Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Werner U*** wird gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt.
Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wird ein Teil dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von 10 (zehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 38 StGB wird die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 8. Februar 1988, 21,15 Uhr, bis 26.April 1988, 12,50 Uhr, auf die Strafe angerechnet.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 13.Juni 1953 geborene Werner U*** wurde des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei gemäß § 43 a Abs. 3 StGB vier Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Es liegt ihm zur Last, am 8.Februar 1988 in Wien Regina S*** dadurch, daß er ihr ein Küchenmesser mit 12 cm Klingenlänge gegen den Bauch und die Hüfte hielt und dabei äußerte: "Ich hab ein Messer, dreh Dich um, dann passiert Dir nichts" und ähnliche Äußerungen, sohin durch gefährliche Drohungen zu einem bestimmten Verhalten genötigt zu haben.
Mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ficht die Staatsanwaltschaft den Ausspruch über die teilweise bedingte Strafnachsicht an, indem sie zutreffend auf den eindeutigen Wortlaut des § 43 a Abs. 3 StGB ("mehr als sechs Monate") verweist.
Rechtliche Beurteilung
Wenn der Angeklagte diesem auch von ihm als richtig anerkannten Beschwerdeeinwand das Bedenken entgegensetzt, daß hiemit ein Angeklagter schlechter gestellt werde, wenn er wegen eines mit geringerer Strafe bedrohten Delikts - die Anklage lautete auf §§ 15, 202 Abs. 1 StGB - verurteilt werde, ist er auf den sich aus dem Aufbau des Sanktionssystems des StGB ergebenden, im Bericht des Justizausschusses (359 der Beilagen XVII. GP S. 10) ausdrücklich hervorgehobenen Willen des Gesetzgebers zu verweisen. Hält das Gericht nämlich eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder weniger für tat- und tätergerecht, ist grundsätzlich der Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 StGB) oder einer zur Gänze bedingt nachgesehenen (§ 43 StGB) Freiheitsstrafe der Vorzug zu geben. Erst wenn dies - etwa auf Grund der Vorbelastung oder anderer in der Täterpersönlichkeit liegender Umstände, allenfalls auch wegen des hohen Tatunwerts - nicht möglich und eine sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafe zu verhängen ist, sollte (neben den anderen, mit der Bestimmung des § 43 a StGB geschaffenen Kombinationsmöglichkeiten) das System auch für solche Täter erweitert werden, bei denen es (vornehmlich wegen ihrer Vorstrafen) des Vollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe bedarf, um sie zu beeindrucken; gleichzeitig aber unter Heranziehung der Kriterien des § 43 Abs. 1 StGB die Möglichkeit eröffnen, dem Täter den Rest (zwei Drittel oder mehr) der verwirkten Freiheitsstrafe doch noch bedingt nachsehen zu können (§ 43 a Abs. 3 StGB).
Das Schöffengericht hat sohin seine Strafbefugnis überschritten (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO), wenn es nur eine sechsmonatige Freiheitsstrafe "als schuld- und tatangemessen" erachtete, aber weder die gänzliche bedingte Nachsicht für möglich noch den Vollzug der insgesamt ausgesprochenen Strafe für erforderlich hielt. Der Strafausspruch war daher aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen.
Bei der Strafneubemessung wurden die einschlägigen Vorstrafen und die Verwendung eines Messers zur Einschüchterung des Opfers als erschwerend, das Geständnis und der Umstand als mildernd gewertet, daß sich der Angeklagte dem Bericht des Bewährungshelfers zufolge nach seiner bedingten Entlassung aus der Anstalt gemäß § 21 Abs. 2 StGB über neun Jahre lang positiv entwickelt und ins bürgerliche Leben zurückgefunden hat und die Tat auf einen Rückfall in den Alkoholmißbrauch zurückzuführen ist.
Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Meinung des Schöffengerichts, daß es nicht des Vollzugs einer längeren Freiheitsstrafe bedarf, um Werner U*** vor einem neuerlichen Absinken in die Kriminalität zu bewahren, und kann sich daher den (Berufungs-) Ausführungen der Staatsanwaltschaft nur insoweit anschließen, als doch eine wesentlich längere Freiheitsstrafe anzudrohen ist. Es wurde daher die Strafe insgesamt spruchgemäß erhöht, ohne daß der unbedingt ausgesprochene Strafteil (zwei Monate) davon betroffen wäre.
Auf diese Strafneubemessung war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.
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