OGH 2Ob99/88

OGH2Ob99/8813.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf W***, Pensionist, Ebenzweier 41, 4813 Altmünster, vertreten durch Dr. Wilfried Mayer, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagten Parteien 1. Karl M***, Pensionist, Neukirchen 393, 4813 Altmünster, und 2. O*** W*** V***,

Gruberstraße 32, 4020 Linz, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung und Schadenersatz (Revisionsinteresse S 139.528,-- sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. März 1988, GZ 12 R 7/88-58, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Kreisgerichtes Wels vom 17. November 1987, GZ 3 Cg 326/85-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.223,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 565,79 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 16. Oktober 1984 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Abgesehen von bereits mit Teilurteil erledigten Ansprüchen (insbesondere Feststellungsbegehren) begehrt der Kläger einen Schadenersatzbetrag von S 357.954,50. Darin ist ein Verdienstentgang von S 139.528,-- enthalten.

Das Erstgericht erkannte mit neuerlichem Teilurteil die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 139.528,-- samt Zinsen zu bezahlen. Hiebei ging es von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger und sein Bruder waren je zur Hälfte Gesellschafter einer in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Holzwarenerzeugung. Der Gesellschaftsvertrag wurde mündlich errichtet. Beide Gesellschafter brachten in die Gesellschaft ihre Arbeitskraft sowie das ihnen je zur Hälfte gehörende Betriebsgrundstück ein. Im Vordergrund stand der persönliche Arbeitseinsatz des Klägers, seine Tätigkeit beschränkte sich ausschließlich auf die handwerkliche Erzeugung, während sein Bruder den kaufmännischen Bereich wahrzunehmen hatte. Als konkrete Abgeltung für den persönlichen Arbeitseinsatz wurde für jeden der beiden Gesellschafter ein monatlicher (steuertechnisch als Vorwegbezug bezeichneter) Betrag von S 12.000,-- - unabhängig vom Betriebsergebnis (Gewinn) - vereinbart und ausbezahlt. Ein Betrag in dieser Höhe ist im Vergleich mit den Mindestgehältern für Angestellte des holzverarbeitenden Gewerbes angemessen. Ein sich zum Jahresende ergebender darüber hinaus gehender Gewinn oder Verlust wurde zwischen den Gesellschaftern im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt bzw. aus gebildeten Rücklagen kompensiert. Seit dem Unfallstag erhält der Kläger den Betrag von S 12.000,-- monatlich nicht mehr, weshalb sich für den Zeitraum von November 1984 bis einschließlich Oktober 1985 unter Berücksichtigung des bezogenen Arbeitslosengeldes im Ausmaß von S 4.472,-- ein Gesamtausfall von S 139.528,-- ergibt. In den Jahren 1981 bis 1983 erwirtschaftete die Gesellschaft Gewinne, während in den Jahren 1984 bis 1985 Verluste auftraten. Das Gesellschaftsverhältnis wurde zum 31. Oktober 1985 aufgelöst, seit damals ist der Kläger als atypischer stiller Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt. Mangels Branchenkennzahlen für holzverarbeitende Betriebe in Oberösterreich ist eine Feststellung des durch den Unfall bedingten Verdienstausfalles der Gesellschaft nicht möglich. Mit großer Wahrscheinlichkeit wären jedoch die Vorwegbezüge des Klägers im Gewinn gedeckt gewesen, wäre seine Arbeitskraft nicht unfallsbedingt ausgefallen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Vorwegbezug sei als Abgeltung für den persönlichen Einsatz des Klägers im handwerklichen Bereich zu werten, dieser durch den unfallsbedingten Ausfall der Arbeitskraft weggefallene Betrag sei der Schadensermittlung zugrundezulegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellung, der Vorwegbezug sei gewinnunabhängig gewesen, nicht und ersetzte sie durch die Feststellung, der vereinbarte monatliche Vorwegbezug habe eine Gewinnakontierung dargestellt. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, traf jedoch nach Beweiswiederholung folgende ergänzende Feststellungen:

Der Umsatz der Gesellschaft betrug im Jahr 1981 S 3 Mio, 1982 S 2,664.000,--, 1983 S 2,897.000,--, 1984 S 2,546.000,-- und 1985 S 2,135.000,--. Der Umsatz- und Ertragsrückgang des Jahres 1982 zum Vergleichsjahr 1981 ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß der Kläger durch einen Arbeitsunfall ca. 4 bis 6 Wochen arbeitsunfähig war. Die negative wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft in den Jahren 1984 und 1985 ist auf den Ausfall der Arbeitskraft des Klägers durch den Unfall am 16. Oktober 1984 zurückzuführen. Bei einer Fortsetzung der Geschäftstätigkeit ohne den Ausfall der Arbeitskraft des Klägers wären mit großer Wahrscheinlichkeit die Vorwegbezüge auch in den Jahren 1984 und 1985 im Gewinn gedeckt gewesen. Eine genaue Ermittlung der für den Umsatz- und Gewinnrückgang maßgeblichen Faktoren ist nicht möglich, sondern es können nur Näherungsergebnisse erzielt werden. Bei der Umsatzentwicklung im Jahre 1985 ist zu beachten, daß nach dem Arbeitsausfall des Klägers in der Gesellschaft verstärkt Handelswarenumsätze getätigt wurden.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, der Schädiger müsse bei Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten den Verdienstentgang als positiven Schaden ersetzen, wenn der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst gehabt habe. Verdienst sei jeder Arbeitserwerb, der unselbständige wie der selbständige; der Verdienstentgang eines Unternehmers im Geschäftsbetrieb stehe einem Dienstvertragsentgelt gleich. Wäre aus dem Geschäftsbetrieb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Verdienst eingetreten, habe der Schädiger für diesen Ausfall zu haften, wobei die Ersatzhöhe unter Umständen unter Zuhilfenahme des § 273 ZPO festzusetzen sei. Gleiches gelte für die Beteiligung an einer Gesellschaft. Entstehe durch den Ausfall eines mitarbeitenden Gesellschafters ein Gewinnentgang, könne diesen der Gesellschafter in dem Ausmaß fordern, der seiner gesellschaftlichen Beteiligung entspreche. Da der Kläger einen unfallskausalen Gewinnentgang der Gesellschaft dahingehend habe nachweisen können, daß durch den Ausfall seiner Arbeitskraft die Unternehmerlöhne nicht mehr hätten erwirtschaftet werden können, sei sein Schaden gemäß § 273 ZPO mit der Höhe des weggefallenen Vorwegbezuges für den geltend gemachten Zeitraum zu beziffern. Aus dem Umstand, daß ohne die unfallsbedingte Erwerbsunfähigkeit des Klägers die Gesellschaft positive Ergebnisse erzielt hätte, die zur Finanzierung der Unternehmerlöhne ausgereicht hätten, sei für die Frage des Verdienstentganges, der nur im Ausmaß des Vorwegbezuges eingeklagt worden sei, der allfällige Ertrag der Sacheinlage bzw. die Entwicklung des Kapitalkontos unerheblich. Allfällige derartige Ansprüche des Klägers könnten nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf den Verdienstentgang angerechnet werden.

Die Beklagten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen die Anfechtungsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (dabei werden auch Aktenwidrigkeiten behauptet) geltend und beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanzen. Hilfsweise wird die Abänderung der Entscheidung im Sinne der Abweisung des Verdienstentgangsbegehrens beantragt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nicht nur mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, sondern auch mit einem wesentlichen Teil der Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung bekämpfen die Beklagten die Gutachten des Sachverständigen Dr. P*** und die auf der Grundlage dieser Gutachten getroffenen Feststellungen. So wird zunächst gerügt, die vom Sachverständigen gezogenen Schlüsse beruhten auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung bzw. Auffassung des Sachverständigen, es sei nicht Sache des Sachverständigen, rechtliche Prämissen und Rechtsgrundsätze aufzustellen und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Diesen Ausführungen ist zuzugeben, daß die Sachverständigengutachten umfangreiche Rechtsausführungen zur Frage des Verdienstentganges eines Gesellschafters enthalten. Dies wäre nicht Gegenstand des Sachverständigengutachtens gewesen, der Sachverständige hat auf Grund seiner besonderen Sachkunde dem Richter eine Grundlage für die Tatsachenfeststellungen zu verschaffen. Daß die Tatsachenermittlung des Sachverständigen unrichtig wäre, weil er von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausging, vermögen die Revisionswerber aber nicht aufzuzeigen. Richtig ist auch, daß der Sachverständige ausführte, die rückläufige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft in den Jahren 1983 und 1984 werde vom Steuerberater auf den Ausfall der Arbeitskraft des Klägers zurückgeführt. Zutreffend weisen die Beklagten darauf hin, daß dies für das Jahr 1983 nicht richtig sein kann, weil sich der Unfall erst am 16. Oktober 1984 ereignete, doch ist dies ohne Bedeutung, weil der Sachverständige und die Vorinstanzen lediglich den Rückgang seit 1984 auf den Unfall zurückführten. Den Ausführungen, der bedeutsame Umsatzrückgang des Jahres 1984 könne nicht auf einen Ausfall der Arbeitskraft des Klägers ab 16. Oktober 1984 zurückzuführen sein, ist zu erwidern, daß die Vorinstanzen dies ausdrücklich feststellten und auch begründeten, auf Grund welcher Überlegungen sie zu diesem Ergebnis kamen. Hier handelt es sich also um eine Frage der in dritter Instanz nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung. Auch die Revisionsausführungen, der Umsatzrückgang sei auf einen mit 1983 beginnenden wirtschaftlichen Niedergang zurückzuführen, stellen eine nicht zulässige Beweisrüge dar. Der in der Revision behauptete Widerspruch zwischen den beiden schriftlichen Gutachten des Sachverständigen ON 25 und 36 hinsichtlich des Gewinnes des Jahres 1983 liegt nicht vor, denn beim Gewinn in ON 25 sind die Vorwegbezüge der beiden Gesellschafter abgezogen, in ON 36 aber nicht, worauf der Sachverständige auch ausdrücklich hinwies. Die Ausführungen, eine weitere Ergänzung des Sachverständigengutachtens wäre entgegen der Meinung des Sachverständigen möglich gewesen, der Schriftsatz mit den Einwänden der Beklagten gegen das Gutachten wäre dem Sachverständigen vor seiner Vernehmung zuzustellen gewesen, betreffen das Verfahren erster Instanz und vermögen keinen Mangel des Berufungsverfahrens zu begründen. Inwieweit die Ausführungen des Berufungsgerichtes, es entspreche der Lebenserfahrung, daß eine Gesellschaft, die ausschließlich auf die Arbeit von zwei Gesellschaftern aufgebaut sei, durch den Ausfall des einen Umsatz- und Gewinneinbüßen erleide, aktenwidrig sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Es liegen daher weder Mängel des Berufungsverfahrens noch eine Aktenwidrigkeit vor.

Zur rechtlichen Beurteilung ist darauf hinzuweisen, daß sich der vorliegende Fall von jenen, wesentlich unterscheidet bei welchen sich Rechtsprechung und Lehre bisher mit der Frage des Verdienstentganges eines Gesellschafters beschäftigt haben (vgl. etwa SZ 52/44, JBl 1984, 262, GesRZ 1985, 138; Harrer in GesRZ 1985, 130; Huber in JBl 1987, 613). Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich nicht um die Frage der Ersatzfähigkeit einer Gewinnminderung der Gesellschaft oder der Kosten einer Ersatzarbeitskraft, sondern um einen den Kläger selbst treffenden Entgang von monatlich S 12.000,-- auf Grund der Unfallsverletzungen. Dieser Betrag wurde ihm vor dem Unfall als Abgeltung für seinen persönlichen Arbeitseinsatz ausbezahlt, nach dem Unfall, nach dem er für die Gesellschaft keine Arbeitsleistungen mehr erbringen konnte, aber nicht mehr. Die Ansicht der Revisionswerber, der dem anderen Gesellschafter auch weiterhin ausbezahlte Vorwegbezug wäre zu halbieren gewesen, der Kläger hätte Anspruch auf die Hälfte des Betrages gehabt, kann nicht geteilt werden. Der andere Gesellschafter erbrachte seine Arbeitsleistungen weiterhin, weshalb er Anspruch auf die als Abgeltung für den Arbeitseinsatz bezahlten Beträge hatte. Weshalb auch der Kläger, der keine Arbeitsleistungen mehr erbringen konnte, Anspruch auf eine Abgeltung für Arbeitsleistungen haben sollte, vermögen die Revisionswerber nicht aufzuzeigen. Die von ihnen vertretene Ansicht würde bei einer Gesellschaft zutreffen, bei welcher ein Gesellschafter einen unabhängig von seinen Arbeitsleistungen vertraglich festgelegten Gewinnanspruch hat, nicht aber im vorliegenden Fall, in welchem die Zahlungen an die Gesellschafter eine Abgeltung der Arbeitsleistungen darstellten.

Auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen ist somit davon auszugehen, daß der Kläger bis zum Unfall als Abgeltung für den Einsatz seiner Arbeitskraft einen Betrag von monatlich S 12.000,-- erhielt, dies ab dem Unfall aber nicht mehr der Fall ist, weil der Kläger arbeitsunfähig ist und daß der Kläger ohne die Unfallsverletzungen den Betrag auch weiterhin ausbezahlt bekommen hätte, zumal die Gesellschaft in diesem Fall einen entsprechenden Gewinn erzielt hätte. Ein Anspruch auf Bezahlung eines Gewinnanteiles unabhängig von dem Vorwegbezug für Arbeitsleistungen stand dem Kläger für die Jahre 1984 und 1985 nicht zu, weil die Gesellschaft in diesen Jahren einen Verlust hatte. Damit kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß es sich bei dem Betrag von monatlich S 12.000,-- um einen gemäß § 1325 ABGB zu ersetzenden Verdienstentgang handelt.

Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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