OGH 11Os80/88 (11Os81/88)

OGH11Os80/88 (11Os81/88)9.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael Siegfried I*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB.

I. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.März 1988, GZ 6 b Vr 11.279/87-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Schmied, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Strafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;

II. über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.März 1988, GZ 6 b Vr 11.279/87-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Siegfried I*** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 (vorletzter Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach hatte er in der Zeit zwischen dem 7. und dem 28.Oktober 1987 in vier Briefen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Dipl.Ing. Franz G*** durch die vergebliche Aufforderung, am 28.Oktober 1987 aus dem um 6,00 Uhr von Wien-Westbahnhof nach München fahrenden Inter-City-Zug Nr. 2810, Waggon Nr. 270, Platznummer 56, ca. 50 m nach dem Ende des beleuchteten Bahnsteiges in einer Tasche zusammen mit einem auf (den Sender) Ö-3 laut eingestellten Radio(apparat) eine Million Schweizer Franken zu werfen, widrigenfalls (er) sämtliche Aufzeichnungen, nämlich daß (gemeint ist: nach denen) Dipl.Ing. Franz G*** nur durch gerichtlich strafbare Handlungen (Diebstähle, Hehlerei) zu Vermögen und Reichtum gekommen sei (dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit), der Polizei übergeben würde, wodurch das Vermögen des Dipl.Ing. Franz G*** gefährdet wäre und auch seine Tochter von den "krummen Machenschaften" ihres Vaters erfahren würde, sohin durch gefährliche Drohung mit einer zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz führenden Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung, die Dipl.Ing. Franz G*** am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht (§ 15 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird vom Angeklagten - nach Rückziehung der Mängelrüge im Gerichtstag - mit einer auf die Ziffer 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Zu Unrecht wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung der ihm angelasteten Äußerungen als Drohung mit der "Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz" iS des § 145 Abs 1 Z 1 (vorletzter Fall) StGB. Die Unterstellung einer Tat unter diese Gesetzesstelle setzt voraus, daß die Drohung in der Person des Bedrohten bei unbefangener objektiver Beurteilung der Sachlage den Eindruck erwecken kann, der Täter sei willens und in der Lage, das angedrohte - im Sinn der vorzitierten Gesetzesstelle qualifizierte - Übel der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz tatsächlich herbeizuführen. Die Verwirklichung des angekündigten Übels muß nicht durchführbar sein, jedoch ernst gemeint scheinen (vgl. hiezu Kienapfel BT I2 RN 42 ff zu § 105 StGB, Mayerhofer-Rieder, StGB2, ENr. 1 zu § 145 StGB und ENr. 2 zur insoweit entsprechenden Bestimmung des § 106 StGB, ferner Leukauf-Steininger, StGB2, RN 6 zu § 106 StGB).

Nach den Urteilsfeststellungen gab der Angeklagte vor, detaillierte Aufzeichnungen über gerichtlich strafbare Handlungen des Dipl.Ing. Franz G*** in Händen zu haben, worauf er die Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz stützte, wenn der Bedrohte nicht einen Betrag von einer Million Schweizer Franken bezahle (AS 317).

Bei der gegebenen Fallgestaltung mußte auch bei Anlegung eines gemischt objektiv-individuellen Maßstabes (Kienapfel BT I2 RN 44 zu § 105 StGB) jeder im Wirtschaftsleben stehende Mensch befürchten, daß die gegen ihn vorgebrachten (wenn auch unwahren) Beschuldigungen durch die nicht näher konkretisierten, angeblich beweiskräftigen schriftlichen Unterlagen in einer Form untermauert werden (Mißdeutung von tatsächlichen Vorgängen, Fälschung von Beweismitteln etc), welche die Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten veranlassen. Tatsächlich schätzte Dipl.Ing. G*** die Situation auch so ein, weil er bereit gewesen wäre, einen Betrag, der seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angemessen ist, zu bezahlen. Die urteilsgegenständliche Ankündigung des Täters wies daher die Eignung auf, dem Bedrohten nicht nur allgemein begründete Besorgnisse, sondern auch - tätergewollt - Furcht um seine wirtschaftliche Existenz einzuflößen.

Der Auffassung der Beschwerde und der Generalprokuratur, daß ein mit einer inhaltlich falschen Strafanzeige Bedrohter - objektiv gesehen - keine strafgerichtliche Verfolgung samt ebenfalls in Aussicht gestellten existenzbedrohenden Auswirkungen zu befürchten habe, wenn er sich frei von Schuld weiß, kann somit nicht gefolgt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 145 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung und den Umstand als mildernd, daß die Tat beim Versuch blieb.

Michael Siegfried I*** strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufung ist begründet.

Das Erstgericht fand ein Strafmaß, das selbst unter Beachtung des belasteten Vorlebens des Angeklagten bei gebührender Berücksichtigung der angenommenen Milderungsgründe als zu streng angesehen werden muß.

Werden die gegebenen Strafzumessungsgründe ihrem tatsächlichen Gewicht entsprechend gewürdigt, erscheint eine Herabsetzung der vom Schöffengericht zuerkannten Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche, sowohl dem hohen Unrechtsgehalt der Verfehlung als auch dem Verschuldensgrad und dem Vorleben des Angeklagten entsprechende Ausmaß von drei Jahren gerechtfertigt. In diesem Sinn war der Berufung daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Das Schöffengericht widerrief zugleich (§ 494 a Abs 1 StPO nF) mit der Verurteilung des Angeklagten die mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 12.Dezember 1985, Zl. 500-10/3, kundgemacht mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 13.Dezember 1985, GZ 4713/170-IV 5/85, gnadenweise gewährte bedingte Nachsicht des Restes der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. März 1985, AZ 6 b Vr 13.675/84, über Michael Siegfried I*** verhängten Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten (§ 53 Abs 1 StGB nF).

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen - nicht

ausgeführten - Beschwerde kommt keine Berechtigung zu, weil es angesichts der bereits wiederholten Wirkungslosigkeit bloß bedingter Strafnachsichten sowie in Anbetracht des Gewichtes der neuen Verurteilung innerhalb der dem Angeklagten zuletzt gewährten Probezeit geboten ist, auch den Rest der früheren Strafe zu vollziehen, um Michael Siegfried I*** von weiteren strafbaren Handlungen wirkungsvoll abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB nF). Es war daher über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß spruchgemäß (II) zu beschließen.

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