Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurde der nunmehr 41-jährige Kurt D*** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er - zusammengefaßt wiedergegeben - als Vertragsbediensteter des Verkehrsamtes der Bundespolizeidirektion St.Pölten mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Einhebung von Gebühren und Verwaltungsabgaben zu schädigen, durch das pflichtwidrige Unterlassen des Aufklebens und Entwertens der ihm von Führerscheinwerbern übergebenen Stempelmarken und deren Veräußerung zum eigenen Vorteil seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht habe.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie eine Beurteilung der Tat als - mit geringerer Strafe bedrohtes - Vergehen nach § 133 StGB anstrebt, ist nicht begründet. Der Beschwerdeführerin und der mit ihrer Rechtsmeinung übereinstimmenden Generalprokuratur ist zwar darin beizupflichten, daß es bei der vorliegend aktuellen Subsumtionsfrage im Kern darauf ankommt, ob der Angeklagte bei Tatbegehung in Ausübung einer ihm zustehenden Befugnis, namens des Rechtsträgers (hier des Bundes) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB vorzunehmen, gehandelt hat, sein Tatverhalten also in einem engeren (äußeren und inneren) Zusammenhang mit den von ihm als Organ des Rechtsträgers zu besorgenden Aufgaben stand und daß unter den Begriff "Amtsgeschäfte" im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB nicht nur Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen tatsächlicher Art fallen, wobei diese - um dem für jedes Amtsgeschäft im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB, geltenden Erfordernis eines Organhandelns namens des Rechtsträgers zu entsprechen, Rechtshandlungen qualitativ annähernd gleichwertig sein müssen (Steininger, ÖJZ 1980 Seite 180 und 181). Beizutreten ist der Generalprokuratur auch darin, daß tatsächliche Verhaltensweisen eines Beamten im Amt, die ihrer Art nach nicht Ausübung der dem Beamten im Rahmen der Hoheitsverwaltung eingeräumten Befugnis zur Vornahme faktischer Organhandlungen sind, nicht als Befugnismißbrauch anzusehen sind, mögen sie auch unter Ausnützung der - sich auf andere Tätigkeiten beziehenden - Amtsstellung geschehen sein.
Nach Ansicht des Senates rechtfertigen es diese Prämissen aber nicht, das vorliegend festgestellte Verhalten des Angeklagten (bloß) als Vergehen der Veruntreuung im Sinne des § 133 StGB zu qualifizieren. Kann doch - der Beschwerde und der Stellungnahme der Generalprokuratur zuwider - angesichts dessen, daß der Gesetzgeber die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben bei den Bundesbehörden detailliert regelte und daß nach der betreffenden Vorschrift die von der Partei beigebrachten Stempelmarken von der Behörde als Nachweis der Entrichtung der jeweiligen Verwaltungsabgabe aufzukleben und in einer genau vorgeschriebenen Prozedur zu entwerten sind (vgl. § 7 Abs. 2 Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1968, BGBl. 1968/168), nicht davon gesprochen werden, daß das Aufkleben und Entwerten der Stempelmarken als eine "einer völlig untergeordneten Hilfstätigkeit gleichkommende Verrichtung tatsächlicher Art" anzusehen, einer Rechtshandlung auch nicht annähernd qualitativ gleichwertig und mithin nicht als Organhandeln zu qualifizieren sei. Daß für den Angeklagten die Zueignung und Veräußerung der ihm von den Parteien übergebenen Stempelmarken im Vordergrund stand und die von ihm gesetzte kriminelle Zueignungshandlung keinem amtsspezifischen Vollzugsziel und somit auch nicht dem Begriff des Amtsgeschäftes im Sinne des § 302 StGB entspricht, verschlägt nichts; denn der Tatbestand nach § 302 Abs. 1 StGB wurde vom Angeklagten - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - schon durch die - historisch vorgelagerte - Unterlassung, mit den ihm übergebenen Stempelmarken auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zu verfahren (und dadurch die betreffende Partei des Nachweises der Entrichtung der Verwaltungsabgabe zu berauben) verwirklicht. Da sonach das Schöffengericht das Verhalten des Angeklagten rechtsrichtig beurteilte, mußte der Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg versagt bleiben.
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