OGH 11Os112/88

OGH11Os112/889.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Celal EFE wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Mai 1988, GZ 12 e Vr 7.359/87-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Jänner 1955 geborene türkische Staatsangehörige Celal EFE des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 7.Juli 1987 in Wien der Prostituierten Regina M*** ihre Handtasche mit 1.500 S Inhalt wegzunehmen versucht zu haben, indem er mit den Fäusten auf sie einschlug und sie mit Füßen trat.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z 4, 5 a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Den Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 1988 "aufrecht erhaltenen" Beweisantrages auf Vernehmung des Wilhelm S*** (der den Täter nach der Tat eine Zeitlang verfolgt hatte) als Zeugen. Das Schöffengericht begründete sein abweisendes Zwischenerkenntnis damit, es sei infolge der Vielzahl fruchtloser Vorführversuche ungewiß, ob der Zeuge jemals für das Verfahren stellig gemacht werden könne, zumal sich der Zeuge anscheinend seiner Aussagepflicht zu entziehen trachte (S 235 d.A) und über seinen tatsächlichen Verbleib nichts habe erhoben werden können (S 252 d.A).

Selbst wenn man mit Rücksicht auf den Umstand, daß Wilhelm S*** nach der Aktenlage zumindest die Endphase der Tat wahrgenommen haben dürfte, darüber hinwegsieht, daß weder im Schriftsatz vom 18.November 1987, mit dem die Ladung dieses Zeugen erstmals begehrt wurde, noch bei der mündlichen Antragstellung in den Hauptverhandlungen vom 16.Dezember 1987 (S 157 d.A) und vom 11. Mai 1988 (S 234 d.A) das Thema bezeichnet wurde, zu dem der Zeuge gehört werden sollte (vgl Mayerhofer-Rieder2 ENr 1 und 16 zu § 281 Z 4 StPO), kann sich der Angeklagte durch das Unterbleiben eines weiteren Versuches, Wilhelm S*** stellig zu machen, in seinen Verteidigungsrechten nicht für verletzt erachten. Denn angesichts der Erfolglosigkeit wiederholter Ausforschungs- und Vorführversuche (siehe insbesondere ON 43, 56, 57, 65 d.A) und der durch den - wenn auch erst am 13.Mai 1988 bei Gericht eingelangten - schriftlichen Bericht vom 11.Mai 1988 aktenkundig gewordenen Tatsache, daß sich Wilhelm S*** mit hoher Wahrscheinlichkeit an der zuletzt bekannt gewordenen Anschrift nicht mehr aufhält (S 261 d.A), ist davon auszugehen, daß das begehrte Beweismittel für das Gericht unerreichbar wurde (siehe Mayerhofer-Rieder2 ENr 104 zu § 281 Z 4 StPO). Damit haftet dem Urteil die behauptete formelle Nichtigkeit nicht an.

Zum selben Ergebnis führt die Prüfung des Beschwerdevorbringens zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO. Denn das bloße Zitat jenes Teiles der Aussagen der Zeugin Regina M***, nach dem die Handtasche zu Boden gefallen und damit für einen Augenblick ihren Händen und denen des Täters entglitten sein mußte, vermag umsoweniger erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken, als damit die weitere Bekundung der Zeugin übergangen wird, der Angeklagte habe darnach keine Möglichkeit mehr gehabt, die Tasche wegzunehmen, weil sich die Zeugin auf sie gesetzt habe (S 145 d.A). Daß darüber hinaus die Zeugin vor dem Untersuchungsrichter auch noch einen späteren Versuch des Täters schilderte, sich der Tasche zu bemächtigen (S 55 d.A), sei nur noch am Rand erwähnt.

Letztlich ist auch die Rechtsrüge, mit der die Nichtanwendung des § 43 Abs 1 StGB bekämpft und die Nichtbeachtung eines weiteren Milderungsgrundes behauptet wird, nicht zielführend. Der hier sachlich bezogene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten (nicht: zweiten) Falles der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt nicht darauf ab, daß eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tat- und tätergerecht ist, sondern darauf, ob gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoßen wurde, das heißt, ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der - ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen (vgl 11 Os 44/88, 11 Os 64/88).

Dies trifft aber auf den vorliegenden Fall nicht zu. Denn das Schöffengericht begründete die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht mit dem Hinweis auf generalpräventive Gründe (die es - an sich nicht verfehlt - in einer gegenwärtig zu beobachtenden Häufung gleichartiger Gewalttaten erblickte), demnach mit gerade einem solchen Kriterium, das für die Anwendung (oder Nichtanwendung) des § 43 StGB - von den Primärerfordernissen der Strafart und des Strafausmaßes abgesehen - den Ausschlag zu geben hat. Dem Urteil selbst ist somit ein normwidriger, mit den bezüglichen Gesetzesvorschriften nicht zu vereinbarender Strafbemessungsvorgang nicht zu entnehmen.

Auf die Frage jedoch, ob - rite - herangezogene Kriterien gemessen an allen (auch den allenfalls unberücksichtigt gebliebenen) Verfahrensergebnissen richtig beurteilt wurden, ist im Rahmen einer Rechtsrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht einzugehen. Dies muß - als vom Ergebnis einer in zweiter Instanz von neuem vorzunehmenden Sammlung und Prüfung des in Betracht kommenden Prozeßmaterials abhängig - dem Berufungsverfahren vorbehalten bleiben.

Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde teils nach dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird demnach das Oberlandesgericht Wien zu erkennen haben (§ 285 i StPO nF).

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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