OGH 8Ob649/88

OGH8Ob649/8822.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelmine B***, Pensionistin, 2500 Baden, Albrechtsgasse 63/3, vertreten durch Dr. Gernot Gruböck, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Anna R***, Pensionistin, 2500 Baden, Eichwaldgasse 8, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann, Dr. Helmut Steiner und Dr. Thomas Weber, Rechtsanwälte in Baden, wegen S 50.000,-- s.A. infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Berufungsgerichtes vom 23. März 1988, GZ. R 50/88-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 11. November 1987, GZ 3 C 1114/85-33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.501,65 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (einschließlich Umsatzsteuer von S 500,15) und die mit S 4.219,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich Barauslagen von S 1.500,-- und Umsatzsteuer von S 247,20) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Bezahlung von 50.000 S s.A. und brachte vor: Sie habe mit Vertrag vom 24.März 1973 die Wohnung top.Nr.5 im Haus der Beklagten in Baden, Eichwaldgasse 8 gemietet. Während der Mietdauer habe die Klägerin Investitionen vorgenommen, und zwar habe sie eine neue Einbauküche herstellen, einen neuen Heizkessel für die Etagenheizung installieren und das WC zur Gänze erneuern lassen. Weiters habe sie das Badezimmer mit neuen Armaturen ausgestattet. Gemäß Punkt 5. des Mietvertrages habe die Klägerin das Recht, einen Nachmieter namhaft zu machen und von diesem eine Vergütung für die Wohnungsinvestitionen zu verlangen. In Ausübung dieses Rechtes habe die Klägerin einen Nachmieter namhaft gemacht, der bereit gewesen sei, die von der Klägerin geforderte Investitionsablöse zu leisten und in den Mietvertrag einzutreten. Die Beklagte habe diesen Nachmietinteressenten in der Absicht grundlos abgewiesen, die Klägerin um ihre berechtigte Investitionsablöse zu bringen und selbst unzulässigerweise eine Ablöse zu kassieren. Die Beklagte sei daher zum Schadenersatz verpflichtet. Weiters werde das Klagebegehren auf § 10 MRG und auf jeden anderen erdenklichen Rechtsgrund gestützt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Mietvertrag vom 24.März 1973 sei ursprünglich für eine 10-jährige Vertragsdauer abgeschlossen und dann auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Das gemäß Punkt 5. des Mietvertrages der Klägerin eingeräumte Recht zur Weitergabe der Wohnung an einen von ihr vorgeschlagenen Nachmieter habe nur innerhalb der ursprünglichen 10-jährigen Vertragsdauer bestanden, die am 31.März 1983 abgelaufen sei. Überdies sei der Klägerin auch deshalb kein Weitergaberecht zugestanden, weil das Mietverhältnis durch gerichtliche Aufkündigung beendet worden sei. Im übrigen werde gegen die Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet, daß die Klägerin Mietzins nur bis November 1985 bezahlt habe, den restlichen Mietzins bis Anfang Oktober 1986 im Gesamtbetrag von 19.050 S aber schuldig geblieben sei.

Darauf entgegnete die Klägerin, daß der von ihr vorgeschlagene Nachmieter bereit gewesen sei, ab Dezember 1985 in den Mietvertrag einzutreten. Die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, ab Dezember 1985 von diesem den Mietzins zu erhalten.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit 50.000 S als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 50.000 S s.A. an die Klägerin. Es traf zu der im Revisionsverfahren allein noch strittigen Gegenforderung nachstehende Feststellungen:

Punkt 5. des Mietvertrages vom 24.März 1973 lautete:

"Die Mieterin ist berechtigt, auch innerhalb der 10-jährigen Vertragsdauer das Mietverhältnis vierteljährlich zu jedem Monatsersten aufzukündigen und in diesem Falle einen Mieter für die restliche Vertragsdauer den Vermietern vorzuschlagen. Sie ist berechtigt, von diesem neuen Mieter nach Übereinkommen mit demselben eine Vergütung der bezahlten Ablöse zu verlangen."

Die beiden von der Klägerin namhaft gemachten Nachmieter wären bereit gewesen, für diese Wohnung den gesetzlich zulässigen Kategoriemietzins samt Umsatzsteuer und Betriebskosten zu bezahlen und zu gleichen Bedingungen wie die Klägerin die Wohnung anzumieten. Die Zahlung einer Investitionsablöse an die Klägerin unterblieb nur deshalb, weil die Beklagte sich weigerte, einen von beiden als eintretenden Mieter zu akzeptieren.

Im November 1985 räumte die Klägerin die Wohnung und übersiedelte in ihre jetzige Wohnung im Haus Baden, Albrechtsgasse 63. Bis einschließlich November 1985 zahlte die Klägerin an die Beklagte den monatlichen Mietzins von 1.905 S, danach leistete sie keine weiteren Mietzinszahlungen mehr. Die Klägerin stellte die Wohnungsschlüssel vorerst nicht an die Beklagte zurück, sondern behielt diese, um weiteren Nachmietinteressenten die Wohnung zeigen zu können.

Nach ihrem Auszug deponierte die Klägerin ein Paar Wohnungsschlüssel bei Johanna F***, welche ebenfalls Mieterin einer Wohnung im Haus Eichwaldgasse 8 ist. Die Klägerin übergab das Schlüsselpaar mit der Widmung, für eine allenfalls notwendige Öffnung der Wohnung Sorge zu tragen, jedoch nur nach vorheriger Verständigung und in Anwesenheit der Klägerin.

Mit dem Schreiben vom 25.Februar 1986 an die Beklagtenvertreter teilte der Klagevertreter mit, daß ein Schlüsselpaar mit dieser Widmung bei Johanna F*** deponiert wurde.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Arch. Friedrich S*** schrieb die Befundaufnahme an Ort und Stelle für den 29. September 1986 aus. Die Klägerin hielt die Wohnungsschlüssel bis dahin zurück, um dem Sachverständigen eine Wohnungsbesichtigung zu ermöglichen und um zu verhindern, daß die Beklagte vorher ihre Wohnungsinvestitionen entfernt. Nach der Befundaufnahme durch den Sachverständigen wies die Klägerin Johanna F*** an, das bei ihr deponierte Schlüsselpaar bedingungslos der Beklagten zu übergeben. Das weitere Schlüsselpaar für diese Wohnung übersandte der Klagevertreter mit einem Begleitschreiben am 1.Oktober 1986 an die Beklagtenvertreter.

Am 11.Juni 1986 brachte die Beklagte eine gerichtliche Aufkündigung gegen die Klägerin ein, mit welcher sie das Mietverhältnis für den letzten Tag des Monates Juli 1986 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 1 und 6 MRG aufkündigte. Nach Erhebung von Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung zog die Klägerin die Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung am 26. August 1986 zurück.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Beklagte durch die Weigerung, den Eintritt eines von der Klägerin vorgeschlagenen Nachmieters in das Mietverhältnis zu akzeptieren, einen Vertragsbruch begangen habe, der der Klägerin einen Schaden von mindestens 50.000 S verursacht habe. Hätte die Beklagte den namhaft gemachten Nachmieter akzeptiert, hätte die Klägerin eine Investitionsablöse von mindestens 90.000 S erhalten; die Klageforderung bestehe daher jedenfalls zu Recht. Die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil die Beklagte bei einem vertragskonformen Verhalten ihrerseits die Möglichkeit gehabt hätte, ab Dezember 1985 von einem von der Klägerin vorgeschlagenen Nachmieter den Mietzins zu erhalten. Die Beklagte könne aus der von ihr begangenen Vertragsverletzung keine Ansprüche gegen die Klägerin ableiten ("ex iniuria non oritur ius").

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Klageforderung mit 50.000 S, die Gegenforderung mit 17.145 S als zu Recht bestehend erkannte und die Beklagte zur Bezahlung von 32.855 S s. A. verurteilte. Das Mehrbegehren wies es ab. Die Revision gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil der hier zur Entscheidung stehenden Frage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukomme. Rechtlich vertrat das Gericht zweiter Instanz die Auffassung, daß die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, trotz des nach wie vor formell weiterbestehenden Bestandverhältnisses die monatlich fällig werdenden Mietzinszahlungen zu verweigern. Mit den vom Erstgericht zitierten Grundsatz "ex iniuria non oritur ius" habe dies nichts zu tun, weil die Beklagte ihre entsprechenden Ansprüche nicht aus der von ihr begangenen Vertragsverletzung, sondern aus dem mangels Auflösung formell weiterbestehenden Bestandverhältnis abgeleitet habe. Die von der Beklagten geltend gemachten Mietzinsforderungen seien aber nur von Dezember 1985 bis einschließlich August 1986, also mit 17.145 S berechtigt.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie deren Zulassung beantragt und unter Heranziehung des Revisionsgrundes des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO begehrt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht (vgl. 1 Ob 795/83; 8 Ob 79/85 uza) und dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist; sie ist auch berechtigt:

Die Klägerin verficht in der Revision die Ansicht, daß sie nicht zu einer Leistung - nämlich der Weiterbezahlung von Mietzins - verpflichtet werden könne, die sie bei vertragstreuem Verhalten der Beklagten nicht hätte erbringen müssen, weil die Mietzinse bereits vom Nachmieter gezahlt worden wären. Dazu war zu erwägen:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist der vorliegende Fall, in welchem die Beklagte vertragswidrig den namhaft gemachten Mietrechtsnachfolger nicht akzeptierte, gleich der Vereitelung des Eintrittes einer rechtsgeschäftlichen Bedingung für die Beendigung des Mietrechtsverhältnisses zu lösen (EvBl 1985/34;

EvBl 1987/76; vgl. auch Rummel in Rummel ABGB Rz 7 zu § 897 ABGB);

die Parteien eines unter einer Bedingung abgeschlossenen Rechtsgeschäftes sind verpflichtet, alles zu tun, was notwendig ist, um bei Eintritt der Bedingung erfüllen zu können, und alles zu unterlassen, was die Erfüllung hindern würde (SZ 53/140; SZ 52/165;

JBl. 1975, 652 ua). Treu und Glauben sind auch bei bedingten Rechtsgeschäften zu wahren. Dagegen verstößt jedes Verhalten, wodurch der Anspruch des bedingt Berechtigten vereitelt oder beeinträchtigt wird (Gschnitzer in Klang Kommentar2 IV/1, 321). Unzulässig ist jede Beeinflussung des Ablaufs der Ereignisse wider Treu und Glauben (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 699); eine Partei darf also auf die Bedingung nicht in einer Weise einwirken, die die andere Partei nach Sinn und Zweck des Vertrages redlicherweise nicht erwarten konnte (Knütel, JBl. 1976, 613, 619; 1 Ob 531/84 ua).

Die festgestellte Vorgangsweise der Beklagten verstieß gegen die dargelegten Grundsätze. Dies hat zur Folge, daß die Klägerin so zu stellen ist, also ob die Bedingung für die Beendigung des Mietrechtsverhältnisses mit ihr eingetreten wäre (Rummel aaO Rdz 7); von dem Zeitpunkt des Eintrittes des Bedingungsfalles an war demnach die Klägerin nicht mehr verpflichtet, der Beklagten Mietzinse zu leisten; die Beklagte hat von da an einen Ausfall an Mietzins selbst zu verantworten. Sie kann aber auch kein Benützungsentgelt von der Klägerin verlangen, weil diese die Wohnung bereits im November 1985 geräumt und seither tatsächlich nicht benützt hat. Ihre aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung erweist sich daher aus keinem Rechtsgrund heraus als berechtigt.

Die dargelegten Grundsätze haben zur Folge, daß das Urteil des Berufungsgerichtes in Stattgebung der Revision der Klägerin dahin abzuändern war, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wurde.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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