OGH 15Os119/88

OGH15Os119/884.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon. Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anthony S*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20.Juli 1988, GZ 3 a Vr 217/88-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt an das Oberlandesgericht Graz übermittelt (§ 285 i StPO nF).

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anthony S*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 6.Dezember 1987 in Eibiswald Peter K*** durch einen Faustschlag ins Gesicht, wodurch der Genannte rücklings stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Asphaltboden aufprallte, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, und zwar ein schweres Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades mit einem Schädelbasisbruch, einem Hirnprellungsherd im Bereich des Stirnhirns und einer Blutung unter die harte Hirnhaut im Bereich eines Scheitel- und Schläfenlappens, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 a und Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen wurde der um einen halben Kopf größere und wesentlich kräftigere Beschwerdeführer von dem erkanntermaßen zumindest leicht alkoholisierten K*** angestänkert, an der Oberkleidung erfaßt und etwa einen halben Meter weit zurückgedrängt; daraufhin versetzte er dem Genannten, ohne daß letzterer ihn bedroht oder Anstalten dazu getroffen hätte, ihn tätlich anzugreifen, den inkriminierten heftigen Faustschlag ins Gesicht, der die zuvor beschriebenen Folgen nach sich zog. Zur subjektiven Tatseite nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß der Angeklagte ein Zuschlagen durch seinen Gegner nicht befürchtete und dementsprechend auch nicht durch Angst dazu motiviert wurde, seinerseits zuzuschlagen, sowie ferner, daß er einen daraus resultierenden Verletzungserfolg ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.

Gegen die Richtigkeit der damit dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben sich nach sorgfältiger Prüfung aller mit dem eingangs relevierten Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) vorgebrachten Argumente - mit denen der (Notwehr oder immerhin Putativnotwehr reklamierende) Beschwerdeführer aus den Akten abzuleiten trachtet, daß er dementgegen doch mit weiteren Tätlichkeiten durch K*** habe rechnen müssen und daß er sich mit dem seiner Auffassung nach "an sich nicht starken" Schlag nur aus einer Situation habe befreien wollen, in der er, mit dem Rücken zu einem PKW stehend, nicht mehr habe ausweichen können - keineswegs erhebliche Bedenken. Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) aber entbehrt in Ansehung konkret aktueller Erfolgsprämissen insofern einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, als sie nicht - wie hiezu vorauszusetzen wäre - auf den gesamten maßgebenden Urteilssachverhalt abgestellt ist. Denn in bezug aufstetne körperliche Integrität macht der Angeklagte mit dem Einwand, er habe sich in einer "bedrohlichen" Situation befunden und demzufolge bedroht gefühlt, der Sache nach gar keine - nach dem effektiven Geschehen zu beurteilende (vgl RZ 1984/71 ua) und deshalb angesichts der Konstatierung, daß das Tatopfer keine Anstalten traf, ihn tätlich anzugreifen, rechtsrichtig nicht angenommene - wirkliche Notwehr-Situation (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB) geltend, sondern bloß Putativnotwehr (§ 8 StGB): dabei übergeht er jene ausdrückliche Urteilsfeststellung, wonach er einer dahingehenden Fehleinschätzung nicht unterlag; der darauf bezogene Einwand indessen, er sei doch von K***, der sein Verhalten nicht geändert habe, immer mehr gegen den PKW zurückgedrängt worden, ist urteilsfremd (und mangels jeglicher Bezugnahme auf derartige Verfahrensergebnisse auch nicht als Mängelrüge zu verstehen).

In Ansehung eines mit dem Verhalten des später Verletzten allenfalls verbundenen - inhaltlich zudem

reklamierten - gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf seine Freiheit allerdings ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, daß das Schöffengericht darüber und über seine (die Annahme seines bedingten Verletzungsvorsatzes nicht in Frage stellende) Verantwortung, er habe sich mit dem inkriminierten Faustschlag "nur" befreien wollen, keine zur rechtlichen Beurteilung ausreichenden Konstatierungen getroffen hat; auch in diese Richtung hin ist die Rüge jedoch letzten Endes nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil er sich mit dem - nicht etwa auf die Kausalität der Tathandlung für die Verletzungsfolge oder auf den Adäquanzzusammenhang (als Zurechnungs-Prämisse), die im gegebenen Fall auf der Hand liegen, sondern - auf die konkrete Heftigkeit dieses Schlages (und ihre Notwendigkeit als Voraussetzung für dessen Rechtfertigung) bezogenen Argument, zu dem schweren Sturz des Tatopfers sei es "in erster Linie" durch dessen Alkoholisierung (und nicht durch eine besondere Wucht des Schlages) gekommen, sodaß der Verletzungserfolg (gemeint:

im Vergleich zu den Folgen eines solchen Schlages gegen einen Nichtalkoholisierten) "atypisch" sei, über die (im Rahmen der Tatsachenrüge sogar ausdrücklich negierte) Feststellung hinwegsetzt, daß er die relevierte Beeinträchtigung des K*** durch Alkohol ja erkannt hatte.

Bezieht man aber jene Konstatierung in die in Rede stehende Beurteilung mit ein, dann könnte (wie zur Klarstellung vermerkt sei) im vorliegenden Fall - beim Versetzen eines Faustschlags ins Gesicht eines körperlich weit unterlegenen, erkanntermaßen alkoholisierten Gegners, der den Täter beim Vorbeigehen kaum nennenswert handgreiflich belästigt hat, mit einer solchen Wucht, daß er rücklings zu Boden stürzt und durch die Heftigkeit des Aufpralls schwerste Schädelverletzungen erleidet - von einer (rechtfertigenden) maßhaltenden Verteidigung des Angeklagten gegen eine Behinderung seinmr Bewegungsfreiheit durch das Tatopfer selbst unter den von ihm behaupteten Begleitumständen jedenfalls keine Rede sein, sodaß sich die (der Sache nach unternommene) Geltendmachung dahingehender Feststellungsmängel im Hinblick darauf, daß er die Grenzen notwendiger Verteidigung nach dem Urteilsinhalt auch nicht etwa aus (entschuldigender oder immerhin privilegierender) Angst überschritt (§ 3 Abs 2 StGB), in diese Richtung hin gleichfalls als nicht zielführend erwiese.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

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