OGH 10ObS154/88

OGH10ObS154/886.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann (Arbeitgeber) und Dr. Josef Fellner (Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Walter Z***, Baumeister, Lausbichl 11, 6330 Kufstein, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harrasser, Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei A***

U***, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien,

vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Arbeitsunfall (Feststellung - Leistung), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 1988, GZ 5 Rs 24/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. März 1987, GZ 46 Cgs 1006/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist als selbständiger Baumeister unfallversichert. Etwa seit dem Jahr 1970 ist er überdies als Bausachverständiger für Hochbau und Architektur tätig, wobei er seit etwa 6 bis 7 Jahren regelmäßig als Bausachverständiger für die Gemeinde Reith bei Kitzbühel tätig ist und zur Gutachtenserstattung bei Bau- und Kollaudierungsverhandlungen beigezogen wird.

Am 13. März 1986 besichtigte der Kläger in seiner Funktion als Sachverständiger für Hochbau und Architektur für die Gemeinde Reith bei Kitzbühel anläßlich einer von dieser Gemeinde anberaumten Kollaudierungsverhandlung ein Bauwerk. Dabei sprang er vom Dachbodenraum ca. 2,5 m tief auf den Fußboden und zog sich eine Fersenbeinfraktur links zu. Dem Kläger wurde von seinem behandelnden Arzt empfohlen, sich einem Heilverfahren in Bad Ischia zu unterziehen.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Feststellung, daß die bei ihm zufolge der am 13. März 1986 erlittenen Fersenbeinfraktur eingetretene Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles sei sowie auf Verpflichtung der beklagten Partei zur Übernahme der Kosten für ein Heilverfahren in Bad Ischia ab. Es führte dazu aus, daß eine Sachverständigentätigkeit grundsätzlich dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unterliege, soferne diese Tätigkeit nicht als Teil des gewerblichen Wirkungsbereiches genannt sei. Die Tätigkeit des Klägers als Sachverständiger bei der Kollaudierungsverhandlung sei nicht im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben in seinem Gewerbebetrieb erfolgt, der Kläger sei vielmehr als Organ der Baubehörde tätig geworden. Da ein Versicherungsschutz für die Tätigkeit als Sachverständiger nicht bestehe, komme dem Begehren keine Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteige.

Die Versicherungspflicht des Klägers sei nur durch seinen Gewerbebetrieb begründet gewesen und habe auch den Rahmen abgesteckt, über den hinaus ein Versicherungsschutz nicht bestehe. Die außerhalb des Gewerbebetriebes ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Sachverständiger habe eine Versicherungspflicht nicht begründet. Dieses Ergebnis lasse sich auch aus einem Umkehrschluß zu § 176 Abs 1 Z 4 und Abs 3 ASVG ableiten. Bei öffentlich-rechtlichen Aufträgen sei der Regelungsbereich des Begriffes "die die Versicherung begründende Beschäftigung" streng auf die öffentlich-rechtliche Tätigkeit einzugrenzen. Dazu komme, daß auch die Bestimmungen über die Beitragsgrundlagen (§ 25 GSVG) ausschließlich auf Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit abstellten. Einkünfte aus einer Tätigkeit als Sachverständiger für eine Behörde seien daher in die Beitragsgrundlage nicht einzubeziehen. Auch die Tatsache, daß der Kläger jahrelang für die Gemeinde Reith als Sachverständiger tätig gewesen sei, ändere nichts daran, daß der Unfall nicht unter Versicherungsschutz gestanden sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zu prüfen ist die Frage, ob die Sachverständigentätigkeit des Klägers, anläßlich der sich der Unfall ereignete, vom Schutz der durch den Betrieb des Baumeistergewerbes begründeten Unfallversicherung umfaßt war. Der Kläger vertritt dazu den Standpunkt, daß als betriebliche Tätigkeit jene Tätigkeit anzusehen sei, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen stehe, wobei sich der Versicherte auch über die Grenzen des Betriebes hinausbegeben könne, sofern dies für die Zwecke des Betriebes unmittelbar oder mittelbar dienlich sei. Da er ständig als Bausachverständiger für die Gemeinde Reith tätig gewesen sei, müsse diese Tätigkeit als betriebliche Tätigkeit angesehen werden, zumal auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen bestanden habe.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG besteht eine Teilversicherung in der Unfallversicherung - neben den dort näher bezeichneten, hier nicht in Betracht kommenden Gesellschaftern - für alle selbständig Erwerbstätigen, die Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind. Auszugehen ist davon, daß auf Grund dieser Bestimmung die Unfallversicherungspflicht des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalles bestanden hat.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Die Kammermitgliedschaft des Klägers wurde durch seine Baumeistertätigkeit begründet und damit ist auch der Umfang des Versicherungsschutzes determiniert. Er bezieht sich ausschließlich auf Tätigkeiten im Rahmen dieses Gewerbebetriebes.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 10 GewO sind Tätigkeiten von Personen oder Anstalten, die von der Behörde hiezu ständig bestellt oder in Pflicht genommen wurden, von den Bestimmungen der Gewerbeordnung ausgenommen. Die Tätigkeit als behördlicher Sachverständiger ist nicht gewerberechtspflichtig und begründet daher keine Versicherungspflicht im Sinne des GSVG (Linseder-Teschner SV der Selbständigen 37. ErgLfg. S 74). Da es sich bei der Sachverständigentätigkeit sohin nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt und auch eine Kammermitgliedschaft dadurch nicht begründet wird, besteht für diese Tätigkeit auch kein Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG.

Der Ansicht des Klägers, durch eine mit der Erteilung einer Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft werde der Versicherungsschutz generell für alle einschlägigen Tätigkeiten, auch Sachverständigentätigkeiten auf diesem Fachgebiet erworben, findet im Gesetz keine Deckung. Der durch die Kammermitgliedschaft erworbene Versicherungsschutz erstreckt sich ausschließlich auf die Tätigkeiten, die im unmittelbaren örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet (SSV-NF 1/14). Die Tätigkeit als Sachverständiger gehört - anders als etwa bei Ärzten (§ 1 Abs 3 ÄrzteG) oder Wirtschaftstreuhändern (§ 32 Abs 1 lit b WTBO) - gemäß § 157 GewO nicht zum gesetzlich umschriebenen Aufgabenkreis eines Baumeisters (vgl. dazu Jäger, Unfallversicherung für Sachverständige, Der Sachverständige 16). Mag auch die Bestellung zum Sachverständigen und die Beiziehung als solcher in konkreten Fällen in der gewerblichen Tätigkeit begründet gewesen sein und in einem engen Naheverhältnis zu seinem Gewerbebetrieb stehen, so ändert dies nichts daran, daß diese Tätigkeit, selbst wenn sie den Kläger zu einem wesentlichen Teil in Anspruch genommen haben sollte, nicht von vornherein einen Teil seiner gewerblichen Tätigkeit bildet. Wendet der Versicherte sein berufliches Wissen nicht im Rahmen seiner versicherten Erwerbstätigkeit an, so fällt dies auch nicht in den Risikobereich der Unfallversicherung (Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 280). Bei Selbständigkeit sind als Ausübung der Erwerbstätigkeit alle diejenigen Tätigkeiten anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (Tomandl aaO 279). Daß aber im vorliegenden Fall die Sachverständigentätigkeit des Klägers unmittelbar diesen Zwecken seiner selbständigen Existenz gedient hätte, wurde im Verfahren nicht vorgebracht und unter Beweis gestellt.

Würde man bei einem Sachverständigen, der außerdem eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, die Tätigkeit als Sachverständiger in jedem Falle als einen Teil dieser Tätigkeit ansehen, so müßte man bei Sachverständigen, die sonst unselbständig erwerbstätig sind, folgerichtig ihre Sachverständigentätigkeit als einen Teil der unselbständigen Erwerbstätigkeit ansehen - also unabhängig davon, ob sie im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung steht, um zu dem selben Ergebnis eines generellen Versicherungsschutzes für Sachverständigentätigkeiten zu gelangen. Gerade wegen der vom Gesetzgeber gewählten extremen Kasuistik in den §§ 175 und 176 ASVG darf der Versicherungsschutz nicht auf dort nicht genannte Personen und Tätigkeiten ausgedehnt werden. Dies käme nur dem Gesetzgeber, der unbillige Ergebnisse auch tatsächlich mehrfach zum Anlaß für die Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes genommen hat, nicht aber der Rechtsprechung zu.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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