OGH 6Ob18/88

OGH6Ob18/886.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Handelsregistersache der zu HRB 17.376a des Handelsgerichtes Wien eingetragenen Verhältnisse der R***-C*** Immobilien-Treuhandgesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, Wien 1., Eßlinggasse 15/5, infolge Revisionsrekurses der eingetragenen Gesellschaft, vertreten durch Dr. Herbert Stegmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. Mai 1988, GZ 6 R 39/88-16, womit in Stattgebung des Rekurses der R*** Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft mbH, Wien 1., Annagasse 6, vertreten durch Dr. Michael Buresch, Rechtsanwalt in Wien, in Ansehung der Eintragungsverfügung des Handelsgerichtes Wien vom 8. Januar 1988, 7 HRB 17.376a-11, die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens aufgetragen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise stattgegeben.

Der angefochtene Beschluß wird insoweit, als dem Registergericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens hinsichtlich des Geschäftsführerwechsels aufgetragen wurde, als nichtig aufgehoben. Im übrigen wird der angefochtene Beschluß bestätigt.

Text

Begründung

Die mit Vertrag vom 6. Dezember 1984 und Nachtrag vom 12. Dezember 1984 von vier Gesellschaftern gegründete Gesellschaft mbH hatte ihren gesellschaftsvertraglichen Sitz in einer Landeshauptstadt. Vom dortigen Landesgericht wurde die Gesellschaft auch am 13. Dezember 1984 in das Handelsregister unter ihrer Firma R***-C*** Immobilien-Treuhandgesellschaft mbH eingetragen. Der gesellschaftsvertraglich umschriebene Unternehmensgegenstand ist die Vermittlung und Verwaltung von Immobilien, die Vermietung und Verpachtung von eigenen Liegenschaften, die Vermögensberatung und -verwaltung, die Vermögensverwaltung im Wege von Treuhandgesellschaften, die Beteiligung an Unternehmungen mit gleichem oder ähnlichem Unternehmensgegenstand sowie deren Geschäftsführung.

Am 22. Dezember 1987 faßten die Gesellschafter einstimmig den Beschluß, den Sitz der Gesellschaft von der Landeshauptstadt nach der Bundeshauptstadt zu verlegen und Punkt 2 des Gesellschaftsvertrages entsprechend zu ändern. Gleichzeitig wurde die bis dahin einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin abberufen und an ihrer statt ein Kaufmann zum einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt.

Dieser meldete die Abberufung der bisherigen Geschäftsführerin, seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer sowie die Sitzverlegung zur Eintragung in das Handelsregister an.

Das Erstgericht verfügte im Sinne des § 13 c Abs 2 HGB die Eintragung der Sitzverlegung sowie die angezeigte Änderung in der Geschäftsführung. Diese am 8. Januar 1988 angeordnete Eintragung wurde am 4. Februar 1988 vollzogen. Die Eintragungsverfügung sollte außer dem Gericht des bisherigen Sitzes der Gesellschaft und den Handelskammern dem Vertreter der ihren Sitz verlegenden Gesellschaft zugestellt und in der Wiener Zeitung sowie im Zentralblatt veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung in den beiden genannten Blättern war bis 31. März 1988 noch nicht erfolgt.

An diesem Tage überreichte eine in dem vom Erstgericht geführten Handelsregister eingetragene andere Gesellschaft mbH, in deren Firma das selbe zusammengesetzte Schlagwort vorkommt, wie in der Firma der ihren Sitz verlegenden Gesellschaft wegen Mißachtung des Grundsatzes der Firmenunterscheidbarkeit nach § 30 Abs 1 HGB (§ 13 c Abs 2 HGB) einen Rekurs gegen die Eintragungsverfügung. Dieses Rechtsmittel richtete sich ungeachtet der uneingeschränkten Anfechtungserklärung nach dem Inhalt der Rekursausführungen und dem Rechtsmittelhilfsantrag der Sache nach nur gegen die Eintragung der Sitzverlegung, nicht auch gegen die gleichzeitig erfolgte Eintragung des Geschäftsführerwechsels.

Das Rekursgericht erachtete den Rekurs der sich in ihren Firmenrechten beschwert erachtenden dritten Gesellschaft als rechtzeitig, weil mangels Zustellung der Eintragungsverfügung an sie und mangels erfolgter Bekanntmachung der Eintragung die Rekursfrist für die Rechtsmittelwerberin noch nicht in Gang gesetzt gewesen sei. Das Rekursgericht erachtete den Rekurs auch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit als berechtigt und trug dem Registergericht in Stattgebung des Rekurses die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens ausdrücklich nicht nur in Ansehung der Eintragung der Sitzverlegung sondern auch in Ansehung der Eintragung des Geschäftsführerwechsels auf.

Die ihren Sitz verlegende Gesellschaft ficht diese Rekursentscheidung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag auf Zurückweisung des von der dritten Gesellschaft erhobenen Rekurses und dem Hilfsantrag auf Abänderung im Sinne einer Bestätigung der Eintragungsverfügung oder im Sinne eines Auftrages zur Einleitung des Verfahrens nach § 37 Abs 1 HGB (§ 140 FGG) an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist in Ansehung des Geschäftsführerwechsels berechtigt, im übrigen aber nicht.

Die Revisionsrekurswerberin wertet den von der sich in ihrem Anspruch auf Ausschluß von nicht unterscheidbaren Firmen im Sinne des § 30 HGB beschwert erachtenden dritten Gesellschaft erhobenen Rekurs als verspätet, weil diese Rekurswerberin schon früher als 14 Tage vor ihrer Rechtsmittelerhebung volle Kenntnis von der Eintragung besessen habe, was durch ein eigenes Schreiben dieser Rekurswerberin nachgewiesen werden könnte.

Der im Verfahren über die Eintragung der Sitzverlegung nicht beachteten Rekurswerberin wurde bis zu ihrer Rechtsmittelerhebung keine Ausfertigung der Eintragungsverfügung zugestellt. Auch eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgte nicht. Der Eintragung in das Handelsregister (unter Bekanntmachung der Eintragung) wird durch keine gesetzliche Anordnung die verfahrensrechtliche Wirkung einer Zustellung beigelegt. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der von der Rechtsprechung in jahrzehntelanger Übung entwickelte und von der Lehre gebilligte Leitsatz, für einen Rechtsmittelwerber, dem der Beschluß über die Eintragung in das Handelsregister nicht zugestellt wurde, beginne die Rekursfrist an dem Tag zu laufen, an dem die Bekanntmachung der Eintragung im Sinne des § 10 Abs 2 HGB als bewirkt gelte (NZ 1980, 43; NZ 1972, 121; SZ 26/218), ausgenommen die Fälle, in denen der Rechtsmittelwerber einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Zustellung besessen habe (GesRZ 1979, 71), durch verfahrensrechtliche Regelungen hinreichend gedeckt erschiene. In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall steht nicht ein mit der erfolgten Bekanntmachung der Eintragung begründeter Ablauf der Rekursfrist zur Debatte (der in SZ 26/218 als einer nicht tragenden und nach den veröffentlichten Gründen zu Unrecht auf die in AC 2.452 veröffentlichte Entscheidung gestützten Auffassung lag offenkundig eine unmittelbare Anwendung der materiellrechtlichen Folgen des § 15 Abs 2 HGB auf das Verfahrensrecht zugrunde; die Auffassung wurde in der Folge rein rechtspolitisch mit dem Erfordernis der Rechtsbeständigkeit von - insbesondere konstitutiven - Handelsregistereintragungen untermauert: SZ 48/43). Die Revisionsrekurswerberin wirft vielmehr die Frage auf, ob die Rekursfrist für einen sich nach § 30 HGB verletzt erachtenden Dritten, unabhängig von der Zustellung einer Ausfertigung des die Eintragung anordnenden Gerichtsbeschlusses nicht schon mit dem Tag zu laufen beginne, an dem der Rekurswerber von der Eintragung - wie durch deren Bekanntmachung - positive Kenntnis erlangt habe.

Die Kenntnisnahme von einer anfechtbaren Entscheidung ist weder nach allgemeinem Verfahrensrecht noch nach Sondervorschriften für das Handelsregisterverfahren ein (an Stelle eines Zustellvorganges) die Rechtsmittelfrist in Gang setzender Umstand. Dies könnte auch nicht aus der Rechtsprechung gefolgert werden, die mit dem Ablauf von 14 Tagen ab der erfolgten Bekanntmachung der Eintragung deren Unanfechtbarkeit annimmt, weil selbst nach dieser hier nicht weiter zu prüfenden Auffassung auch nicht die tatsächliche Kenntnisnahme des Rekurswerbers etwa von der ersten Einschaltung, sondern ausschließlich die Kenntnisnahmemöglichkeit von der letzten Einschaltung (§ 10 Abs 2 HGB) für den Beginn der Rekursfrist entscheidend sein soll.

Der Rekurs gegen die Eintragungsverfügung war entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung nicht verspätet, das Rekursgericht hat mit seiner angefochtenen Entscheidung nicht in der von der Revisionsrekurswerberin unterstellten Meinung gegen eine bereits eingetretene Rechtskraft der registergerichtlichen Eintragungsverfügung verstoßen.

Das Rekursgericht hat nach dem vorliegenden Gleichklang der den sonstigen Firmenbestandteilen jeweils vorangestellten Firmenschlagwörter die nach § 30 Abs 1 HGB geforderte deutliche Unterscheidbarkeit der Firma der ihren Sitz verlegenden Gesellschaft mit der Firma der bereits eingetragenen Gesellschaft zutreffend verneint.

Das Registergericht hatte bei seiner ihm nach § 13 c Abs 2 HGB oblegenen Prüfung nach dem klaren und unmißverständlichen Wortlaut des § 30 Abs 1 HGB auf alle "an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen" abzustellen. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung ist für die Prüfung nach § 30 HGB ein im Sinne einer Eintragung im Handelsregister des früheren Registergerichtes länger zurückreichender Gebrauch der Firma durch die ihren Sitz verlegende Gesellschaft unerheblich. Solange ein wettbewerbswidriger oder sonst rechtswidriger Firmengebrauch nicht zur Löschung der unbefugt gebrauchten Firma im Handelsregister geführt hat, übt diese im Sinne des § 30 Abs 1 HGB gegenüber der Eintragung "neuer" Firmen eine Sperrwirkung aus. Die von der Revisionsrekurswerberin bekämpfte Ansicht des Rekursgerichtes wird nicht nur durch die von ihm zitierte Kommentarmeinung gestützt, sie stimmt auch mit der herrschenden Lehre in der Bundesrepublik Deutschland überein (vgl. insbesondere Capelle/Cannaris, Handelsrecht20, 113; Hildebrandt/Steckhan in Schlegelberger HGB5 § 30 Rz 3 und Hüffer in GroßKomm. HGB4, § 30 Rz 9). Mit der vollzogenen Eintragung der Sitzverlegung im Sinne des § 13 c HGB ist die Zuständigkeit zur Eintragung registerfähiger Daten auf das Gericht der neuen Hauptniederlassung übergegangen. Diese Zuständigkeit bleibt bis zu einer neuerlichen Sitzverlegung erhalten. Das gleichzeitig mit der Sitzverlegung zur Eintragung angemeldete Erlöschen der Geschäftsführerbefugnis einer Gründungsgesellschafterin und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers sind unabhängig von der rechtsmittelverfangenen Sitzverlegung einzutragen. Dazu ist kein anderes Gericht als das Gericht der "neuen" Hauptniederlassung zuständig. Die Eintragungen im Zusammenhang mit dem angemeldeten Geschäftsführerwechsel waren auch seitens der sich in ihrem Firmenausschließlichkeitsausspruch verletzt erachtenden dritten Gesellschaft unbekämpft geblieben. In diesem Umfang hat das Rekursgericht die Grenzen seiner Überprüfungsbefugnis überschritten. Dieser Teil seiner Entscheidung war als nichtig aufzuheben, so daß es in Ansehung des Geschäftsführerwechsels bei der erstinstanzlichen Eintragungsverfügung zu verbleiben hat.

Entgegen den Revisionsrekursausführungen hat das Rekursgericht mit Recht von der Einleitung des Firmenmißbrauchsverfahrens abgesehen und in Ansehung der zu Unrecht angeordneten Eintragung der Sitzverlegung die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens aufgetragen. In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die im Anschluß an die Entscheidungsbesprechung von Jansen in NJW 1966, 1813 ff in SZ 50/64 vertretene Ansicht über die Zweckmäßigkeit einer Anwendung des Firmenmißbrauchsverfahrens an Stelle des Amtslöschungsverfahrens allgemein zutrifft. Im gegebenen Fall einer Sitzverlegung unter Mißachtung des § 30 Abs 1 HGB ist der betroffenen Gesellschaft jedenfalls die Wahlmöglichkeit offen zu halten, entweder ihre Firma oder ihren Sitz zu ändern, um die vom Rekursgericht mit Recht wahrgenommene Unverträglichkeit nach § 30 Abs 1 HGB zu vermeiden. In beiden Fällen wäre allerdings eine entsprechende Satzungsänderung und deren Anmeldung zur Eintragung von Nöten. Da im Falle einer Rückverlegung der Hauptniederlassung an ihren ursprünglichen Ort oder der Verlegung an einen anderen Ort, an dem die Bedenken nach § 30 Abs 1 HGB nicht obwalten, gegen den Fortgebrauch der Firma durch die ihren Sitz verlegende Gesellschaft keinerlei Hindernisse bestünden, ist der Revisionsrekurswerberin die Wahlmöglichkeit offen zu halten, entweder ihre Firma zu ändern oder ihren Sitz zu verlegen. Der rekursgerichtliche Auftrag zur Einleitung des Amtslöschungsverfahrens war nicht nur das zweckmäßige, sondern bei der Unvermeidbarkeit einer Satzungsänderung entgegen den Rekursausführungen auch nicht das "härtere" Mittel, dem das "mildere" Mittel des Firmenmißbrauchsverfahrens vorzuziehen gewesen wäre.

Soweit eine wirksame Anfechtung der erstinstanzlichen Eintragungsverfügung vorlag, war dem Revisionsrekurs daher nicht stattzugeben; soweit es an einer solchen allerdings fehlte, war die Rekursentscheidung als nichtig aufzuheben.

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