OGH 7Ob632/88

OGH7Ob632/8828.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** S***,

vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Paula P***, Hausfrau, Salzburg, Scherzhausen Q/2, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 13. April 1988, GZ 32 R 205/87-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12. Februar 1987, GZ 15 C 514/86-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.812,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 164,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Mieterin der Wohnung Q/2 im Hause Salzburg, Scherzhausen. Ihr Ehegatte ist Josef P***. Vermieterin und Eigentümerin des Hauses ist die Klägerin.

Das Berufungsgericht hat nach Beweiswiederholung in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die auf § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 3 MRG gestützte Aufkündigung für rechtswirksam erklärt, wobei es im wesentlichen feststellte, daß Josef P*** die Benützung des Rasens im Hof durch Kinder der anderen Mieter ebenso ablehnt wie das Befahren der Schotterwege mit Fahrrädern seitens der Kinder, obwohl den Mietern von der Vermieterin ein diesbezügliches Recht eingeräumt worden ist. Es kam deswegen ständig zu Auseinandersetzungen, die insbesondere im Frühjahr und Sommer 1986 eskalierten. Im Verlaufe derartiger Auseinandersetzungen hat Josef P*** die Kinder verjagt und im Zuge von Aussprachen mit den Eltern diese gröblich und lautstark beschimpft, wobei er Ausdrücke wie "Hure" und "Strichkatze" verwendete. Außerdem bezeichnete er den Ehegatten einer der Mütter als Verbrecher. Derartige und ähnliche Ausdrücke wurden von ihm im Zuge der Auseinandersetzungen immer wieder gebraucht. Außerdem lief er Jugendlichen einmal mit einer Pistole nach und zielte mit dieser auf sie.

Seit Herbst 1986 sind die Auseinandersetzungen wieder abgeklungen, was einerseits auf den Auszug einer der mit Josef P*** verfeindeten Familien und andererseits darauf zurückzuführen ist, daß einige der Kinder größer geworden sind und Josef P*** ausweichen.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, durch das Verhalten des Josef P*** sei der Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 MRG erfüllt. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß sie alles in ihrer Macht stehende zur Abwehr des Verhaltens ihres Ehegatten unternommen habe. Maßgebend für den Erfolg einer Aufkündigung sei, daß der Kündigungstatbestand zum Zeitpunkt der Aufkündigung verwirklicht worden ist. Ein späteres Verhalten könne zu einer anderen Beurteilung nur dann führen, wenn daraus zu schließen sei, daß eine Gefahr der Wiederholung für die Zukunft nicht bestehe. Dies sei schon im Hinblick auf die Uneinsichtigkeit der Beklagten und ihres Ehegatten in diesem Verfahren nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten ist entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung rechtzeitig erhoben worden, weil das angefochtene Urteil dem Beklagtenvertreter am 5. Mai 1988 zugestellt wurde und dieser die Revision am 1. Juni 1988 zur Post gegeben hat. Was die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG anlangt, so ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes durch die einheitliche Judikatur gedeckt (MietSlg 38.447, 37.406 ua). Dies gilt auch für die Frage, was der Mieter zur Abwehr des rücksichtslosen Verhaltens seines Mitbewohners zu unternehmen hat und für die diesbezügliche Beweislast (MietSlg 38.449 ua). Ob im Einzelfall das festgestellte Verhalten eine Erfüllung des erwähnten Tatbestandes unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze bewirkt, ist in der Regel eine Frage, die in ihrer Bedeutung über den konkreten Prozeß nicht hinausgeht, es sei denn, daß die Zuordnung dieses Verhaltens zu dem Tatbestand geradezu den Rechtsgrundsätzen widersprechen würde. Dies ist hier nicht der Fall, so daß die erwähnten Fragen eine Behandlung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ausschließen. Das Berufungsgericht hat seinen Zulassungsausspruch damit begründet, daß bezüglich der Frage, inwieweit eine Besserung des Verhaltens des Mieters einen Einfluß auf die nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG ausgesprochene Kündigung haben kann oder nicht, die Rechtsprechung uneinheitlich ist.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann auch in diesem Punkt von einer für die hier entscheidende Frage nicht einheitlichen Rechtsprechung nicht gesprochen werden. Es ist nämlich einheitliche Rechtsprechung, daß grundsätzlich für die Beurteilung eines Kündigungsgrundes die Umstände zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgebend sind (MietSlg 27.351, 25.269, 23.332 ua). Davon ist die Rechtsprechung nie abgegangen. Sie hat lediglich in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß dort, wo das Gesetz Zukunftsprognosen verlangt, das nach der Kündigung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz an den Tag gelegte Verhalten des Gekündigten insoweit berücksichtigt werden kann, als es einen Schluß auf die Entwicklung in der Zukunft zuläßt. Nur bezüglich der Frage, ob dieser Gedankengang auch auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG anzuwenden ist, war die Rechtsprechung nicht ganz klar, doch kann von einer widersprechenden Rechtsprechung keine Rede sein. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der in MietSlg XXXVIII/4 veröffentlichten Entscheidung eindeutig für eine Anwendung dieses Grundsatzes auch auf den erwähnten Kündigungsgrund ausgesprochen. Damit hat er aber nur eine Klarstellung bewirkt und ist nicht in Widerspruch zu anderen Entscheidungen geraten. Selbstverständlich führt dies aber dazu, daß das Verhalten nach Einbringung der Aufkündigung auf das Schicksal dieses Schrittes dann keinen Einfluß haben kann, wenn dieses Verhalten nicht den Schluß zuläßt, daß die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist. Für den Beklagten ist also durch die erwähnte Entscheidung nichts gewonnen. Fraglich hätte nur sein können, ob sein nachträgliches Verhalten überhaupt beachtlich ist oder nicht. Könnte es beachtlich sein, was in Anlehnung an die erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auch vom erkennenden Senat bejaht wird, so könnte es zu einer Aufhebung der Aufkündigung nur führen, wenn daraus der Schluß abzuleiten wäre, daß der Beklagte sein unleidliches Verhalten in Zukunft nicht mehr an den Tag legen werde. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht dies verneint. Dieser Teil seiner Entscheidung betrifft aber wieder nur den konkreten Einzelfall, der für die Rechtsentwicklung und Rechtssicherheit ohne Bedeutung ist. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes ist aufgrund der getroffenen Feststellungen durchaus nachvollziehbar. Demnach gab diese Schlußfolgerung keinen Anlaß zu einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO.

Es ergibt sich sohin, daß bezüglich der einzigen vom Berufungsgericht als überprüfungsbedürftig bezeichneten Rechtsfrage einerseits keine widersprechende Judikatur vorliegt und andererseits die durch die Entscheidung MietSlg XXXVIII/4 beseitigte Unklarheit für die konkrete Entscheidung ohne Bedeutung ist, weil, ausgehend davon, daß nach der Ansicht des Berufungsgerichtes aus dem späteren Verhalten des Ehegatten der Beklagten eine Garantie für eine dauernde Besserung nicht abgeleitet werden kann, die Kündigung unter allen Umständen, und zwar auch bei Außerachtlassung der erwähnten Entscheidung, für wirksam zu erklären gewesen wäre. Auf die Frage, inwieweit das Milieu, in dem der Mieter lebt, Einfluß auf die Beurteilung seines Verhaltens hat, war nicht einzugehen, weil mangels eines diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten im Verfahren erster Instanz, keine Feststellungen im Sinne der Behauptungen der Revision vorliegen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, wobei zu berücksichtigen war, daß die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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