Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Friedrich H*** wurde des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 StGB schuldig erkannt, weil er in seinem am 13.Februar 1987 an die Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland gerichteten Schreiben fälschlich dem Rechtsanwalt Dr. Helmut S*** vorgeworfen hat, in einem Verlassenschaftsprozeß dem Gericht ein Testament vorgelegt zu haben, im Wissen, daß das genannte Schriftstück "nicht ganz echt ist".
Rechtliche Beurteilung
Schon der Rechtsrüge des Angeklagten (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) kommt Berechtigung zu, soweit sie sich auf den im angefochtenen Urteil festgestellten (vgl. S 148) Umstand beruft, daß der der wissentlichen Vorlage eines falschen Testamentes bezichtigte Rechtsanwalt Dr. Helmut S*** nur bis zum 1.Dezember 1986 als Rechtsanwalt tätig war (auch S 6) und sohin zur Tatzeit nicht mehr einer standesrechtlichen Disziplinargewalt unterstand. Hinsichtlich des zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 297 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatzes, den falsch Verdächtigten der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, nahm das Erstgericht nur als erwiesen an, daß der Angeklagte mit seinem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer erreichen wollte, daß "zumindest standesrechtliche Schritte gegen Dr. S*** ergriffen werden" (S 150). Nach dem Urteilsinhalt hatte das Erstgericht (S 152) als die vom Angeklagten angestrebte behördliche Verfolgungsmaßnahme nur standesrechtliche (disziplinäre) Schritte gegen Dr. Helmut S*** durch dessen Standesvertretung im Auge. Da aber Dr. S*** zur Tatzeit (ersichtlich infolge eines bereits mit 1. Dezember 1986 wirksam gewordenen Verzichtes auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft; vgl. § 34 Abs. 1 lit. d RAO) nicht mehr Rechtsanwalt war, war auch das Disziplinarstatut (RGBl. Nr. 40/1872) auf ihn nicht mehr anwendbar (§§ 1 Abs. 1; 2 des Disziplinarstatutes). Dr. S*** unterstand somit zur Tatzeit nicht mehr der Aufsichts- und Disziplinargewalt einer Rechtsanwaltskammer bzw. des bei einer Rechtsanwaltskammer bestellten Disziplinarrates (Bkd 38/77, 46/77, 39/78 = Anw.Bl. 1979 S 414). Die Gefahr einer (standes-)behördlichen Verfolgung des Dr. S*** wegen Verletzung einer Berufspflicht hat sohin im Tatzeitpunkt nicht mehr bestanden (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 9 zu § 297 StGB). Im Ersturteil fehlen jedoch Feststellungen darüber, ob der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten auch eine mit seinem Schreiben verbundene (konkrete) Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung des Dr. S*** (wegen Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB) mitumfaßt hatte. Feststellungen darüber wären im vorliegenden Fall umsomehr geboten gewesen, als sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung damit verantwortet hatte (vgl. S 51 und 142 dA), er habe sich mit seinem Schreiben bei der Rechtsanwaltskammer nur über Dr. S*** beschweren, ihn aber nicht anzeigen (und solcherart auch einer strafgerichtlichen Verfolgung zuführen) wollen. Im Hinblick auf diesen, Urteilsnichtigkeit nach der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden Feststellungsmangel des Ersturteils ist eine Urteilsaufhebung und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde ohne weitere Erörterung der sonstigen Beschwerdeausführungen bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO Folge zu geben war.
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