OGH 9ObA172/88

OGH9ObA172/8814.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernst S***, Fernsehtechniker, Wien 22., Rugierstraße 26/11/5, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma Ing. Heinrich J***, Inhaberin Ing. Maria F***, Kleinhandel mit Elektrowaren, Wien 22., Wagramer Straße 133, vertreten durch DDr. Walter Barfuss, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek, Dr. Guido Kucsko, Dr. Christian Schmelz und Dr. Helmut Preyer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 240.641,66 sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 1988, GZ 34 Ra 6/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. September 1987, GZ 17 Cga 1090/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 26.618,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 1.510,80 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 2. September 1957 bis 10. November 1962 als Lehrling und Geselle und - nach ca zweijähriger Unterbrechung - vom 15. September 1964 bis 19. Februar 1987 neuerlich bei der Beklagten (bzw deren Rechtsvorgänger) als Fernsehtechniker (Angestellter) beschäftigt. Die Zeit vom 2. September 1957 bis 14. September 1964 wurde ihm bei seinem Wiedereintritt als Vordienstzeit angerechnet.

Am 19. Februar 1987 wurde der Kläger von der Beklagten entlassen. Er

begehrte zuletzt Zahlung

a) einer Urlaubsentschädigung für 32 Werktage

S 27.583,--

abzüglich ausgezahlter

Urlaubsabfindung von S 11.058,--

verbleibt S 16.525,--

b) einer Kündigungsent-

schädigung für die Zeit bis

30. September 1987 von S 67.235,--

c) und einer Abfertigung von vor-

läufig sieben Monatsbezügen S 156.881,66

zusammen S 240.641,66

mit der Begründung, er sei ungerechtfertigt entlassen worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger gerechtfertigt vorzeitig entlassen worden sei. Er habe mündlichen und schriftlichen Weisungen zuwider während der Arbeitszeit trotz dringender Arbeiten für den Arbeitgeber Privatreparaturen durchgeführt, ohne dies der Firmenleitung zur Kenntnis zu bringen. Ferner habe er am 23. Mai 1985 und am 2. und 11. Dezember 1986 auf den Namen der Beklagten private Geräte bei den Firmen G*** und P*** reparieren lassen und am 24. April und 18. Dezember 1986 ebenfalls auf den Namen der Beklagten Ersatzteile bei den Firmen I*** und B*** & O*** bestellt, ohne die Rechnungen an die Beklagte weiterzuleiten. Er habe die erforderlichen Fahrten zu den betreffenden Unternehmen während der Dienstzeit unternommen. Die durch diese Vorgangsweise entstandenen Schäden wende die Beklagte gegen die Klagsforderung aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Die Beklagte übernahm im Jahre 1977 das Unternehmen ihres Vaters. Da es zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, traf sie, insbesondere über die Zulässigkeit von Privatreparaturen an Fernsehgeräten, in einer Werkstättenordnung vom 4. Dezember 1978 folgende Anordnungen:

"1. Keine Reparatur ohne Reparatur-Nummer

......

Private Arbeiten auf der Tour oder in der Werkstätte dürfen

nicht durchgeführt werden. Die einzige Ausnahme wäre der eigene

Apparat, der unbedingt mit Marke und Type vor Eintreffen in der

Werkstätte gemeldet werden muß und für den vor der Instandsetzung

ein Reparaturtermin außerhalb der Arbeitszeit mit der Firmenleitung

vereinbart werden muß (zB Samstag). Herr S*** ist

verpflichtet, einen Verstoß gegen diese Regelung sofort zu melden.

Bei Nichtmeldung behalte ich mir das Recht der fristlosen Entlassung

vor.

......."

Diese Werkstättenordnung wurde im Betrieb angeschlagen, doch kann der Zeitraum ihres Aushanges nicht festgestellt werden. Er liegt soweit zurück, daß den Arbeitnehmern der Beklagten der Inhalt nicht mehr geläufig ist.

Die Beklagte erlaubte ihren Arbeitnehmern, in ihrem Namen Ersatzteile zu kaufen, um sie dann von der Beklagten - mit Faktura - günstiger zu erwerben. Am 24. April 1986 kaufte der Kläger auf den Namen der Beklagten bei der Firma I*** Ersatzteile um S 918,-- (Beilage 3) und am 18. Dezember 1986 bei der Firma B*** & O*** auf den Namen der Beklagten Ersatzteile um S 452,40 (Beilage 4). Er unterließ es in beiden Fällen aus nicht feststellbaren Gründen, die (bezahlte!) Rechnung an die Beklagte weiterzuleiten. Daß der Beklagte diese Besorgungen während der Dienstzeit vornahm, ist nicht feststellbar.

Am 23. Mai 1985 ließ der Kläger auf den Namen der Beklagten unter Beifügung seines Namens ein privates Fernsehgerät bei der Firma P*** um den Betrag von S 720,44 reparieren (Beilage 10). Auch diese Rechnung leitete er aus nicht mehr feststellbaren Gründen nicht an die Beklagte weiter.

Am 2. Dezember 1986 gab der Kläger ein privates (Fernseh-)Gerät unter dem Namen der Beklagten mit Beifügung seines eigenen Namens in Reparatur. Das Modul dieses Gerätes wurde als Garantiefall repariert, so daß die "Reparaturrechnung" (Beilage 5) keinen Rechnungsbetrag, sondern nur den Vermerk "Garantie" enthält. Einige Tage später, am 11. Dezember 1986 traten an diesem Gerät dieselben Fehler wieder auf, worauf es die Firma G*** neuerlich kostenlos reparierte ("Reparaturrechnung" Beilage 6). Wenn der Kläger sonst Privatgeräte bei Drittfirmen auf den Namen der Beklagten reparieren ließ, wurde wie bei Warenkäufen vorgegangen und die entsprechende Rechnung der Beklagten übergeben. Da bei den "Reparaturrechnungen" Beilage 5 und 6 nichts zu bezahlen war, hielt der Kläger eine Übergabe der Rechnung an die Beklagte nicht für notwendig. Ob die mit diesen Reparaturen in Zusammenhang stehenden Fahrten zur Firma G*** während der Dienstzeit erfolgten, ist nicht feststellbar.

Es war üblich, daß die Arbeitnehmer der Beklagten private Fernsehgeräte, allenfalls auch innerhalb der Dienstzeit reparierten. Nach einer Anweisung der Beklagten mußten sämtliche Privatreparaturen gemeldet werden; die Erlaubnis wurde jedes Mal erteilt. Verstöße gegen die Meldepflicht ahndete die Beklagte mit Zurechtweisungen.

Am 18. Februar 1987 erschien die Beklagte zwischen 9 Uhr 30 und 10 Uhr beim Kläger und ersuchte ihn, mit ihr unbezahlte Reparaturrechnungen zu überprüfen. Der Kläger hielt der Beklagten vor, daß sehr viel zu tun sei, ging aber dann doch mit ihr eine Viertelstunde diese Rechnungen durch. Um die Mittagszeit brachte ein Privatkunde des Klägers zwei Geräte zur Überprüfung. Der Kläger öffnete die Rückwand und schloß die Geräte zum Probelauf an. Er versuchte den Nachmittag über bis zum Betriebsschluß um 17 Uhr die Beklagte zu erreichen, was ihm aber nicht gelang, da sie nicht im Betrieb war. Er konnte ihr daher die Geräte nicht melden. Am nächsten Tag stellte sich heraus, daß die beiden Geräte keinen Fehler aufwiesen. Der Kläger folgte sie der Kundschaft aus, unterließ es aber versehentlich, die beiden Privatgeräte der Beklagten zu melden. Sonst meldete er seine Privatreparaturen zu "99 %", manchmal zu Mittag, meistens aber abends, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt leichter zu erreichen war. Die Beklagte hatte den Kläger deswegen bereits einmal verwarnt und angewiesen, die Geräte gleich nach dem Eintreffen zu melden. Den Vorfall vom 18. Februar 1987 nahm die Beklagte am 19. Februar 1987 zum Anlaß, den Kläger zu entlassen.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die versehentliche Unterlassung der Meldung von zwei Privatgeräten keine Untreue im Dienst sei. Untreu sei nur, wer vorsätzlich die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtige. Vertrauensunwürdigkeit könnte zwar schon bei fahrlässigem Handeln gegeben sein, doch bedeute die versehentliche Unterlassung des Weiterleitens von (bezahlten) Rechnungen mit geringfügigen Beträgen keine schwerwiegende Gefährdung der Interessen der Beklagten, da der Kauf von Ersatzteilen auf ihren Namen allgemein üblich gewesen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die zweite Instanz hielt die Beweis- und Mängelrüge der Beklagten nicht für berechtigt, wohl aber die Rechtsrüge. Dem Kläger falle ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Meldung der Übernahme der beiden Privatgeräte zur Last. Dazu komme, daß er die Überprüfung dieser beiden Geräte trotz starker Arbeitsbelastung während der Arbeitszeit durchgeführt habe, andererseits aber dem Ersuchen der Beklagten um Durchsicht von Rechnungen nur widerwillig nachgekommen sei. Daß die Beklagte die Durchführung von Privatarbeiten während der Arbeitszeit jemals toleriert hätte, sei nicht erwiesen. Wesentlich schwerer als der Vorfall vom 18. Februar 1987 wögen aber die vom Kläger im Namen der Beklagten vorgenommenen Privateinkäufe und -reparaturen, von denen er die Beklagte weder in Kenntnis gesetzt noch ihr die Rechnungen ausgefolgt habe. Der Kläger habe dadurch die Beklagte der Gefahr ausgesetzt, in den Verdacht einer nicht zuverlässigen Buchführung und der Steuerhinterziehung zu geraten, da es bei finanzbehördlichen Betriebsprüfungen üblich sei, Ausgangsbelege von Liefer- und Reparaturfirmen mit Eingangsbelegen (von Bestellerfirmen) zu vergleichen. Der Verdacht einer Steuerentziehung hätte umso eher entstehen müssen, als die Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, der Finanzbehörde über die betreffenden Rechnungen zufriedenstellende Auskünfte zu erteilen. Das hätte zu einer genauen Betriebsprüfung, allenfalls sogar zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens führen können, wodurch der Beklagten aller Voraussicht nach nicht nur zusätzliche Steuerberatungskosten entstanden wären, sondern auch eine erhebliche Schädigung des Rufes ihres Unternehmens gedroht habe.

Die Vorgangsweise des Klägers habe daher wesentliche Interessen der Beklagten gefährdet, so daß sein Verhalten den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit bilde, der weder Vorsatz noch Schädigungsabsicht voraussetze. Wegen der Häufung nicht gemeldeter Fälle habe die Beklagte befürchten müssen, daß der Kläger noch weitere Rechnunen auf ihren Namen habe ausstellen lassen. Der Kläger bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Ersturteil wieder hergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die in der Werkstättenordnung vom 4. Dezember 1978 enthaltene Dienstanweisung, die den Arbeitnehmern der Beklagten private Arbeiten in der Werkstätte - ausgenommen am eigenen (Fernseh-)Apparat der Arbeitnehmer - überhaupt untersagt, wurde im Unternehmen der Beklagten nicht praktiziert, da sie die Erlaubnis zu allen gemeldeten Reparaturen erteilte. Die Feststellung, daß der Kläger "99 %" seiner Privatreparaturen meldete, dürfte zwar nicht wörtlich zu nehmen, sondern dahin zu verstehen sein, daß er Reparaturen in den "allermeisten Fällen" gemeldet hat (AS 55).

Jedenfalls geht aus der Feststellung auch bei dieser Auslegung

hervor, daß genehmigte Privatreparaturen im Unternehmen der

Beklagten so häufig waren, daß sie sich nicht nur auf das eigene

Fernsehgerät des betreffenden Arbeitnehmers beziehen konnten. Die

Beklagte wirft dem Kläger auch nicht vor, Privatarbeiten für dritte

Personen durchgeführt zu haben, sondern am 18. Februar 1987 zwei

Geräte ohne Kenntnis der Firmenleitung in die Werkstätte gebracht

und dort repariert zu haben. Nach den Feststellungen der

Vorinstanzen versuchte der Kläger am 18. Februar 1987 "den

Nachmittag über bis zum Betriebsschluß um 17 Uhr" - also offenbar

mehrmals - die Beklagte zu erreichen, um sie von den um die

Mittagszeit in den Betrieb gebrachten Geräten eines Privatkunden zu verständigen. Dies war jedoch nicht möglich, weil sich die Beklagte nicht im Betrieb aufhielt. Daß der Kläger am folgenden Tag eine Nachmeldung dieser beiden Geräte versehentlich unterließ, bildet keinen schweren Verstoß gegen seine Dienstpflichten, zumal sich bei dem Probelauf der beiden Geräte herausgestellt hatte, daß daran keine Reparaturen vorzunehmen waren und eine Meldepflicht erfahrungsgemäß leichter übersehen wird, wenn man den Empfänger der Meldung nicht sofort erreicht und die Sache neben anderen dienstlichen Angelegenheiten in Erinnerung behalten muß. Der Vorwurf des Berufungsgerichtes, der Kläger sei dem Ersuchen der Beklagten, gemeinsam unbezahlte Rechnungen durchzusehen, nur widerwillig nachgekommen, steht mit der Übernahme der zwei Privatgeräte durch ihn nicht im Zusammenhang, da diese Geräte erst danach in den Betrieb gebracht wurden. Das den Anlaß zur Entlassung bildenden Versehen des Klägers war daher nur eine geringfügige Ordnungswidrigkeit, die die vorzeitige Entlassung des Klägers nicht rechtfertigte.

Die Beklagte war allerdings berechtigt, die Entlassung auch auf Umstände zu stützen, die ihr erst nach dem Ausspruch der Entlassung bekannt geworden waren (Arb. 9229; 9492; 10.535 !dort:

Austritt ua). Auch die - von der Beklagten erst nachträglich entdeckte (AS 45) - Unterlassung der Weiterleitung mehrerer auf ihren Namen ausgestellter (bezahlter) Rechnungen an die Unternehmensleitung rechtfertigt die ausgesprochene Entlassung nicht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war es den Arbeitnehmern erlaubt, im Namen der Beklagten für private Zwecke Ersatzteile zu kaufen. In der Zeit vom 23. Mai 1985 bis zu seiner Entlassung hat der Kläger in zwei Fällen den Kauf von Ersatzteilen und in drei weiteren Fällen die Erteilung von Reparaturaufträgen an dritte Firmen im Namen der Beklagten vorgenommen, die hierüber ausgestellten (und von ihm bezahlten) Rechnungen aber aus nicht feststellbaren Gründen an die Beklagte nicht weitergeleitet. In allen übrigen Fällen hat er der Beklagten die betreffenden Rechnungen übergeben.

Der Vorfall vom 23. Mai 1985 bezog sich auf eine Privatreparatur in Höhe von S 720,44. Er lag - ebenso wie jener vom 24. April 1986 - am 19. Februar 1987 bereits so weit zurück, daß er selbst dann, wenn er ursprünglich einen Entlassungsgrund gebildet hätte, bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers soviel an Bedeutung verloren hat, daß der Beklagten die Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar war und der Kläger deswegen nach Treu und Glauben mit dem Ausspruch der Entlassung nicht mehr zu rechnen brauchte. Aus den Reparaturaufträgen vom 2. Dezember 1986 und 11. Dezember 1986 sind keine Kosten erwachsen, so daß der Kläger mit guten Gründen der Meinung sein konnte, er müsse die beiden "Reparaturrechnungen" (Beilagen 5 und 6) der Beklagten nicht zu dem Zweck vorlegen, damit sie ihrerseits an den Kläger eine "Faktura" ausstellen könne. Es bleibt daher nur der Ersatzteilkauf vom 18. Dezember 1986 über den relativ geringfügigen Betrag von S 452,40 (Beilage 4), den der Kläger ebenfalls nur aus bloßem Versehen nicht meldete, weil er, wie das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausführte, aus der Unterlassung keinen Vorteil erhoffen konnte.

Dem Berufungsgericht ist zwar darin zu folgen, daß die Beklagte, wenn sie schon ihren Arbeitnehmern aus Entgegenkommen gestattete, Privatkäufe und private Reparaturaufträge in ihrem Namen bei Dritten zu erteilen, ein berechtigtes Interesse daran hatte, von den in ihrem Namen getätigten Rechtsgeschäften in jedem Fall verständigt zu werden, auch wenn die Waren oder Reparaturleistungen vom betreffenden Arbeitnehmer ohnehin schon bar bezahlt worden waren. Sie mußte allenfalls damit rechnen, daß die Finanzbehörden zwischen den Ausgangsrechnungen der betreffenden Unternehmen und den Eingangsrechnungen der Beklagten aus Anlaß einer Betriebsprüfung Vergleiche anstellen könnten. Die Beklagte hat aber nicht einmal behauptet, daß sie ihre Arbeitnehmer und insbesondere den Kläger auf diese Möglichkeit hingewiesen und ermahnt habe, ihr auch bereits bezahlte Rechnungen lückenlos vorzulegen. Der Inhalt der seinerzeitigen im Betrieb angeschlagenen Werkstättenordnung aus dem Jahre 1978, die Privateinkäufe überhaupt verbot (Beilage 1 Punkt 2), und im Übertretungsfall eine Anzeigeerstattung an das Finanzamt anordnete, war durch die später erteilte Genehmigung überholt und den Arbeitnehmern nicht mehr geläufig. Steht aber nicht fest, daß dem Kläger eine mögliche Gefährdung der Interessen der Beklagten bewußt war oder wenigstens bewußt sein mußte, kann das mehrmalige Übersehen der Meldung bezahlter Rechnungen in geringer Höhe bei sonstiger Vornahme derartiger Meldungen den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nicht rechtfertigen, zumal ein Arbeitnehmer, der sich während eines langjährigen Arbeitsverhältnisses wohl verhalten hat, einen größeren Vertrauensvorschuß erwarten darf als ein Arbeitnehmer, der sich bereits einer (ins Gewicht fallenden) Verfehlung schuldig gemacht hat (4 Ob 65/84). Überdies hat der Kläger den im Namen der Beklagten erteilten Reparaturaufträgen auch seinen Namen beigefügt, so daß es im Falle finanzbehördlicher Überprüfungen durchaus möglich war, den Beweis zu führen, daß es sich in Wahrheit um außerbetriebliche Rechtsgeschäfte eines Arbeitnehmers gehandelt hatte. Der Tatbestand des § 27 Z 1 AngG liegt daher noch nicht vor, so daß das Ersturteil wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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