Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 25.Juni 1956 geborene iranische Staatsbürger Mehran B*** wurde des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt. Nach dem Wahrspruch der Geschwornen hat er am 30.September 1984 in Teheran zusammen mit fünf gesondert verfolgten Landsleuten durch Fesseln und Knebeln des Gholam Hossein M***, seines Sohns Hamid M*** sowie weiterer Familienangehöriger und durch die Drohung mit dem Umbringen, weiters, indem sie zu Hamid M***, den sie freiließen, äußerten, er müsse 15 Millionen Tuman (150 Millionen Rial) bringen, wobei sie ihm eine Frist setzten, sonst werden sie alle umbringen, unter Verwendung von Waffen, nämlich von Kampfmessern, einer Handgranate und einer Pistole dem Gholam Hossein M*** bzw. dessen Familienangehörigen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld von 60 Millionen Rial (ca. 13,800.000 S) sowie verschiedene Schmuckgegenstände und eine Uhr mit Bereicherungsvorsatz abgenötigt. Mehran B*** ficht den Schuldspruch aus § 345 Abs 1 Z. 5, 6 und 8 StPO. an.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge wendet sich gegen die auf Grund des Zwischenerkenntnisses des Schwurgerichtshofs vom 16.Mai 1988 (S. 192/III) gegen den Widerspruch des Verteidigers vorgenommene Verlesung der Angaben der Tatopfer (ON. 149). Die im § 252 Abs 1 StPO. bestimmten Voraussetzungen einer Verlesung seien nicht erfüllt, denn es sei nicht geklärt, ob die vor dem persischen Gericht ausgesprochene Weigerung der beiden Tatopfer Gholam Hossein M*** und Hamid M***, vor dem österreichischen Gericht zu erscheinen, sich auch auf die Zukunft bezogen habe. Die Verlesung der Aussagen habe das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen (Art. 6 § 3 lit d MRK.). Gemäß § 252 Abs 1 Z. 1 StPO. dürfen Protokolle u.a. über die Vernehmung von Zeugen vorgelesen werden, wenn das persönliche Erscheinen der Vernommenen wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit, wegen entfernten Aufenthalts oder aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden kann. Diese Gesetzesstelle war angesichts der Weigerung der beiden in Teheran wohnhaften Zeugen, zur Vernehmung vor dem erkennenden Gericht nach Österreich zu kommen (S. 101, 105/III), anzuwenden. Dabei war auf die Situation im Zeitpunkt der Verlesung abzustellen und nicht auf eine künftig allenfalls geänderte.
Das im Art. 6 § 3 lit d MRK. jedem Angeklagten zugestandene Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, ist damit nicht verletzt. Dieses Recht muß auf solche Fälle beschränkt sein, in denen eine Fragestellung überhaupt möglich ist. Ist der Zeuge tot, vernehmungsunfähig oder unerreichbar, so steht einer Verwertung seiner früheren Angaben Art. 6 § 3 lit d MRK. nicht entgegen. Auch in dem von der Beschwerde zitierten Fall U*** (EuGRZ. 1987 S. 147) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allein in der fehlenden Befragungsmöglichkeit noch keine Konventionsverletzung erblickt. Über den Beweiswert der verlesenen Aussagen hatten die Geschwornen zu befinden; dies unter Berücksichtigung etwaiger Widersprüche bei den beiden aktenkundigen Vernehmungen des Hamid und des Gholam M***.
Soweit der Beschwerdeführer weiters die Verlesung der in Persien niedergelegten Verantwortungen seiner Mittäter rügt, ist ihm zu entgegnen, daß er sich dagegen nicht ausgesprochen hat (S. 192/III). Unter Anrufung der Z. 6 rügt der Beschwerdeführer, daß den Geschwornen nicht auch eine von ihm in der Hauptverhandlung beantragte, vom Schwurgerichtshof jedoch abgelehnte (S. 216, 224/III) Eventualfrage nach Erpressung gemäß § 144 StGB. sowie eine Zusatzfrage (§ 316 StPO.) nach schwerer Erpressung gemäß § 145 Abs Z. 1 StGB. vorgelegt wurde. Er übersieht, daß Gegenstand dieser Eventualfrage wohl nur die Wegnahme des von Hamid M*** unter dem Druck der Bedrohung seiner Familienangehörigen unmittelbar herbeigeholten und dann weggenommenen Barschaft (60 Millionen Rial) hätte sein können, nicht aber auch die gewaltsame Abnahme der "verschiedenen Schmuckgegenstände und einer Uhr" unmittelbar von den gefesselten Angehörigen der Familie M***. Die vermißte Eventualfrage hätte daher nur eine andere rechtliche Beurteilung eines Teils des in der Hauptfrage I erfaßten Sachverhalts bewirken können. Im Fall ihrer Bejahung (der eine eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage I vorangegangen sein müßte) hätte dann ein Schuldspruch wegen schwerer Erpressung neben dem (trotz verminderter Beute rechtlich unveränderten) Schuldspruch wegen Verbrechens des schweren Raubes treten müssen. Folglich ist die Beschwerde insoweit gar nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§§ 282, 344 StPO.). Wie der Schwurgerichtshof in seinem abweisenden Zwischenerkenntnis zutreffend ausführte, kam indes eine Beurteilung auch nur eines Teils des Tatgeschehens als Erpressung überhaupt nicht in Betracht: Nach dem auch vom Beschwerdeführer insofern nicht in Zweifel gezogenen Tatsachenvorbringen wurde das Geld im Haus der Familie M*** bei Fortbestand der Gewaltausübung weggenommen. Daß das geraubte Gut nicht schon am Beginn des Raubüberfalls auf dem Tatort vorhanden war, sondern von Hamid M*** aus dem väterlichen Geschäftslokal geholt und in das Wohnhaus gebracht werden mußte, ändert daran nichts. Steht doch die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß sich beim Raub die Person, welcher Gewalt angetan wird, nicht im selben Raum wie die Sache befinden muß (EvBl 1962 Nr. 479) und daß - im Gegensatz zum Raub - bei der Erpressung erst eine künftige Leistung (Sachübergabe) erzwungen werden soll (EvBl 1976 Nr. 219).
Die vom Beschwerdeführer ebenfalls hervorgehobene zeitliche Ausdehnung des Geschehens spricht keineswegs gegen die Beurteilung der Tat als Raub, sondern vielmehr für dessen in stundenlanger Fesselung und Bedrohung einer Mehrzahl von Personen zum Ausdruck kommende besondere Schwere und Brutalität. Mit der Forderung nach "sofortigem" (unmittelbarem) Gewahrsamsübergang wird nämlich keineswegs die Dauer einer räuberischen Gewaltanwendung beschränkt, sondern nur der notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen der Gewaltausübung und dem Gewahrsamswechsel herausgestellt, an dem nach dem Vorgesagten hier kein Zweifel bestehen kann.
Auch die Rüge der Rechtsbelehrung (Z. 8) versagt. Soweit der Beschwerdeführer die darin erläuterte Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung bekämpft, ist ihm zu entgegnen, daß bei dem Umstand des Fehlens einer Eventualfrage nach Erpressung eine Belehrung zu diesem Tatbestand zufolge § 321 Abs 2 StPO. gar nicht zulässig war. Andererseits war die erteilte Belehrung durchaus zutreffend. Der Beschwerdeführer verkennt auch in diesem Zusammenhang, daß Erpressung nicht in Betracht kommt, weil die Gewaltanwendung bis zur Erlangung des Geldes, womit der Raub in bezug hierauf erst vollendet war, andauerte. Dem entgegen ist für die Erpressung typisch, daß der Erpreßte zwar unter dem Eindruck von Gewalt oder gefährlicher Drohung steht, die sein Vermögen schädigende Handlung aber zu einem Zeitpunkt setzt, zu dem er nicht mehr unmittelbar einer Gewaltanwendung oder einer Drohung ausgesetzt ist (siehe abermals EvBl 1976 Nr. 219).
Im Hinblick auf die Vollendung des Raubes bleibt unklar, weshalb eine vom Beschwerdeführer vermißte erläuternde Abgrenzung des Versuchs zur Vollendung erforderlich gewesen sein sollte, zumal die Voraussetzungen der Tatvollendung in der Rechtsbelehrung (dort S. 10) ohnedies richtig dargetan werden.
Die Einwände gegen die Belehrung zur subjektiven Tatseite (S. 7, 8 der Rechtsbelehrung) sind gleichfalls in jeder Beziehung unbegründet. Die Rechtsbelehrung stellt zutreffend und allgemein verständlich die für Raub in Betracht kommenden Vorsatzformen und den überdies erforderlichen Bereicherungsvorsatz des Täters dar. Ein Rechtsirrtum ist darin nicht zu finden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. zu einer 8-jährigen Zusatzstrafe. Gemäß § 31 StGB. wurde auf die Urteile des Strafbezirksgerichts Wien vom 13.Dezember 1985, GZ 18 U 2.349/85-2 (§ 16 Abs 1 SuchtgiftG.: Geldstrafe von 30 Tagessätzen), und vom 24.Februar 1986, GZ 12 U 73/86-2 (§ 88 Abs 1 StGB.: Geldstrafe von 40 Tagessätzen), sowie des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29.Juli 1986, GZ 6 a Vr 4.675/86-35 (§ 16 Abs 1 und 2 SuchtgiftG.: 8 Monate Freiheitsstrafe), Bedacht genommen.
Als erschwerend wertete das Geschwornengericht das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (s. § 40 StGB.), die Verwendung mehrerer Waffen und die besonders grausame Vorgangsweise gegen mehrere Personen über einen längeren Zeitraum sowie die hohe Schadenssumme; mildernd fiel demgegenüber ins Gewicht das vor dem Untersuchungsrichter und der Polizei abgelegte Geständnis, wodurch auch ein gewisser Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet wurde, die Unbescholtenheit und die teilweise objektive Schadensgutmachung. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Strafherabsetzung und deren gänzliche oder teilweise bedingte Nachsicht.
Auch hiemit ist er nicht im Recht.
Vorweg sei festgehalten, daß auf die im Ausland begangene Tat gemäß § 65 Abs 1 Z. 2 StGB. die österreichischen Strafgesetze und damit deren Grundsätze für die Strafbemessung (§§ 32 ff. StGB.) anzuwenden waren. Der Hinweis des Angeklagten auf die wirtschaftliche und soziale Situation des Tatorts (Iran) zeigt keinen Milderungsgrund auf, denn das vom Angeklagten und seinen Raubgenossen verübte Verbrechen beruhte nicht auf ihrer eigenen drückenden Notlage (§ 34 Z. 10 StGB.). Die vom Berufungswerber und seinen Komplizen angewendete Gewalt und die massiven Raubdrohungen lagen zeitlich und inhaltlich weit über der Norm sonstiger Raubtaten und wurde die grausame Ausführung der Gewalttat deshalb zu Recht als besonders erschwerend gewertet.
Dem Angeklagten wurde Unbescholtenheit als mildernd zugerechnet; der Berufungseinwand, daß sich aus seinen sonstigen Straftaten kein Hinweis auf einen einschlägigen Gesinnungsfehler ergebe, geht somit ins Leere.
Ein Vergleich mit den über die Mittäter in Persien verhängten Strafen (je 74 Peitschenhiebe und teilweise auch Verbannung, siehe ON. 149 S. 111/III. Band), ist nach inländischem Strafrecht nicht möglich. Die über den Berufungswerber verhängte Strafe ist auch als Zusatzstrafe, angesichts einer Strafobergrenze von 15 Jahren, nicht überhöht und unter Berücksichtigung der vom Geschwornengericht zutreffend aufgezählten und gewerteten Strafzumessungsgründe auch richtig geschöpft.
Eine Strafherabsetzung kommt zusammenfassend nicht in Frage. Damit entfällt aber auch die Möglichkeit einer bedingten oder teilbedingten Strafnachsicht (§§ 43, 43 a StGB.).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)