Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 9 (neun) Jahre erhöht.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Raimund H*** im zweiten Rechtszug des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB schuldig erkannt; der bekämpfte Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, die - ebenso wie im ersten Verfahrensgang, in dem die Entscheidung ausgesetzt worden war (§ 334 StPO) - die Hauptfrage nach Mord (§ 75 StGB) verneint und eine dem nunmehrigen Urteilstenor entsprechende Eventualfrage bejaht haben.
Darnach hat sich der Angeklagte am 1.März 1987 in Payerbach in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen, Eva H*** durch einen Schuß aus einem mit der Mündung an ihre Stirn angesetzten Kleinkalibergewehr (vorsätzlich) zu töten.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.
Eine (nach der Prozeßordnung hiebei nicht vorgesehene) Bezugnahme auf das im konkreten Fall zu beurteilende Tatgeschehen ist in der beanstandeten Rechtsbelehrung entgegen der Beschwerdeauffassung nicht enthalten. Denn bei dem von der Anklagebehörde allein gerügten Hinweis darauf, daß ein Andauern der tatbestandsmäßigen heftigen Gemütsbewegung längere Zeit hindurch - sodaß zwischen dem Tatentschluß und dessen Realisierung eine gewisse Zeitspanne liege - "zum Beispiel auch dann der Fall" sein könne, "wenn der Täter im privilegierenden Affektzustand nach Hause eilt, um seine Waffe zu holen, und erst dann die Tat ausführt" (S 204), handelt es sich dementgegen um die nahezu wortwörtlich aus einem Kommentar (Leukauf-Steininger StGB2 RN 8 zu § 76) übernommene ganz allgemeine Exemplifizierung der das Erfordernis einer Spontaneität der Tatausführung beim Totschlag ("in einer ... Gemütsbewegung ... hinreißen läßt") betreffenden Rechtslage, wobei sich der dem Beispiel zugrunde liegende Sachverhalt mit dem hier aktuellen Geschehen auch gar nicht deckt.
Insoweit allerdings ist der Beschwerdeführerin wohl einzuräumen, daß immerhin eine gewisse Gleichartigkeit des Tathergangs auf der Hand liegt, weil der Angeklagte (seiner hiefür maßgebenden Darstellung in der Hauptverhandlung zufolge) im Zustand einer heftigen Gemütswegung zwar nicht "nach Hause", aber doch jedenfalls innerhalb des ehelichen Anwesens vom Schlafraum in ein etwa 25 m entfernt gelegenes Gärtnerhaus eilte, um die Tatwaffe zu holen, bevor er seine schlafende Ehegattin erschoß (S 138 - 142/II), und daß in der Rechtsbelehrung grundsätzlich auch die Anführung solcher Beispielsfälle nach Tunlichkeit unterbleiben soll, welche die Geschwornen zum Vergleich mit einem im gegebenen Fall als Beurteilungsgegenstand in Betracht kommenden Sachverhalt anregen sowie dadurch zu einer - unerwünschten (vgl. § 323 Abs 2 StPO) - Fixierung auf bloß einzelne Tataspekte veranlassen könnten (vgl. JBl 1980, 162).
Eine Nichtigkeit des Wahrspruchs im Sinn der mit der Beschwerde relevierten Verfahrensbestimmung (Z 8) indessen kann eine als solche richtige derartige Exemplifizierung der Rechtslage - gleichermaßen wie eine (im Rahmen der schriftlichen Belehrung nicht vorgesehene) direkte Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt (vgl. § 321 Abs 2 StPO) - nur dann zur Folge haben, wenn sie in concreto tatsächlich geeignet ist, die Aufmerksamkeit der Laienrichter von anderen rechtlich bedeutsamen Gesichtspunkten abzulenken, sodaß das Unterbleiben von deren in gleicher Weise anschaulicher Erläuterung geradezu einer Unrichtigkeit der betreffenden Rechtsbelehrung gleichkommt (vgl. SSt. 44/19, 45/9 ua). Eine derartige Unvollständigkeit der gerügten Belehrung vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen.
Der dahingehende Vorwurf, im vorliegenden Fall sei "nur ein Teil des (wesentlichen) Sachverhalts" zum Gegenstand der Rechtsbelehrung gemacht worden, erschöpft sich nämlich im Hinweis auf die Nichterläuterung jenes eingangs der Beschwerde unrichtigerweise als Inhalt des Wahrspruchs deklarierten (in Wahrheit aus der Verantwortung des Angeklagten abgeleiteten) Tatsachensubstrats, wonach dem Herbeiholen der Waffe durch den Täter unmittelbar vor der Tat eine Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Gattin vorausgegangen war, nach deren Beendigung sich diese niedergelegt hatte, und wonach sie bereits eingeschlafen war, als er sie mit dem herbeigeholten Gewehr, welches er in der Zwischenzeit geladen hatte, erschoß; aus welchen Gründen und in welche Richtung hin die solcherart hervorgehobenen Sachverhaltsaspekte im Hinblick auf die beanstandete Exemplifizierung der möglichen Dauer einer heftigen Gemütsbewegung (zur Vermeidung einer allenfalls damit verbundenen Irreleitung der Geschwornen) einer zusätzlichen rechtlichen Erläuterung bedurft hätten, welche die Annahme der privilegierenden Tatbestandsmerkmale des § 76 StGB in Frage zu stellen geeignet gewesen wäre, ist der Instruktionsrüge nicht zu entnehmen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 76 StGB zu 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe, die es mit Rücksicht auf sein Geständnis, auf seinen bisher ordentlichen Wandel und auf das Nichtvorliegen von Erschwerungsumständen sowie unter Bedacht auf seine Täterpersönlichkeit als "schuld- und tatangemessen" ansah. Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte eine Verkürzung der Strafdauer, die Staatsanwaltschaft hingegen deren Erhöhung an; letztere ist damit im Recht.
Die für die Strafbemessung maßgebende Schuld des Täters (§ 32 StGB) wird beim Totschlag regelmäßig durch das Ausmaß der - zur Privilegierung der vorsätzlichen Tötung eines Menschen gegenüber dem Mord jedenfalls vorauszusetzenden - allgemeinen Begreiflichkeit des tatbestandsmäßigen Affekts, die sich auch auf dessen tatkausale Heftigkeit erstrecken muß (vgl. EvBl 1982/167, 10 Os 10/82 ua), entscheidend mitgeprägt: je größer die Wahrscheinlichkeit zu veranschlagen ist, daß auch ein rechtstreuer Durchschnittsmensch in der Situation des Täters in eine derartige Gemütsverfassung geraten könnte, desto geringer ist dessen Schuld, je geringer diese Wahrscheinlichkeit, desto größer seine Schuld. Im vorliegenden Fall kann mit Bezug auf das hier aktuelle Strafzumessungskriterium nicht übersehen werden, daß dem Angeklagten der privilegierende Strafrahmen des § 76 StGB überhaupt nur deshalb zugute kommt, weil die Anklagebehörde den dem Verdikt unzweifelhaft anhaftenden Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO nicht geltend gemacht hat: eine Eventualfrage nach Totschlag hätte nämlich im Hinblick darauf gar nicht gestellt werden dürfen (vgl. ÖJZ-LSK 1979/6 ua), daß von einer allgemeinen Begreiflichkeit der von ihm behaupteten Gemütsbewegung in einer derartigen Heftigkeit, daß sich auch ein rechtstreuer Durchschnittsmensch vorstellen könnte, dadurch zu einer die Überwindung stärkster sittlicher Hemmungen voraussetzenden Straftat (wie der vorsätzlichen Tötung eines Menschen) hingerissen zu werden, in Relation zu dem ihr zugrunde gelegenen Anlaß - der sich nach der von ihm selbst vorgebrachten Tatversion im wesentlichen in einem erstmaligen Eklat nach durchzechter Nacht erschöpfte, bei dem er von seiner Gattin gröblich beschimpft, in seinem sexuellen Selbstbewußtsein verletzt und durch die Ankündigung ehelicher Untreue schockiert wurde - bei rechtsrichtiger Beurteilung bei weitem keine Rede sein kann. Die Bindung des Berufungsgerichtes an die mit der Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde eingetretene Rechtskraft des privilegierenden Schuldspruchs (§ 295 Abs 1 StPO) kann demnach nur dazu führen, daß zwar von einer allgemeinen Begreiflichkeit des tatkausalen Affekts auszugehen, die mit dem Verbrechen verbundene Schuld aber innerhalb der deliktstypischen Bandbreite im obersten Bereich einzuordnen ist; jene Konsequenz entspricht auch vollauf der Berücksichtigung des Umstands, daß der Angeklagte seiner Ehegattin, der er zu anständiger Begegnung verpflichtet war (§ 90 ABGB), durch das einer Hinrichtung gleichkommende vorsätzliche Abfeuern des tödlichen Gewehrschusses in ihre Stirn, während sie schlief, keinerlei Chance ließ, die Tat zu überleben (§ 32 Abs 3 StGB).
Das Gewicht dieser Schuld wird durch seinen vormals (auch innerhalb der Familie) ordentlichen Lebenswandel sowie durch sein Geständnis nur geringfügig gemindert; desgleichen kommt allenfalls bereits längere Zeit hindurch vorgelegenen Spannungen zwischen den Eheleuten - wobei sich für seine "jahrelange demütigende Behandlung durch die Frau" in der Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt findet - insoweit ebensowenig eine ins Gewicht fallende Bedeutung zu wie der Frage, wer in der Ehe "das beherrschende Element" war. In Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung war daher die Dauer der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf das seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechende Maß von neun Jahren zu erhöhen sowie letzterer mit seinem Rechtsmittel darauf zu verweisen.
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