Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 4. Juni 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung aus Anlaß einer Erkrankung an Hepatitis B mangels Vorliegens einer Berufskrankheit ab.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger festzustellen, daß seine Erkrankung an Hepatitis B die Folge einer Berufskrankheit sei. Er habe in den Monaten März, April und Mai 1986 als Zollbeamter beim Zollamt Spielfeld seinen Dienst verrichtet. Dabei sei er als Abfertigungsbeamter mit Menschen und Gegenständen aus den verschiedensten Ländern in Berührung gekommen. Er habe sich dabei mit Hepatitis B infiziert. Die Erkrankung sei am 20. Mai 1986 festgestellt worden und habe einen Krankenstand bis 1. Oktober 1986 zur Folge gehabt. Die beklagte Partei habe die Erkrankung des Klägers deshalb nicht als Berufskrankheit anerkannt, da Infektionskrankheiten nach der Liste der Berufskrankheiten nur in bestimmten Betrieben als Berufskrankheiten anerkannt werden, zu welchen die Dienststelle des Klägers nicht gehöre. Die beklagte Partei habe aber nicht geprüft, ob im Falle des Klägers nicht eine Berufskrankheit nach § 92 Abs. 3 B-KUVG vorliege.
Die beklagte Partei bestritt die Anwendbarkeit des § 92 Abs. 3 B-KUVG, weil es keine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis gebe, daß die Krankheit des Klägers ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung entstanden sei. Im übrigen bedürfe eine solche Feststellung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Als Berufskrankheit nach der Anlage 1 zum ASVG komme im vorliegenden Fall nur die Nummer 38 (Infektionskrankheiten) in Frage, dies aber nur dann, wenn der Versicherte in einem der im Gesetz aufgezählten Unternehmen beschäftigt sei. Da Zollämter nicht in der Bestimmung aufgezählt seien, liege eine Berufskrankheit des Klägers nicht vor. Auch eine Feststellung der Anerkennung als Berufskrankheit im Sinne des § 92 Abs. 3 B-KUVG komme nicht in Betracht, weil nach dieser Bestimmung nur eine Krankheit "die ihrer Art nach" nicht in Anlage 1 zu § 177 ASVG genannt sei, im Einzelfall als Berufskrankheit anerkannt werden könnte. Hepatitis B sei aber in Nummer 38 der Liste als Infektionskrankheit enthalten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte überdies aus, eine Feststellung als Berufskrankheit nach § 177 Abs. 2 ASVG (§ 92 Abs. 3 B-KUVG) könne nur von der Versicherungsanstalt mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erfolgen. Unabhängig davon, ob eine Durchführung eines solchen Feststellungsverfahrens auch durch das Gericht möglich sei oder nicht, fehle es schon an den Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 B-KUVG. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers (inhaltlich nur) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Durch die Einführung der Berufskrankheiten sollten Gesundheitsschädigungen als Folge einer Erwerbstätigkeit geschützt werden. Um die Unfallversicherung nicht mit den Unsicherheiten der medizinischen Ätiologie zu belasten, hat sich der Gesetzgeber vorbehalten, im einzelnen festzulegen, welche Krankheiten unter welchen Voraussetzungen als Berufskrankheiten gelten und hiezu eine taxative Liste erstellt ("abstrakte Berufskrankheiten"). Da eine Gesundheitsstörung verschiedene Ursachen haben kann, anerkannte der Gesetzgeber daher häufig eine bestimmte Gesundheitsstörung nicht schon als solche als Berufskrankheit, sondern nur dann, wenn sie bestimmte Ursachen hat und in einer bestimmten Umgebung aufgetreten ist, stellt also, wie im Falle der Infektionskrankheiten (Nummer 38 der Anlage 1 zum ASVG) wegen der bei solchen Krankheiten besonderen Schwierigkeit des Nachweises der Kausalität mit der beruflichen Tätigkeit, auf besondere Unternehmen ab, weil die dort beschäftigten Personen in einem ganz besonderen Ausmaß der Gefahr von Ansteckungen ausgesetzt sind. Dies bedeutet aber, daß eine analoge Anwendung auf Unternehmen, die in Nummer 38 der Anlage 1 nicht aufgezählt sind, ausgeschlossen ist und es nur dem Gesetzgeber obliegt, den Kreis der geschützten Unternehmen zu erweitern, wie er es etwa in der 23. Novelle zum ASVG durch die Aufnahme auch der Einrichtungen der Kindergärten und Säuglingskrippen auch getan hat.
Nur sachlich nicht begründete Differenzierungen sind verfassungswidrig. Eine Differenzierung ist aber dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen (aus Unterschieden im Tatsächlichen) erfolgt (VfSlg. 4140, 4392 uva). Der Gesetzgeber ist demnach durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg. 8217, 8806). Es ist zulässig, von einer durchschnittlichen Betrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen (VfSlg. 5318). Wenn daher der Gesetzgeber im Falle von Infektionskrankheiten in den Kreis der geschützten Unternehmen nur jene aufgenommen hat, die nach durchschnittlicher Betrachtung und im Regelfall ein ganz besonders erhöhtes Ansteckungsrisiko mit sich bringen, dann erscheint diese Bestimmung wegen des Unterschiedes im Tatsächlichen verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Zollwachebeamte werden im Reiseverkehr doch im Regelfall mit gesunden Personen zu tun haben und der Kontakt mit allenfalls Infizierten beschränkt sich jedenfalls auf eine kurz eingegrenzte Zeit. Einem solchen Risiko aber sind alle Erwerbstätigen ausgesetzt, die in intensivem, ständigem Kontakt mit anderen Menschen stehen (etwa Flugpassagierabfertigung, Reiseleiter ua).
Nach § 92 Abs. 3 B-KUVG (§ 177 Abs. 2 ASVG) gilt eine Krankheit, die ihrer Art nach nicht in Anlage 1 zum ASVG enthalten ist, im Einzelfall als Berufskrankheit, wenn der Träger der Unfallversicherung auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellt, daß diese Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden ist. Diese Feststellung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Soziales.
Wie der Revisionswerber selbst ausführt, wurde diese Bestimmung durch die 32. ASVG-Novelle eingeführt, weil sich die ausschließliche Feststellung der als Berufskrankheiten zu entschädigenden Krankheiten durch die Berufskrankheitenliste - wegen der raschen Entwicklung auf technischem Gebiet, insbesondere in der Schaffung und Entstehung neuer chemischer Stoffe und von Strahlungen - als zu grobes Instrument erwies. Durch die geschaffene Generalklausel sollte die Anerkennung auch anderer Krankheiten als der bereits in Anlage 1 zum ASVG erfaßten ermöglicht werden.
Da Hepatitis B als Infektionskrankheit in der abstrakten Berufskrankheitenliste bereits erfaßt ist, kommt eine Anwendung des § 92 Abs. 3 B-KUVG von vornherein nicht in Betracht. Es erübrigt sich daher, zu den Revisionsausführungen Stellung zu nehmen, ob und inwieweit die Sozialgerichte überhaupt zu einer Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung berufen sind (vgl. dazu SSV-NF 1/30). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)