OGH 2Ob45/88

OGH2Ob45/8830.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roman O***, Handelsreisender, Aubrunnerweg 1 a, 4040 Linz, vertreten durch Dr. Werner Leimer und Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1) Peter B***, Hilfsarbeiter, Vorderer Sierner 5, 4082 Aschach, 2) E*** A***

V***-AG, p.Adr. Zollamtstraße 1, 4010 Linz, und

3) A*** U***, Blumauerstraße 1, 4020 Linz, die erst- und zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Manfred Meyndt und Dr. Dominikus Schweiger, Rechtsanwälte in Linz, die drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 443.684,64 s.A. und Feststellung (S 50.000,--), Revisionsstreitwert S 246.008,98, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1987, GZ 3 R 59, 334/87-24, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Linz vom 11. November 1986, GZ 5 Cg 399/85-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erst- und der zweitbeklagten Partei die mit S 9.969,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 906,35, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25. April 1983 ereignete sich gegen 11.25 Uhr auf der Kasernenstraße in Hörsching ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O 866.240 und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O 301.664 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Begegnungsverkehr. Dabei wurden beide Lenker verletzt und beide Fahrzeuge beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen beide Lenker zu 3 U 1163/83 des Bezirksgerichtes Linz-Land ein Strafverfahren eingeleitet; beide wurden rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Kläger wurde wegen der bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen in dem von der Drittbeklagten betriebenen Unfallkrankenhaus Linz stationär behandelt. Während dieses Krankenhausaufenthaltes kam er dort am 31. Mai 1983 zu Sturz, wodurch er weitere Köperschäden erlitt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger die Verurteilung aller drei Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 214.342,32 s.A., die Verurteilung des Erst- und der Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 15.000,-- s.A. und die Verurteilung der Drittbeklagten zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 214.342,32 s.A., ferner die Feststellung der Haftung aller drei Beklagten zur ungeteilten Hand (der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages) für die Hälfte seiner künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 24. Mai 1983 und seinem Sturz im Unfallkrankenhaus Linz vom 31. Mai 1983 und die Feststellung der Haftung der Drittbeklagten für die zweite Hälfte seiner künftigen Schäden aus seinem Sturz im Unfallkrankenhaus Linz vom 31. Mai 1983. Der Kläger brachte dazu im wesentlichen vor, er sei zur Unfallszeit mit dem PKW des Erich H*** auf der Kasernenstraße in Richtung Hörsching gefahren. Infolge einer plötzlich auftretenden Bewußtlosigkeit sei das von ihm gelenkte Fahrzeug auf die linke Fahrbahnhälfte geraten, kurz nach rechts zurückgefahren und danach wieder nach links über die Fahrbahnmitte abgekommen. Der entgegenkommende Erstbeklagte habe seinen PKW nicht am rechten Fahrbahnrand gelenkt und es unterlassen, bereits auf die erste Bewegung des vom Kläger gelenkten Fahrzeuges über die Fahrbahnmitte mit einer Bremsung zu reagieren. Den Erstbeklagten treffe daher ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall; jedenfalls handle es sich aber bei diesem Verkehrsunfall für den Erstbeklagten um kein unabwendbares Ereignis im Sinne des EKHG, sodaß der Kläger "vorsichtshalber" von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 zwischen ihm und dem Erst- und der Zweitbeklagten ausgehe. An den vom Kläger gelenkten PKW des Erich H*** sei ein Totalschaden im Betrag von S 17.000,-- eingetreten. Der Kläger habe dem Erich H*** diesen Betrag bezahlt, sodaß diese Schadenersatzforderung auf den Kläger "als Anspruchsteller" übergegangen sei. Für die bei dem Unfall erlittenen Verletzungen und ihre Folgen bis zum Sturz des Klägers im Krankenhaus sei ein Schmerzengeld von S 13.000,-- angemessen. Unter Berücksichtigung der zugestandenen Schadensteilung hätten ihm der Erst- und die Zweitbeklagte die Hälfte dieser Schäden, also einen Betrag von S 15.000,--, zu ersetzen.

Im Krankenhaus der Drittbeklagten sei der Kläger ohne jedes Eigenverschulden zu Sturz gekommen, weil der Gang naß aufgewischt und rutschig gewesen sei. Da sich nicht klären lasse, ob die nach diesem Sturz aufgetretenen Komplikationen auf den Verkehrsunfall oder ausschließlich auf den Sturz zurückzuführen seien, hafteten alle drei Beklagten zur ungeteilten Hand für die nach diesem Sturz aufgetretenen Schäden, und zwar der Erst- und die Zweitbeklagte zur Hälfte, die Drittbeklagte hingegen mangels eines Eigenverschuldens des Klägers an seinem Sturz zur Gänze. Die nach diesem Sturz aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigten ein weiteres Schmerzengeld von S 387.000,--. Überdies habe der Kläger in der Zeit vom 13. Juli 1983 bis 5. September 1984 einen Verdienstentgang von S 41.684,65 erlitten.

Sein Feststellungsbegehren begründete der Kläger mit dem Eintritt von Dauerfolgen und der Möglichkeit von Spätkomplikationen. Der Erst- und die Zweitbeklagte wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, der Kläger sei vor dem Unfall nicht bewußtlos geworden. Der Erstbeklagte habe auf das erste Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger seine Geschwindigkeit herabgesetzt und auf das zweite Überschreiten der Fahrbahnmitte durch den Kläger ohne Verzug reagiert. Er habe auch nicht gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Es treffe den Erstbeklagaten kein Verschulden an diesem Unfall; es handle sich vielmehr für ihn um ein unabwendbares Ereignis. Der Erstbeklagte (und mit ihm die Zweitbeklagte) könne daher nicht zum Schadensausgleich herangezogen werden. Auch die Drittbeklagte beantragte die Abweisung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das gegen den Erst- und die Zweitbeklagte gerichtete Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Kasernenstraße (Vogler-Straße) verläuft von Hörsching in Richtung Kaserne etwa 200 m in einer leichten Linkskurve und geht dann nach einer Geraden von ca. 80 m in eine starke Rechtskrümmung über. 180 m vor dieser befindet sich die im Ortsgebiet liegende Unfallstelle. Die Fahrbahn ist dort 5,7 m breit. Rechts der Fahrbahn befindet sich ein Gehsteig. Die gegenseitige Sicht zweier einander begegnender Fahrzeuglenker beträgt im Bereich der Unfallstelle 144 m. Der Kläger fuhr von der Kaserne in Richtung Hörsching, der Erstbeklagte in entgegengesetzter Richtung. Die Geschwindigkeit des Erstbeklagten bei der Annäherung an die Unfallstelle betrug 45 bis 50 km/h. Die Geschwindigkeit des Klägers ist nicht feststellbar. Infolge einer plötzlich auftretenden Bewußtlosigkeit, deren Ursachen nicht feststellbar sind, verlor der Kläger die Herrschaft über den von ihm gelenkten PKW. Das Fahrzeug geriet über die Fahrbahnmitte nach links und fuhr dann in einem Zuge wieder zurück auf den rechten Fahrstreifen. Über welche Fahrstrecke es dort weiterfuhr, ist nicht feststellbar. Der Erstbeklagte reagierte auf diese Verkehrssituation durch Gaswegnehmen; er leitete weder eine Bremsung ein noch lenkte er seinen PKW weiter nach rechts.

In der Folge geriet der Kläger neuerlich über die Fahrbahnmitte, worauf der Erstbeklagte sofort eine Vollbremsung einleitete. Es gelang ihm noch, seine Geschwindigkeit auf 35 bis 40 km/h zu verringern; dann kam es zu einem Frontalzusammenstoß der beiden Fahrzeuge, bei dem die Geschwindigkeit des vom Kläger gelenkten Fahrzeuges 50 bis 55 km/h betrug.

Im Bereich der Unfallstelle hielt der Erstbeklagte einen Abstand von 66 cm zum rechten Fahrbahnrand und von 61 cm zur Fahrbahnmitte ein. Das vom Kläger gelenkte Fahrzeug befand sich beim Zusammenstoß etwa 1 m über der Fahrbahnmitte. Der Erstbeklagte reagierte auf das zweite Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger ca. 1,6 Sekunden bzw. 20 m vor dem Zusammenstoß. Ein Reaktionsverzug liegt nicht vor. Hätte der Erstbeklagte bereits auf das erste Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger reagiert, hätte er sowohl durch eine Vollbremsung als auch durch Verlenken seines Fahrzeuges nach rechts den Zusammenstoß verhindern können. Als der Kläger zum zweiten Mal nach links fuhr, hätte ein Ausweichen des Erstbeklagten nach rechts den Zusammenstoß nicht verhindert, sondern lediglich die Überdeckung der beiden Fahrzeuge vermindert. Der Kläger hat keine Abwehrhandlung gesetzt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Erstbeklagte weder verspätet oder unsachgemäß reagiert noch das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs 2 StVO mißachtet habe. Es treffe ihn daher an dem Unfall kein Verschulden. Er sei auch nicht zum Schadensausgleich heranzuziehen, weil für ihn die Bewußtlosigkeit des Klägers ein unabwendbares Ereignis gewesen sei.

Der gegen dieses Urteil des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, gemäß § 7 Abs 2 StVO habe der Lenker eines Fahrzeuges unter anderem bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand zu fahren; er dürfe hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen. Auch bei Geltung des unbedingten Rechtsfahrgebotes sei einem Kraftfahrzeuglenker die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand zuzubilligen, der sich nach den konkreten Verhältnissen, insbesondere nach der Fahrbahnbreite, richte. Angesichts der Fahrbahnbreite von 5,7 m und der Tatsache, daß der Erstbeklagte zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 61 cm eingehalten habe, könne sein Seitenabstand zum Gehsteig von 66 cm auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 7 Abs 2 StVO nicht als unangemessen betrachtet werden. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot könne dem Erstbeklagten daher nicht vorgeworfen werden. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, auf das erste Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger bereits mit Notmaßnahmen zu reagieren. Der Erstbeklagte habe nämlich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zunächst darauf vertrauen dürfen, daß der Kläger wieder auf seine rechte Fahrbahnhälfte zurückkehren werde. Auf das zweite Überschreiten der Fahrbahnmitte durch den Kläger habe der Erstbeklagte aber ohne Verzug reagiert. Daß es - rückschauend betrachtet - möglicherweise zweckmäßiger gewesen wäre, anstatt zu bremsen nach rechts auszuweichen, könne dem Erstbeklagten nicht als Verschulden angerechnet werden, weil er ohne sein Verschulden durch die vom Kläger herbeigeführte Gefahrenlage zu sofortigem Handeln gezwungen gewesen sei. Zusammenfassend könne dem Erstbeklagten ein Verschulden an dem Unfall nicht angelastet werden.

Aus den Bestimmungen des EKHG lasse sich für den Kläger gleichfalls nichts gewinnen. Gemäß § 9 Abs 1 EKHG sei die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Vorrichtungen des Kraftfahrzeuges beruhte. Als unabwendbar gelte gemäß § 9 Abs 2 EKHG ein Ereignis unter anderem dann, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten zurückzuführen sei, sowohl der Halter als auch die mit Willen des Halters beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hätten und der Unfall nicht unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Die hier normierte Sorgfaltspflicht umfasse nicht die gewöhnliche Verkehrssorgfalt, sondern die äußerste nach den Umständen des Falles mögliche Sorgfalt. Als Maßstab sei die Sorgfalt eines besonders umsichtigen und sachkundigen Kraftfahrers heranzuziehen. Diese gebotene äußerste Sorgfalt sei dann beachtet, wenn der Fahrzeuglenker eine über die gewöhnliche Sorgfaltspflicht hinausgehende besondere Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht gezeigt habe, die auch auf eine durch die Umstände nahegelegte Möglichkeit eines unrichtigen oder ungeschickten Verhaltens anderer Rücksicht nehme. Diese Sorgfaltspflicht dürfe aber nicht überspannt werden, solle eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden.

Im vorliegenden Fall hänge der Entlastungsbeweis davon ab, ob von einem überdurchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer verlangt werden könne, daß er in der Situation des Erstbeklagten bereits auf das erste Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger mit einer Notmaßnahme, wie etwa einer Vollbremsung oder einem Verlenken des Fahrzeuges nach rechts, reagiert hätte. Dies sei zu verneinen. Es würde zu einer Überspannung der Sorgfaltspflicht führen, würde man von einem Kraftfahrzeuglenker verlangen, daß er auf jedes nur erdenkliche Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers sofort mit Notmaßnahmen reagiere, auch wenn noch keine unmittelbar drohende Gefahrenlage geschaffen werde. Hier komme noch dazu, daß sich das vom Kläger gelenkte Fahrzeug nach dem ersten Überfahren der Fahrbahnmitte wieder nach rechts zurückbewegt habe. Damit habe für den Erstbeklagten nicht der geringste Grund zur Annahme bestanden, daß das entgegenkommende Fahrzeug nochmals über die Fahrbahnmitte fahren werde. Dem Erst- und der Zweitbeklagten sei daher der Entlastungsbeweis gemäß § 9 EKHG gelungen, womit ihre Haftung auch nach den Bestimmungen des EKHG ausgeschlossen sei.

Daran würde sich auch nichts ändern, sähe man den Entlastungsbeweis als mißlungen an. In diesem Fall träte die vom Fahrzeug des Erstbeklagten ausgehende gewöhnliche Betriebsgefahr gegenüber der außergewöhnlichen Betriebsgefahr des vom Kläger gelenkten PKW völlig in den Hintergrund, womit kein Anlaß bestünde, den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gemäß § 11 EKHG zum Schadensausgleich heranzuziehen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gerichteten Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Erst- und die Zweitbeklagte haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Rechtsmittelgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Kläger versucht in seiner Rechtsrüge darzutun, daß den Erstbeklagten ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall treffe, weil er beim ersten Überfahren der Fahrbahnmitte durch das Fahrzeug des Klägers nicht mit einer normalen Betriebsbremsung reagiert, sein Fahrzeug nicht etwas nach rechts gelenkt und nicht gehupt habe. Eine Haftungsbefreiung des Erstbeklagten nach § 9 Abs 2 EKHG komme nicht in Betracht, weil der Schaden unmittelbar auf eine von seinem Fahrzeug ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Jedenfalls sei aber dem Erstbeklagten auf Grund des festgestellten Sachverhaltes der Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 EKHG nicht gelungen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Kraftfahrer auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 StVO nicht verpflichtet, am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren. Es ist ihm vielmehr auch in diesen Fällen die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand zuzubilligen, der allerdings nicht jenes Maß überschreiten darf, das zur Vermeidung einer Personen- und Sachgefährdung erforderlich ist. Das Ausmaß dieses zulässigen rechtsseitigen Sicherheitsabstandes richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Breite, der Beschaffenheit und dem Verlauf der Fahrbahn udgl. (ZVR 1983/171; ZVR 1984/260 mwN uva). Nach diesen Gesichtspunkten ist der vom Erstbeklagten zum rechten Fahrbahnrand eingehaltene Seitenabstand von 66 cm nicht zu beanstanden, weil damit bei einer Fahrbahnbreite von 5,7 m für den Gegenverkehr eine Durchfahrtslücke von fast 3,5 m frei blieb, die für eine gefahrlose Begegnung mit einem PKW durchaus ausreichte.

Ebenso entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß von einem entgegenkommenden Fahrzeug, selbst wenn es zunächst aus irgendeinem Grund nicht die ihm zukommende Fahrbahnhälfte benützt, die Rückkehr auf seine rechte Fahrbahnhälfte zu erwarten ist, es wäre denn, daß sich aus besonderen Gründen das Gegenteil ergibt (ZVR 1984/260; ZVR 1986/20 mwN uva). Wenn daher nach den Feststellungen der Vorinstanzen der PKW des Klägers erstmals auf die vom Erstbeklagten befahrene Fahrbahnhälfte abkam, und zwar der Sachlage nach in einer solchen Distanz, daß noch keine Kollisionsgefahr mit dem entgegenkommenden Fahrzeug bestand, durfte der Erstbeklagte zunächst mangels eines gegenteiligen Anhaltspunktes annehmen, daß der Lenker dieses Fahrzeuges wieder auf die ihm zukommende Fahrbahnhälfte zurückkehren werde, was er dann ja auch tatsächlich getan hat. Daraus folgt, daß das erste Überfahren der Fahrbahnmitte durch den vom Kläger gelenkten PKW keine Verpflichtung des Erstbeklagten begründete, auf dieses Verhalten sofort durch Einleitung eines Bremsmanövers zu reagieren. Auch die Abgabe eines Warnzeichens nach § 22 StVO war für den Erstbeklagten unter diesen Umständen nicht erforderlich, weil die Verkehrssicherheit dies nicht erforderte. Der Erstbeklagte, der wahrnahm, daß der vom Kläger gelenkte PKW nach dem ersten Überfahren der Fahrbahnmitte in ungefährlicher Distanz wieder auf die ihm zukommende Fahrbahnhälfte zurückkehrte, durfte vielmehr nach Wahrnehmung dieses Umstandes im Sinne des § 3 StVO darauf vertrauen, daß sich der Lenker dieses Kraftfahrzeuges auch weiterhin verkehrsgerecht verhalten werde. Als aber der vom Kläger gelenkte PKW sodann zum zweiten Mal die Fahrbahnmitte überfuhr und in die vom Erstbeklagten befahrene Fahrbahnhälfte eindrang, bestand für den Erstbeklagten, der darauf sofort mit einem Bremsmanöver reagierte, nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Möglichkeit mehr, den Unfall zu vermeiden.

Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen entgegen der in der Revision vertretenen Meinung ohne Rechtsirrtum ein Verschulden des Erstbeklagten an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall verneint.

Aber auch die Beurteilung, daß der Erstbeklagte den ihm obliegenden Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 EKHG erbracht hat, ist frei von Rechtsirrtum.

Wohl ist ein derartiger Entlastungsbeweis im Sinne des letzten Halbsatzes des § 9 Abs 2 EKHG ausgeschlossen, wenn der Unfall unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist. Allein eine derartige außergewöhnliche Betriebsgefahr ging vom Fahrzeug des Erstbeklagten nicht aus. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb gelegener Umstände vergrößert werden. Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr ist funktionell darin zu erblicken, daß zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon durch den gewöhnlichen Betrieb gegeben waren (ZVR 1984/129;

ZVR 1984/179 mwN uva). Wenn im vorliegenden Fall der Erstbeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen als Reaktion auf das zweite Überfahren der Fahrbahnmitte durch den Kläger eine Vollbremsung seines PKW einleitete, wurde damit die von seinem PKW ausgehende Betriebsgefahr noch nicht zu einer außergewöhnlichen. Denn es steht nicht fest, daß der PKW des Erstbeklagten als Folge dieser Vollbremsung etwa unlenkbar wurde, ins Schleudern geriet oder auf die Gegenfahrbahn verrissen wurde. In derartigen Fällen wurde das Vorliegen einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr angenommen (siehe dazu ZVR 1983/202 mwN ua). Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch um eine spurhaltende Vollbremsung des Erstbeklagten. Eine solche geht über den normalen Betrieb des Fahrzeuges nicht hinaus und begründet gegenüber einem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer keine außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinne obiger Rechtsausführungen.

Die Vorschrift des § 9 Abs 2 letzter Halbsatz EKHG steht daher der Erbringung des Entlastungsbeweises durch den Erstbeklagten nicht entgegen.

Das Berufungsgericht hat den im § 9 Abs 2 EKHG normierten Sorgfaltsmaßstab im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend definiert; seinen diesbezüglichen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Es ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Prüfung, ob im Sinne dieser Gesetzesstelle jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet wurde, nicht rückblickend zu beurteilen ist, ob der Unfall bei anderem Verhalten vermieden worden wäre, sondern von der Sachlage vor dem Unfall auszugehen und auf dieser Grundlage zu beurteilen ist, ob der Kraftfahrer in dieser Lage die äußerst nach den Umständen zumutbare Verkehrssorgfalt beobachtet hat (ZVR 1985/25 mwN ua).

Zieht man unter diesen Gesichtspunkten in Betracht, daß einerseits das vom Kläger gelenkte Fahrzeug nach dem ersten Überschreiten der Fahrbahnmitte (in noch ungefährlicher Distanz) auf die ihm zukommende Fahrbahnhälfte zurückkehrte und damit für den Erstbeklagten überhaupt keine erkennbare Gefahrenlage mehr bestand und daß andererseits der Erstbeklagte auf das zweite Überfahren der Fahrbahnmitte durch den vom Kläger gelenkten PKW sofort mit der Einleitung einer Vollbremsung reagierte, dann aber keine Möglichkeit mehr hatte, den Unfall zu vermeiden, dann kann in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Erstbeklagte im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtete und daß die Beklagten im Sinne des § 9 EKHG von ihrer Haftung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes frei sind, eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden.

Das gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gerichtete Klagebegehren wurde daher mit Recht abgewiesen. Auf die Frage, ob und inwieweit sich der Kläger, der nicht der Halter des von ihm gelenkten Fahrzeuges war, die von diesem Fahrzeug ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr anrechnen lassen muß, braucht nicht eingegangen zu werden.

Der Revision des Klägers muß unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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