OGH 4Ob39/88

OGH4Ob39/8813.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Angst, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*** B*** M*** Gesellschaft mbH, Gerasdorf, Brünner Bundesstraße 151, vertreten durch Dr.Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Josef K***, Kaufmann, Wien 16., Stillfriedplatz 11-12, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 10.März 1988, GZ 3 R 6/88-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19. November 1987, GZ 17 Cg 87/87-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder hergestellt wird, daß sie zu lauten hat:

"Der beklagten Partei wird im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Blumen für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, ihre Betriebsstätte in Wien 16., Stillfriedplatz 11-12, an mehr als 6 Sonn- oder Feiertagen im Jahr offenzuhalten".

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses und der Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung und des Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt an mehreren Standorten in Wien das Blumenbindergewerbe und den Einzelhandel mit Naturblumen. Der Beklagte betreibt dieses Gewerbe in seinem Verkaufslokal in Wien 16., Stillfriedplatz 11-12. Er hielt dieses Geschäft im Jahre 1987 an folgenden Sonn- und Feiertagen dadurch geöffnet, daß er vor dem Lokal in einem transportablen Verkaufsstand Naturblumen feilhielt: 12.April, 19.April (Ostersonntag), 20.April (Ostermontag), 26.April, 1.Mai (Staatsfeiertag), 3.Mai, 10.Mai, 17. Mai und 28.Mai (Christi Himmelfahrt).

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin mit einstweiliger Verfügung, dem Beklagten zu verbieten, beim Handel mit Blumen seine Betriebsstätte an Sonn- oder Feiertagen offenzuhalten, soweit dies nicht gesetzlich zulässig ist. Der Beklagte habe durch mindestens neunmaliges Offenhalten seines Verkaufslokales gegen das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz (BZG), das Arbeitsruhegesetz (ARG) und die dazu ergangene Arbeitsruhegesetz-Verordnung (ARG-VO) verstoßen. Die für Blumengeschäfte bei Friedhöfen und Krankenhäusern geltende Ausnahmevorschrift des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO komme dem Beklagten nicht zugute, weil sein Geschäftslokal vom Ottakringer Friedhof 710 m und vom Wilhelminenspital 470 m entfernt sei.

Der Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus und berief sich auf die zitierte Ausnahmebestimmung. Sein Verkaufsstand sei nur wenige (unter 5) Minuten sowohl vom Ottakringer Friedhof als auch vom Wilhelminenspital und den zugehörigen Stationen öffentlicher Verkehrsmittel entfernt. Ein Verstoß gegen die Ausnahmebestimmung des ARG-VO wäre ihm überdies nicht vorwerfbar, weil ihm mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29.September 1982 der Gebrauch des öffentlichen Gemeindegrundes in Wien 16., Stillfriedplatz, vor der ONr. 11 bis 12, durch Aufstellen eines transportablen Verkaufsstandes für den Kleinhandel mit Naturblumen an Sonn- und Feiertagen ausdrücklich gestattet worden sei.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm als bescheinigt an, daß die Entfernung vom mobilen Blumenverkaufsstand des Beklagten in Wien 16., Stillfriedplatz, vor der ONr. 11 bis 12, zum Ottakringer Friedhof, zum Wilhelminenspital und zu den zugehörigen Stationen öffentlicher Verkehrsmittel jeweils weniger als 5 Gehminuten beträgt.

Der Magistrat der Stadt Wien (MA 59-Marktamt) hat dem Beklagten am 29.September 1982 gemäß den Bestimmungen des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 die Erlaubnis erteilt, "den öffentlichen Gemeindegrund und den darüber befindlichen Luftraum in Wien 16., Stillfriedplatz vor ONr. 11 bis 12, stadteinwärts vom Geschäftseingang im Anschluß an die zweite Auslage, unmittelbar vor der Hausmauer, durch Aufstellung eines transportablen Verkaufsstandes (ein fahrbares Verkaufsregal) im Ausmaß von 100 cm x 300 cm für den Kleinhandel mit Naturblumen an Sonn- und Feiertagen zu gebrauchen."

Das Erstgericht war der Rechtsansicht, daß die Ausnahmevorschrift des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO hier nicht angewendet werden könne. Bei der aus dem vorgelegten Stadtplan ersichtlichen Entfernung des mobilen Verkaufsstandes des Beklagten vom Ottakringer Friedhof und vom Wilhelminenspital, deren Überwindung zugegebenermaßen mehrere Minuten erfordere, könne nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Betriebsstätte "bei" einem Friedhof (einer Krankenanstalt) liege; letzteres sei nur dann der Fall, wenn sich eine Betriebsstätte in unmittelbarer Nähe solcher Einrichtungen befinde.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige. In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus, daß der Beklagte mit gutem Grund seine Berechtigung zum Blumenverkauf auch an Sonn- und Feiertagen habe annehmen können; ein allfälliger Gesetzesverstoß sei ihm daher subjektiv nicht vorwerfbar. Der Beklagte habe nämlich im Hinblick auf den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien mit gutem Grund der Auffassung sein können, seine Betriebsstätte befinde sich noch "bei" einem Friedhof bzw. Krankenhaus, weil ihm andernfalls die Behörde die in Rede stehende "Betriebsgenehmigung" für Sonn- und Feiertage nicht hätte erteilen dürfen. Da der Sicherungsantrag schon aus diesem Grund abzuweisen sei, müsse auch nicht mehr näher geprüft werden, ob die Ausnahmebestimmung des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO auf die Betriebsstätte des Beklagten anwendbar sei oder nicht und ob er an mehr als 6 Sonn- oder Feiertagen im Jahr nicht nur den mobilen Verkaufsstand, sondern auch seine Betriebsstätte benützt habe. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen, hilfsweise den angefochtenen Beschluß aufzuheben. Der Beklagte stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Gewerbeausübung an Sonn- und Feiertagen ist gemäß § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG in bezug auf Tätigkeiten zulässig, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen erlaubt ist.

§ 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG verweist damit für die Zulässigkeit der Gewerbeausübung an Sonn- und Feiertagen - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im betreffenden Gewerbebetrieb tatsächlich Arbeitnehmer beschäftigt werden (JBl 1988, 50; 4 Ob 37/88) - auf die auf Grund des § 12 Abs 1 des Arbeitsruhegesetzes BGBl 1983/144 (ARG) erlassene und zugleich mit diesem am 1.Juli 1984 in Kraft getretene ARG-VO BGBl 1984/149 (inzwischen abgeändert durch VO BGBl 1984/270 und 1985/545). Die ARG-VO enthält in der Anlage eine (teils taxative, teils demonstrative) Aufzählung der Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe (sogenannter Ausnahmekatalog), die als Ausnahmerecht von Arbeitnehmerschutzbestimmungen einschränkend auszulegen ist (Schwarz, Arbeitsruhegesetz 295).

Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe bestehen gemäß Punkt I Z 2 lit c der Anlage zur ARG-VO (Ausnahmekatalog)

"in Betrieben der Bundesinnung der Gärtner und Blumenbinder (für die) Betreuung der Kunden im Detailverkauf

aa) bei Friedhöfen während der Öffnungszeiten und bei Krankenanstalten während der Besuchszeiten,

bb) an 6 Sonn- und Feiertagen im Jahr und an Samstagen, die vor folgenden Festtagen liegen, bis 17 Uhr: Neujahr, Valentinstag, Ostern, Muttertag, Pfingsten, Allerheiligen (zwei Samstage vorher), Adventsonntage, Weihnachten."

Daraus folgt aber, daß der Beklagte entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes aus dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 29.September 1982 noch keine Berechtigung zur Gewerbeausübung an mehr als 6 Sonn- und Feiertagen im Jahr arbeiten konnte und durfte. Damit hatte er nämlich auf Grund des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 LGBl 20 in der geltenden Fassung lediglich die Erlaubnis für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund (Gehsteig) zu anderen als den widmungsmäßigen (hier als Verkehrsfläche) Zwecken an Sonn- und Feiertagen erwirkt; zugleich war ihm die Benützung von Straßen (hier: des Gehsteiges) zu verkehrsfremden Zwecken auch gemäß § 82 Abs 1 StVO 1960 bewilligt worden. Für die Gebrauchserlaubnis nach dem erstgenannten Landesgesetz sind ausschließlich öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauchliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes maßgeblich (§ 2 Abs 2 Wiener GebrauchsabgabeG 1966). Die landesgesetzlich geregelten Gemeindeabgaben (Gebrauchsabgaben) für den Gebrauch öffentlichen Gemeindegrundes sind Verkehrssteuern (Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II 55), sie gehören daher dem Finanzrecht an. Auch für die Benützungsbewilligung nach § 82 Abs 1 StVO 1960 ist ausschließlich die Sorge für die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf Straßen und Wegen maßgeblich (§ 82 Abs 5). Es handelt sich somit in beiden Fällen um keine gewerberechtlichen Vorschriften, zu deren Erlassung ein Landesgesetzgeber im übrigen auch gar nicht berufen wäre.

Aus der Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis bzw. Benützungsbewilligung zum Aufstellen eines transportablen Verkaufsstandes auf dem Gehsteig vor dem Verkaufslokal für den Kleinhandel mit Naturblumen an Sonn- und Feiertagen konnte der Beklagte daher keineswegs mit guten Gründen ableiten, daß er ohne Rücksicht auf die gewerberechtlichen Vorschriften zum Detailverkauf von Naturblumen an allen Sonn- und Feiertagen des Jahres berechtigt sei. Mit Recht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auch darauf, daß sich eine solche Annahme schon auf Grund des Schlußsatzes der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides verboten hätte, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß diese Bewilligung noch nicht zur Gewerbeausübung berechtige. Dazu kommt noch, daß der Beklagte sein Gewerbe gemäß Punkt I Z 2 lit c/bb der Anlage zur ARG-VO an 6 Sonn- und Feiertagen im Jahr jedenfalls ausüben durfte, so daß auch aus diesem Grund der Schluß, die den Bescheid erteilende Behörde sei der Auffassung, daß sein Betrieb jedenfalls der Ausnahmebestimmung des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO unterliege, haltlos wäre. Der Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Es bedarf somit noch der Prüfung, ob er durch das von ihm zugestandene Feilhalten von Naturblumen an mehr als 6 Sonn- und Feiertagen im Jahr 1987 gegen § 2 Abs 2 BZG verstoßen hat, weil der Standort seiner Betriebsstätte, die er auch durch den bloßen Verkauf im transportablen Verkaufsstand davor offengehalten hat, nicht unter den Ausnahmekatalog des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO fällt.

Wie der erkennende Senat bereits in den Entscheidungen vom 30. November 1987, 4 Ob 393/87, vom 15.März 1988, 4 Ob 12/88, vom 12. April 1988, 4 Ob 16/88, und vom 14.Juni 1988, 4 Ob 37/88, zur Auslegung der Begriffe "bei Friedhöfen" und "bei Krankenanstalten" ausgesprochen hat, hat jede Gesetzesauslegung mit der Erforschung des Wortsinnes zu beginnen (Koziol-Welser8 I 20). Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt (§ 6 ABGB, Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 6; Koziol-Welser aaO). Das Vorwort "bei" gehört der Alltagssprache an und hat auch in der Sprache des Gesetzgebers keine davon abweichende Bedeutung. Es dient - unter anderem - zur Angabe der räumlichen Nähe; ob damit eine besonders enge Nähe, eine lose Berührung oder gar nur der Hinweis auf etwas weiter entfernt Gelegenes gemeint ist, hängt jeweils von der Wortverbindung ab (vgl Duden, das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bänden, Band 1, 331; Duden, Bedeutungswörterbuch2, 124 und die dort angeführten Beispiele). Hiebei spielen nicht nur die Bedeutung (Größe) und die Entfernung der Objekte, die durch das Wort "bei" zueinander in örtliche Beziehung gebracht werden, eine Rolle, sondern unter Umständen auch dazwischenliegende Objekte. Wird etwa gesagt, daß ein Haus "bei" einem bestimmten Objekt (zB einer Kirche, einer Schule etc) liege, dann soll das Vorwort "bei" hier die unmittelbare Nähe zum Ausdruck bringen. Ist aber ein Haus etwa 200 m von einer Kirche entfernt, so wird man nur dann sagen, daß es "bei" der Kirche liegt, wenn dazwischen keine anderen Objekte sind; liegen aber solche dazwischen, dann wird der Gebrauch des Wortes "bei" irreführend sein.

Diese Relativität der Objektbeziehung "bei" macht es erforderlich, bei der Auslegung auch auf den Zweck der Norm Rücksicht zu nehmen. Der Zweck der für Blumengeschäfte "bei Friedhöfen" und "bei Krankenanstalten" geschaffenen Ausnahmebestimmung liegt offenkundig darin, all denen, die einen Friedhof während der Öffnungszeiten oder eine Krankenanstalt während der Besuchszeiten aufsuchen wollen, die Möglichkeit zu geben, auch während der Wochenend- und Feiertagsruhe Blumen zu kaufen; da die arbeitende Bevölkerung während der üblichen Freizeit am Wochenende und an Feiertagen am ehesten Zeit hat, Kranken- und Friedhofsbesuche zu machen, ist dann der Bedarf an Blumen besonders groß. Der Verordnungsgeber ist aber nicht so weit gegangen, zu diesem Zweck den Gärtnern und Blumenbindern ganz allgemein das Offenhalten an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zu gestatten; er hat vielmehr die Ausnahmeregelung auf Betriebe dieser Geschäftszweige bei Friedhöfen und bei Krankenanstalten und überdies auch nur auf die Öffnungs- bzw. Besuchszeiten dieser Einrichtungen beschränkt. Nach dem Zweck der Bestimmung ist daher die Auffassung vertretbar, daß sich auch ein nicht ganz nahe und nicht in Sichtweite eines Friedhofes oder einer Krankenanstalt liegendes Blumengeschäft dann "bei" dem Friedhof oder der Krankenanstalt befindet, wenn es auf dem Weg von der nächstgelegenen Haltestelle eines Massenbeförderungsmittels zur Krankenanstalt oder zu einem Friedhof liegt. Dabei kommt es auf die Geh- und Fahrstrecke zum Eingang des Friedhofes oder der Krankenanstalt und nicht auf die Entfernung in der Luftlinie zum Areal einer solchen Einrichtung an. Auch Friedhofs- oder Spitalbesucher, die mit dem eigenen PKW kommen und diesen im näheren Umkreis einer solchen Einrichtung abstellen, sind zu berücksichtigen; dabei ist freilich auf weiter entfernte Parkplätze, die nur wegen besonderer Parkplatzknappheit aufgesucht werden, nicht mehr Bedacht zu nehmen. Besonders dann, wenn ein Krankenhaus oder ein Friedhof weit außerhalb der städtischen Zentren liegt, wird man das Wort "bei" großzügiger auslegen dürfen als in Ballungsgebieten, will man dem Zweck der Vorschrift gerecht werden. Die Klägerin rügt die Unterlassung von Feststellungen über die von ihr behaupteten Entfernungen der Betriebsstätte des Beklagten zum Wilhelminenspital und zum Ottakringer Friedhof; die vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Entfernung des Geschäftslokals des Beklagten von diesen Einrichtungen und den zugehörigen Stationen öffentlicher Verkehrsmittel von "weniger als 5 Gehminuten" ist im Lichte seiner weiteren Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dahin zu verstehen, daß die Gehzeit jedenfalls nicht unter 4 Minuten, sondern zwischen 4 und 5 Minuten liegt. Im übrigen sind die örtlichen Gegebenheiten dem erkennenden Senat aus dem Verfahren 4 Ob 37/88 gerichtsbekannt; sie lassen sich überdies auf Grund des von der Klägerin vorgelegten Lageplanes mit ausreichender Genauigkeit beurteilen:

Für die Verkehrslage des Wilhelminenspitals, eines der größten Krankenhäuser der Bundeshauptstadt, ist charakteristisch, daß Besucher, die öffentliche Verkehrsmittel benützen, nicht bis zu der am Spital vorbeiführenden Montleartstraße fahren können, sondern an der Haltestelle Maroltingergasse - Rankgasse (bei Benützung der Straßenbahnlinien 46 oder 10) oder an der Haltestelle Ecke Maroltingergasse - Joachimsthalerplatz (bei Benützung der Autobuslinie 48 A) aussteigen müssen. Von diesen Haltestellen aus kann man die beiden Eingänge des Wilhelminenspitals in der Montleartstraße auf kürzestem Weg erreichen. Das Geschäft des Beklagten liegt an der Nordseite des in den Verlauf der Thaliastraße eingebetteten Stillfriedplatzes. Stadtauswärts stößt die Thaliastraße in Anschluß an den Stillfriedplatz nach einer Seitengasse nördlich bzw. zwei Seitengassen südlich im rechten Winkel zunächst auf die Maroltingergasse und sodann auf die Montleartstraße; sie findet dort ihre Fortsetzung in der zum Ottakringer Friedhof stadtauswärts führenden Gallitzinstraße. Zwischen dem Stillfriedplatz und dem südwestlich davon gelegenen Areal des Wilhelminenspitals liegt dicht verbautes Stadtgebiet. Auf dem Stillfriedplatz befindet sich auch eine Straßenbahnhaltestelle der Linie 46, doch ist dies nicht die dem Wilhelminenspital nächstgelegene, die erst am Schnittpunkt der Maroltingergasse mit der Rankgasse liegt. Die Rankgasse ist die zweite Parallelstraße zur Thaliastraße in südlicher Richtung. Der Eingang zum Ottakringer Friedhof ist vom Geschäft des Beklagten noch weiter entfernt. Bei Anwendung der dargestellten Auslegungsgrundsätze ergibt sich daher, daß das Geschäft des Beklagten nicht unter die Ausnahmeregelung des Punktes I Z 2 lit c/aa der Anlage zur ARG-VO fällt, weil es nach seiner Lage den Zweck, den der Verordnungsgeber damit erreichen wollte, nicht mehr zu erfüllen vermag. Spitalsbesucher, die mit der Straßenbahnlinie 46 fahren, müßten schon eine Haltestelle vorher aussteigen, um beim Beklagten Blumen zu kaufen; für Benützer der Straßenbahnlinie 10 kommt das Geschäft überhaupt nicht in Betracht. PKW-Benützer könnten einen so weit entfernten Parkplatz im Bereich des Stillfriedplatzes nur wegen besonderer Parkplatzknappheit aufsuchen. All dies gilt in verstärktem Maße für den noch weiter entfernten Ottakringer Friedhof. Der Beklagte hat demnach gegen § 2 Abs 2 BZG verstoßen. Daß er dies in der Absicht getan hat, sich damit auf Kosten seiner gesetzestreuen Mitbewerber einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, liegt auf der Hand; er hat damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen (§ 1 UWG).

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen und ihr dabei im Sinne des Antragsvorbringens der Klägerin eine klarere und deutlichere Fassung zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung des Beklagten auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO und die §§ 40, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte