OGH 9ObA192/88

OGH9ObA192/8814.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gertrud S***, Schülerin, Vitis, Hauptplatz 14, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wider die beklagte Partei Herbert P***, Portier, Wien 3, Strohgasse 14/24, vertreten durch Dr. Otto Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,800.000,- und Feststellung (Gesamtstreitwert S 1,900.000,- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juni 1988, GZ 31 Ra 45/88-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Oktober 1987, GZ 3 Cga 1147/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.339,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.758,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war am 23. Juni 1984 bei der C*** B*** Gesellschaft m.b.H. als Ferialpraktikantin beschäftigt. Sie war für ihre Tätigkeit während der Ausbildung der Küche des von der C*** B*** Gesellschaft m.b.H. betriebenen Hotels zugeteilt. Zu ihrer Tätigkeit gehörte fallweise auch der Aufbau und die Ergänzung von kalten Buffets, welche zeitweise im Restaurantbereich des Hotels errichtet wurden. Sie war für ihre Tätigkeit dem Koch des Betriebes verantwortlich. Der Beklagte war zu dieser Zeit Restaurantleiter in diesem Betrieb und war für das Abendbuffet verantwortlich. Er hatte nach der im Betrieb gepflogenen Übung die Weisungsgewalt über das Servierpersonal; die Weisungsgewalt über das Küchenpersonal hatte der Koch. Hinsichtlich jenes Küchenpersonals, welches aus der Küche das Buffet im Restaurantbereich mit Speisen versorgte, gab es keine von der Betriebsleitung verfügte Kompetenzverteilung. Die für den Buffetbetrieb notwendigen Weisungen wurden dem hiezu einteilten Küchenpersonal vom Küchenchef erteilt. Am 23. Juni 1984 waren bei einem solchen Buffet auch Speisen mit Spirituskochern warm zu halten. Die Flammen eines solchen Spirituskochers waren erloschen. Die Klägerin, welche damals Buffetdienst zu verrichten hatte, machte den Beklagten darauf aufmerksam und dieser verlangte, sie solle den Spirituskocher halten, damit er nachfüllen könne. Die Klägerin hielt einen Teller, auf welchem der Spirituskocher stand. Während der Beklagte Spiritus nachfüllte, kam es wegen der hohen Temperatur des Gerätes zur Selbstentzündung, wobei die Klägerin schwerste Verbrennungen erlitt. Die Betreuung der Warmhaltegeräte, also der Spirituskocher, fiel in den Aufgabenbereich des Servierpersonals, welches dem Beklagten unterstand, und nicht in jenen der Klägerin. Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von S 1,800.000,- an Schmerzengeld und Entschädigung für die bei den Unfall erlittene Verunstaltung sowie die Feststellung, daß der Beklagte für alle Folgen des Unfalles zu haften habe. Der Beklagte, der damals für das Abendbuffet verantwortlich gewesen sei, habe den Unfall durch Unachtsamkeit beim Nachfüllen des Spiritusbrenners verschuldet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er sei gegenüber der Klägerin Vorgesetzter (Aufseher im Betrieb) gewesen; es bestehe daher keine Haftung für Schäden, die die Klägerin am Körper erlitten habe.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Zur Beurteilung der Frage, ob die Stellung des Beklagten im Augenblick des Unfalls als die eines Aufsehers im Betrieb zu qualifizieren sei, müsse auf den Zweck der Tätigkeit der Klägerin und des Beklagten zur Zeit des Unfalls abgestellt werden. Gemeinsamer Zweck der Tätigkeit sei der Unternehmenszweck des gemeinsamen Dienstgebers gewesen. Dem Beklagten sei offenbar eine Leitungsbefugnis im Restaurantbereich eingeräumt worden. Wenn auch die Klägerin dem Beklagten in der Organisation nicht untergeordnet gewesen sei, so müsse doch davon ausgegangen werden, daß eine auf die augenblickliche Situation beim Buffetbetrieb abgestellte Befehlsgewalt des Beklagten gegenüber der Klägerin im Interesse des Betriebes gelegen sei und daher von der Geschäftsführung genehmigt worden wäre. Dementsprechend sei dem Beklagten gegenüber der Klägerin im Unfallszeitpunkt Aufseherfunktion zugekommen, sodaß ein Haftungsausschluß gemäß § 333 Abs 4 ASVG bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Wenn auch die Versorgung des Buffets mit Speisen in den Verantwortungsbereich des Küchenchefs gefallen sei, so sei doch die Überwachung der Warmhaltegeräte dem Beklagten übertragen gewesen. Damit sei der Beklagte auch für die Sicherheit dieser Geräte verantwortlich gewesen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Sicherheit des Betriebes der Warmhaltegeräte betreffende Weisungen des Beklagten zu befolgen. Die Aufforderung des Beklagten an die Klägerin, den Spirituskocher zu halten, sei in engem Zusammenhang mit seiner Verantwortung für den sicheren Betrieb dieses Gerätes und seiner aus dem Arbeitnehmerschutzgesetz sich ergebenden Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin gestanden. Es komme nicht darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer berechtigt gewesen sei, die zur Verletzung führende Anordnung zu erteilen, sondern nur auf den Zusammenhang dieser Anordnung mit dem Verantwortungsbereich des Betreffenden und seiner Fürsorgepflicht für den verletzten Arbeitnehmer. Dieser Zusammenhang sei im gegenständlichen Fall gegeben. Die Aufseherfunktion des Beklagten sei daher vom Erstgericht zutreffend bejaht worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aufseher im Betrieb im Sinn des § 333 Abs 4 ASVG ist, wer für das Zusammenwirken mehrerer Betriebsangehöriger oder von Betriebseinrichtungen zu sorgen hat und für ein derartiges Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich ist; ferner wer andere Betriebsangehörige oder einen Teil des Betriebes überwacht und den ganzen Arbeitsvorgang einer Arbeitspartie leitet und damit eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundene Stellung zur Unfallszeit tatsächlich inne hat (Arb 9836, 8919; 4 Ob 167/85 ua). Der Beklagte war nach dem Vorbringen der Klägerin für das Abendbuffet verantwortlich. Als Restaurantleiter unterstand ihm das Servierpersonal. Die Klägerin war bei ihrer Tätigkeit im Hotelbetrieb der Küche zugeteilt, war daher in einem anderen Teil des Betriebes tätig und unterstand bei ihrer Tätigkeit dem Küchenchef. Am Tag des Vorfalles war sie jedoch dem Buffetbetrieb zugeteilt. Hier bestand keine klare Kompetenzabgrenzung; in diesem Bereich überschnitten sich vielmehr die Kompetenzen des Küchenchefs und des Restaurantleiters. Dem Küchenchef oblag die Versorgung des Buffets mit Speisen; er hatte Küchenpersonal zur Versorgung des Betriebes abzustellen und diesem die erforderlichen Weisungen zu erteilen. Dem Restaurantleiter (Beklagten) unterstand das Servierpersonal, er hatte jedoch die Verantwortung für den Buffetbetrieb und hatte in diesem Rahmen auch für die Warmhaltegeräte zu sorgen. Mit der Zuweisung zum Buffetbetrieb wurde die Klägerin auch in dem Bereich des Betriebes eingegliedert, der der organisatorischen Leitung und Aufsicht des Beklagten unterstand. Dem Beklagten kam damit die Stellung eines Aufsehers im Betrieb gegenüber der Klägerin zu. Der Unfall ereignete sich auch anläßlich der Befolgung einer Weisung des Beklagten durch die Klägerin zur Verrichtung einer Hilfstätigkeit in einem Bereich, der ausschließlich der Verantwortlichkeit des Beklagten zugewiesen war. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Vorliegen der Voraussetzung des § 333 Abs 4 ASVG bejaht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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