Spruch:
Durch die mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10.Mai 1988, AZ 7 Bs 93/88 (= GZ 16 Vr 366/87-48 des Kreisgerichtes Wels) vertretene Rechtsansicht, daß eine Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15.Dezember 1987, GZ 28 E Vr 2708/87-5, ausgeschlossen sei, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 31 StGB verletzt.
Das zuerst genannte Urteil wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz die neue Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 9.November 1987, GZ 16 Vr 366/87-31, wurde Karl J*** mehrerer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Dieses Urteil wurde vom Angeklagten nur mit Berufung wegen des Strafausspruches bekämpft.
Vor der Entscheidung über diese Berufung wurde er mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15.Dezember 1987, GZ 28 E Vr 2708/87-5, das am 19.Dezember 1987 in Rechtskraft erwuchs, eines in der Zeit zwischen 17.Februar 1987 und Oktober 1987 verübten weiteren Vergehens schuldig erkannt und gleichfalls zu einer Freiheitssstrafe verurteilt.
Das Oberlandesgericht Linz gab mit dem Urteil vom 10.Mai 1988, AZ 7 Bs 93/88, der oben erwähnten Berufung des Angeklagten nicht Folge. In den Entscheidungsgründen vertrat es die Ansicht, eine Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das zuletzt bezeichnete Urteil des Landesgerichtes Linz sei nicht möglich, weil dieser Schuldspruch erst nach dem 9.November 1987 - dem Tag der Fällung des angefochtenen Urteils des Kreisgerichtes Wels - ergangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Diese Rechtsansicht steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die Verhängung einer Zusatzstrafe setzt nämlich auch bei der (in erster Instanz noch nicht möglich gewesenen, also) originären Anwendung des § 31 StGB durch das (mit der Straffrage befaßte) Rechtsmittelgericht nur voraus, daß die damit abzuurteilende - also zu bestrafende - Tat nach der Zeit ihrer Begehung schon im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren hätte abgeurteilt werden können, sohin schon vor dem erstinstanzlichen Urteil im letzterwähnten Verfahren begangen wurde; daß es in einem solchen Fall auch auf das zeitliche Verhältnis jener Urteilsfällung (im früheren Verfahren) zum angefochtenen Urteil im noch laufenden (späteren) Verfahren ankäme, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Demnach durfte das Oberlandesgericht Linz eine Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 15.Dezember 1987 gemäß § 31 StGB nicht mit der Begründung ablehnen, jener Schuldspruch sei erst nach dem hier mit Berufung bekämpften Urteil gefällt worden. Durch diesen Ausspruch wurde somit das Gesetz in der Bestimmung des § 31 StGB verletzt.
Da nicht auszuschließen ist, daß sich die verfehlte Rechtsansicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, war das mit der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und dem Oberlandesgericht Linz die neue Verhandlung und Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
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