OGH 2Ob576/88 (2Ob577/88, 2Ob578/88)

OGH2Ob576/88 (2Ob577/88, 2Ob578/88)27.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am 18.August 1936 geborenen Ferdinand P***, Tischler, 9556 Liebenfels, Klagenfurter Straße 23, infolge Revisionsrekurses des Ferdinand P*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 15.Juni 1988, GZ 3 R 277-279/88-17, die Beschlüsse des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 30.März 1988, GZ 2 SW 2/88-9, und vom 1. April 1988, 2 SW 2/88-10, und vom 25.April 1988, 2 SW 2/88-14, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 30.März 1988, ON 9, bestellte das Erstgericht für Ferdinand P*** einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG, mit den Beschlüssen ON 10 und 14 einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG zur Vertretung des Betroffenen in insgesamt sieben Einbücherungsverfahren, die beim Bezirksgericht Klagenfurt anhängig sind. Das Erstgericht, das das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB auf Grund einer Mitteilung des Bezirksgerichtes Klagenfurt eingeleitet hatte, stellte fest, der Betroffene habe in den Einbücherungsverfahren bücherliche Rechte an verschiedenen Grundstücken geltend gemacht und diese damit begründet, daß die Gegenstand der Einbücherungsverfahren bildenden Grundstücke zur ehemaligen "Grafschaft Goess" gehörten, bei der es sich um eine "türkische Grafschaft" handle; er, der Betroffene, sei nach 1945 von der "türkischen Regierung zum Großwesir dieser Grafschaft" bestellt worden. Diese Behauptungen habe der Betroffene im wesentlichen auch im Zuge der Anhörung durch das Erstgericht wiederholt. Beim Betroffenen seien im Gespräch immer wieder offensichtliche Wahnvorstellungen aufgetreten; er habe sich darauf versteift, Eigentümer der von den Einbücherungsverfahren berührten Grundstücke zu sein. Anhaltspunkte dafür, daß die Bestellung eines Sachwalters in Betracht zu ziehen sei, würden sich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. Maria C*** (in 2 SW 192/84 des Bezirksgerichtes Klagenfurt) und Prim. Dr. Otto S*** (in 16 EVr 2189/87 des Landesgerichtes Klagenfurt) ergeben; nach diesen Gutachten liege beim Betroffenen eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bzw eine schwere chronische Geisteskrankheit vom Typus einer überwiegend durch skurrile Wahnbildungen gekennzeichneten Schizophrenie vor. Es sei daher erforderlich, für den Betroffenen einen Vertreter im Verfahren zu bestellen. Der Betroffene sei auf Grund der offenbar vorliegenden psychischen Krankheit schutzbedürftig. Dies ergebe sich auch aus seinen Angaben in den Einbücherungsverfahren beim Bezirksgericht Klagenfurt; die dort vom Betroffenen behaupteten Ansprüche auf dingliche Rechte an den einzubüchernden Grundstücken seien nicht schlüssig und entbehrten jeglicher Logik. Der Betroffene bedürfe somit zur Besorgung dieser Angelegenheiten fremder Hilfe, so daß hiefür ein Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG zu bestellen gewesen sei.

Die vom Betroffenen gegen die erstgerichtlichen Beschlüsse erhobenen Rekurse blieben erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, gemäß § 273 Abs 1 ABGB sei einer Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, ein Sachwalter zu bestellen, wenn sie alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen vermag. Dabei habe sich das Gericht zunächst vom Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, ihn über Grund und Zweck des Verfahrens zu unterrichten und ihn hiezu zu hören (§ 237 AußStrG), und, wenn das Verfahren demnach fortzusetzen ist, für einen Rechtsbeistand des Betroffenen im Verfahren zu sorgen (§ 238 Abs 1 Satz 1 AußStrG). Daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens im vorliegenden Fall gegeben seien, ergebe sich nicht nur aus den Angaben des Ferdinand P*** in den Einbücherungsverfahren des Bezirksgerichtes Klagenfurt, sondern auch aus den Angaben des Betroffenen im Zuge seiner Anhörung durch das Erstgericht, und den vom Erstgericht beigeschafften psychiatrischen Gutachten. Der Betroffene behaupte, an den von den Einbücherungsverfahren berührten Grundstücken dingliche Rechte zu haben, darunter "Feldherrnrechte, Verwerfungsrechte..." etc, und stehe auf dem Standpunkt, er sei Erbe des "Sultanates Goess", von der türkischen Regierung zum "Großwesir dieser Grafschaft" bestellt worden und Eigentümer der von den Einbücherungsverfahren berührten Grundstücke. Aus den vorliegenden psychiatrischen Gutachten ergebe sich ein deutlicher Hinweis darauf, daß beim Betroffenen eine psychische Erkrankung oder eine geistige Behinderung jedenfalls in den Jahren 1984 und 1987 vorgelegen sei. Mit Rücksicht auf die bestehenden Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung des Betroffenen und die Gefahr eines Nachteils im Zusammenhang mit dem vom Betroffenen in den Einbücherungsverfahren vertretenen Standpunkt habe das Erstgericht zu Recht die Auffassung vertreten, daß das Sachwalterbestellungsverfahren fortzusetzen sei. Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG (Rechtsbeistand des Betroffenen im Sachwalterbestellungsverfahren) sei eine notwendige, sich aus dem Gesetz ergebende Folge des Erfordernisses, das Verfahren fortzusetzen, in dem der Betroffene bisher durch einen selbst gewählten Vertreter nicht vertreten war. Die Einbücherungsverfahren vor dem Bezirksgericht Klagenfurt ließen aber auch die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG zur Vertretung des Betroffenen in diesen Verfahren als "sonstige dringende Angelegenheiten" als Provisorialmaßnahme geboten erscheinen, um den Betroffenen in diesen Verfahren vor drohenden Nachteilen zu bewahren. Daß der vom Erstgericht bestellte einstweilige Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG für diese Aufgabe nicht geeignet wäre, sei mit Rücksicht auf den Umstand, daß es sich bei Siegmund K*** um einen in zahlreichen Sachwalterschaftsverfahren bewährten Sachwalter handle, nicht zu erkennen, und werde auch vom Betroffenen nicht geltend gemacht. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Betroffenen aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit und der "Rechtswidrigkeit", mit dem aus dem Inhalt ableitbaren Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Einstellung des Verfahrens abzuändern; überdies wird beantragt, den "Verursacher des § 273 ABGB" zum Ersatz der Verfahrenskosten an den Rechtsmittelwerber zu verhalten. Den teilweise unverständlichen Rechtsmittelausführungen kann immerhin entnommen werden, daß sich der Betroffene durch die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Verfahren und zur Besorgung dringender Angelegenheiten beschwert erachtet und die Anfechtungsgründe der Nichtigkeit (Nullität) sowie der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend machen will. Der Rechtsmittelwerber führt aus, er sei "geistig gesund wie eh und je" und könne schreiben, rechnen und lesen. Der bestellte einstweilige Sachwalter Siegmund K*** sei für die Person des Betroffenen ungeeignet, er habe gesagt, "von uns bekommt er nichts zurück." Weiters polemisiert der Rechtsmittelwerber gegen den Sachverständigen Prim. Dr. S*** und gegen die Bundesgendarmerie, die gegen ihn "Krieg führt und von Zeit zu Zeit das Feuer eröffnet".

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Da § 249 AußStrG das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen nicht abschließend regelt, sondern nur einzelne Ausnahmen von der allgemeinen Regelung der §§ 9 bis 16 AußStrG festlegt, findet § 16 AußStrG auch hier Anwendung (NotZ 1986, 71; NotZ 1987, 95 uva).

Nach § 16 Abs.1 AußStrG können bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, wegen Aktenwidrigkeit und wegen Nichtigkeit angefochten werden; die Geltendmachung anderer Beschwerdegründe, insbesondere der unrichtigen Beweiswürdigung oder einfacher (nicht das Gewicht einer Nichtigkeit erreichender) Verfahrensmängel, ist hingegen ausgeschlossen (EFSlg.39.783, 49.936, 52.744 uva). Die Rechtsmittelausführungen lassen nicht erkennen, wodurch dem Rekursgericht eine Nichtigkeit oder ein Verfahrensmangel, dem das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen ist (EFSlg.52.804 uva), unterlaufen sein soll; auch aus dem Akteninhalt ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt aber nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl.1975, 547 ua).

§ 236 AußStrG verlangt als einzige materiellrechtliche Voraussetzung für die amtswegige Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person das Vorliegen begründeter Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme. Unter welchen konkreten Umständen im Einzelfall diese Voraussetzung anzunehmen ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß im vorliegenden Fall solche begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen gegeben seien, kann daher nicht offenbar gesetzwidrig im Sinn des § 16 Abs.1 AußStrG sein (4 Ob 543/88 ua). Ist aber das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters nach der Vernehmung des Betroffenen durch den Richter (§ 237 AußStrG) fortzusetzen, so hat das Gericht für einen Rechtsbeistand des Betroffenen in diesem Verfahren einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen (§ 238 Abs.1 AußStrG), wie es das Erstgericht mit seinem Beschluß ON 9 getan hat. Nach § 238 Abs.2 AußStrG hat das Gericht dem Betroffenen für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten zu bestellen, wenn das Wohl des Betroffenen es erfordert. Die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz, daß es im Interesse des Betroffenen dringend notwendig sei, für ihn einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, um den Betroffenen in den beim Bezirksgericht Klagenfurt anhängigen Einbücherungsverfahren vor drohenden Nachteilen zu bewahren, steht nicht im Gegensatz zu dieser gesetzlichen Bestimmung und ist daher nicht offenbar gesetzwidrig.

Da der Rechtsmittelwerber somit nicht das Vorliegen eines der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe aufzuzeigen vermochte, mußte der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen werden, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Einbringung des Rechtsmittels bedurft hätte. Für den vom Betroffenen begehrten Ersatz von Verfahrenskosten mangelt es im Verfahren außer Streitsachen an der gesetzlichen Grundlage.

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