen Kassetten hätten durch Angabe des Videosystems, des Herstellers und des Titels identifiziert werden müssen, um sie von anderen Kassetten unterscheiden zu können, was nicht geschehen sei. Eine nur unter Mitwirkung eines Dritten (verpflichtete Partei) gegebene Bestimmbarkeit reiche nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist trotz des Umstandes, daß die von der beklagten Partei betriebenen Forderungen jeweils den Betrag von 15.000 S nicht übersteigen, zulässig, weil es nach neuerer Ansicht entgegen dem Jud 242 nicht auf den Betrag der betriebenen Forderung ankommt (Heller-Berger-Stix 475, 3 Ob 71-75/84, 3 Ob 26,44,45/86). Die Bewertung der exszindierten Pfandgegenstände mit einem 15.000 S übersteigenden Gesamtbetrag ist iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN unbedenklich, weil alle gepfändeten Videokassetten nach den unwidersprochenen Behauptungen der klagenden Partei durch einen einzigen Kaufvertrag und Erwerbsvorgang ins Eigentum der klagenden Partei gelangten.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Bestimmtheit des Begehrens sind zwar nicht unzutreffend. Im vorliegenden Fall mangelt es aber nicht an dieser Bestimmtheit. Die Exszindierungsklage bezieht sich auf alle am 8.7.1986 (Tag der Pfändungsvornahme) vorhandenen 152 Videokassetten, die alle von der klagenden Partei geliefert worden waren. Sie stehen im Eigentum der klagenden Partei, und die beklagte Partei ist daher nicht berechtigt, auf diese Gegenstände zu greifen. Weitere Pfandgegenstände stehen der beklagten Partei derzeit nicht zur Verfügung. Die mangelnde Beschreibung der zu PZ 1 gepfändeten Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher kann dem Exszindierungskläger nicht schaden. Im Falle einer neuerlichen Pfändung von Kassetten ist freilich darauf zu achten, daß dann eine Unterscheidung zwischen den schon am 8.7.1986 zu Unrecht gepfändeten und allen übrigen Kassetten getroffen wird. In diesem Verfahren ist aber eine nähere Individualisierung entbehrlich.

Ein strengerer Maßstab wäre nur erforderlich, wenn auf Grund des vorliegenden Urteiles etwa eine Exekution auf Herausgabe stattzufinden hätte. Da dies aber nicht der Fall ist, reicht die Beschreibung der Pfandgegenstände aus. Es kann nicht Sache der betreibenden Partei sein, auf eine nähere Präzisierung der Gegenstände zu dringen, die die verpflichtete Partei vielleicht der klagenden Partei zu übergeben haben wird, wenn feststeht, daß ihr selbst keine Pfandrechte zustehen, weil zum Zeitpunkt der Pfändungsvornahme keine im Eigentum der verpflichteten Partei stehenden Gegenstände vorgefunden wurden.

Mit Recht hat auch das Erstgericht schon erkannt, daß eine Verletzung des Urheberrechtes nur durch den Urheber oder den in einem Ausschließungsrecht Verletzten begehrt werden könnte (§§ 16 ff, 81 ff UrhG, auch Koziol-Welser8 I, 76 spricht entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin von einem Persönlichkeitsrecht). Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO Bemessungsgrundlage 20.864,88 S gemäß dem in der Klage für die verbliebene viertbeklagte Partei angegebenen Streitwert; 25.499,60 S wäre die nicht maßgebliche Summe der betriebenen Forderungen mit Zinsen und Kosten).

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