OGH 14Os143/88

OGH14Os143/8828.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer, in der Strafsache gegen Simone P*** wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Mai 1988, GZ 3 c Vr 2960/87-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 30.November 1965 geborene Studentin Simone P*** des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie am 17.März 1987 in Wien (dem am 6. Mai 1969 geborenen) Ulrich W*** durch einen Messerstich in den Unterbauch eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die teils offenbar unbegründet und zum Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt die Beschwerdeführerin zunächst in der Abweisung des von ihrem Verteidiger vorerst schriftlich gestellten (ON 34) und sodann in der Hauptverhandlung am 11. Mai 1988 wiederholten Antrags (S 363), auf zeugenschaftliche Einvernahme von Veronika und Hedwig H*** sowie Elisabeth K*** und Ursula H*** über die "Situation am 14.März 1987" anläßlich des Zusammentreffens von Ulrich W*** mit der Angeklagten in der Wohnung deren Mutter, ferner zum Nachweis dafür, daß die Angeklagte am 17. März 1987 wie auch schon vorher mehrfach mit W*** "Schluß gemacht" habe (S 316 ff).

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab (S 367, 389), daß die besondere Eigenart der durch wiederholten Streit und anschließende Versöhnung gekennzeichneten Beziehung der beiden genannten Personen durch die aufgenommenen Beweise hinlänglich beleuchtet werden konnte und im übrigen daraus, wer im Verlauf des verfahrensgegenständlichen Vorfalles die Beendigung der Beziehung angestrebt habe wie auch aus den Umständen, die zu den Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen Anlaß gaben, insbesondere auch aus den Zusammenhängen mit einem von der Angeklagten dem Ulrich W*** angeblich vorenthaltenen Kleidungsstück (Jacke), keine sicheren Schlüsse auf die Verursachung der Stichverletzung gezogen werden können.

Dieser Argumentation des Schöffengerichts ist im Ergebnis zuzustimmen; ergibt sich doch aus der insoweit mit den Angaben des Zeugen W*** im Einklang stehenden eigenen Verantwortung der Angeklagten (S 104), daß es öfters Streit gab, "wobei wir auch Schluß machen wollten", die Beziehung jedoch dann doch "meistens" auf sein (des W***) Bitten oder Drängen hin wieder weitergegangen sei, wie auch, daß sie am 14.März 1987 in einem Wiener Lokal Ulrich W*** die Jacke "als Pfand" weggenommen und in ihrer Wohnung versteckt habe (S 117, 119 verso). Im übrigen wurde die gleichfalls zu dem genannten Beweisthema beantragte Helga P*** (Mutter der Angeklagten) in der Hauptverhandlung ohnedies als Zeugin vernommen (S 354 ff), wobei sie die Beziehung der Angeklagten zu W*** teils, nämlich anfangs, als positiv und im späteren Verlauf als negativ bezeichnete.

Die weitere Verfahrensrüge, in welcher die Beschwerdeführerin zum Ausdruck bringt, die Einvernahme des "Kriminalinspektors G***" wäre "hinsichtlich wesentlicher Erhebungsergebnisse" und der "widersprüchlichen Behauptungen des Zeugen W***" von entscheidender Bedeutung, scheitert schon an einem formellen Hindernis. Denn die Geltendmachung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes (Z 4) setzt voraus, daß über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinn des Antragstellers entschieden wurde (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 1 ff zu § 281 Z 4), was vorliegend nicht zutrifft.

Mit ihrem Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) zeigt die Beschwerdeführerin keine Begründungsmängel in der Bedeutung der relevierten Verfahrensvorschrift auf. Sie wendet sich vielmehr unter der Behauptung einer unzureichenden bzw. unvollständigen Begründung des Urteils in Wahrheit nur dagegen, daß das Erstgericht der Aussage des als Zeugen vernommenen Tatopfers, auf dessen insbesondere gegenüber den Sanitätsgehilfen W*** (S 73, 342 f) und T*** (S 75, 343 f) gemachten Angaben die Tatrichter im wesentlichen den Schuldspruch gegründet haben (vgl. S 380 ff), höhere Beweiskraft zuerkannte als ihrer (leugnenden) Verantwortung. Dabei stellt die Argumentation der Beschwerdeführerin, mit welcher sie unter Vernachlässigung maßgeblicher Urteilsprämissen samt der hiezu gegebenen Begründung darzutun versucht, es hätte auch die Möglichkeit einer anderen (für sie günstigeren) Wertung der Beweisergebnisse bestanden, nicht auf den tatsächlichen (vollständigen) Inhalt der die Beweisergebnisse ausführlich und denkfolgerichtig erörternden Urteilsbegründung ab.

So hat sich das Schöffengericht mit der Verantwortung der Angeklagten, Ulrich W*** habe sich das von ihr in der Hand gehaltene Messer unter Erfassen ihres Unterarmes und Handgelenks selbst in den Unterbauch gestoßen, ohnedies eingehend auseinandergesetzt, versagte ihr jedoch gemäß § 258 Abs 2 StPO (beweiswürdigend) nicht nur wegen des Fehlens sogenannter Probier- oder Zauderstiche, sondern insbesondere auch deshalb den Glauben, weil W*** diesfalls nicht den Umweg gewählt haben würde, den Messerstich gegen sich selbst zu einem Zeitpunkt zu führen, zu dem die Angeklagte das - zuvor von ihm selbst benützte und auf den Schreibtisch gelegte - Messer in der Hand hielt und außerdem den Stich diesfalls nicht mit solcher Wucht und auch nicht gegen den Bereich der Schamgegend geführt hätte. Schließlich bezog es in die Gesamtbeurteilung all dieser Umstände noch das Folgeverhalten der Angeklagten mit ein, die Ulrich W***, als er mit dem in seinem Bauch steckenden Messer in ihrem Zimmer auf dem Boden lag - wenngleich nach telefonischer Verständigung der Rettung - allein ließ und das Eintreffen ärztlicher Hilfe nicht etwa in der Nähe der Wohnung abwartete, sondern eine "Wanderung" auf den Schafberg bis zur Höhenstraße unternahm (S 107, 118) und erst nach geraumer Zeit zurückgekehrt ist (S 383 f, 385 f).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat sich das Erstgericht aber auch mit der vom Zeugen W*** - nach seinen anfänglichen gegenüber der Polizei und den Sanitätsgehilfen W*** und T***

gemachten, die Angeklagte belastenden Angaben (S 40, 73, 75, 101, 102, 342, 343) - vor Gericht behaupteten, vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen durch eine traumatisch bedingte Bewußtseinsstörung nicht nachweisbaren Erinnerungslücke auseinandergesetzt, gelangte jedoch aus den dargelegten Gründen zur Überzeugung, daß die von Ulrich W*** gegenüber den zuvor genannten Sanitätsgehilfen sowie in der Folge auch gegenüber den Kriminalbeamten geschilderte Tatversion den Tatsachen entspricht, wobei es offen ließ, ob der Zeuge, der diese Erinnerungsmängel selbst nicht erklären konnte, im Gerichtsverfahren "bewußt oder unbewußt" allenfalls eine die Angeklagte belastende Darstellung vermeiden wollte (S 382, 383). Die von der Beschwerde behaupteten Begründungsmängel (Z 5) liegen daher gleichfalls nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin die bereits im Rahmen der Verfahrens- und Mängelrüge erörterte Argumentation auch unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO zum Tragen zu bringen sucht, ist sie zunächst darauf zu verweisen, daß der kritisch-psychologische Vorgang, der der tatrichterlichen Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund dessen in de Hauptverhandlung hinterlassenen Eindrucks zugrundeliegt, als solcher einer Anfechtung aus dem bezeichneten Nichtigkeitsgrund entzogen ist. Den bezüglichen Einwänden sind aber auch keine konkreten aktenkundigen Umstände zu entnehmen, aus welchen sich für den Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der für den angefochtenen Schuldspruch entscheidenden Tatsachen ergeben könnten.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder, mit welcher die Beschwerdeführerin der Sache nach Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behauptet, übergeht die dem Ersturteil unmißverständlich zu entnehmende - aus der Art des Angriffs (Stichführung mit großer Wucht gegen den Unterbauch) und des dabei verwendeten Werkzeugs (Messer mit 15,6 cm langer Klinge - S 200) abgeleitete - Feststellung, wonach es der Angeklagten "darum zu tun war" - ihre Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) also darauf gerichtet war - Ulrich W*** eine schwere Verletzung zuzufügen (S 376, 379, 388). Die Rechtsrüge hält demnach nicht am gesamten Urteilssachverhalt fest; sie ist somit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

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