OGH 14Os105/88

OGH14Os105/8828.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hanglberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann H*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 ff StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann H*** und Johann K*** sowie über die Berufungen des Angeklagten Johann F*** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Johann H*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Dezember 1987, GZ 6 b Vr 5199/87-77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann K*** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des genannten Angeklagten zu Punkt B VI 1 des Urteilssatzes (betrügerische Einlösung von neun Schecks am 17.September 1986) sowie teilweise, und zwar hinsichtlich des Tatzeitraumes von 16.September 1986 bis zum 13.Oktober 1986, auch zu Punkt B VI 6, ferner, in der Qualifikation der von diesem Angeklagten begangenen Diebstähle (auch) in Richtung des § 130 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** wird im übrigen, die des Angeklagten H*** zur Gänze zurückgewiesen.

3. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte K*** auf die zu Punkt 1 getroffene Entscheidung verwiesen.

4. Gemäß § 285 i StPO werden die Akten zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Johann H*** und Johann F*** dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

5. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten H*** und K*** auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurden unter anderen der 26jährige Johann H*** und der 27jährige Johann K*** der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls und des schweren gewerbsmäßigen Betruges sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung und Johann K*** überdies des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden und des Vergehens der Begünstigung schuldig erkannt.

Während Johann H*** den gesamten Schuldspruch aus den Z 4, 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** aus den Gründen der Z 5, 5 a und 10 allein gegen die Annahme von vier Betrugsfakten (B VI 1, 4, 5, 6 des Urteilssatzes) sowie gegen die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit in Ansehung der Verbrechen des Diebstahls und des Betruges.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich dem letztangeführten Rechtsmittel kommt teilweise Berechtigung zu.

Als unzureichend begründet (Z 5) erweist sich zunächst die tatrichterliche Konstatierung, der Angeklagte K*** habe sich am 17. September 1986 an der betrügerischen Einlösung von neun Schecks, lautend auf das Konto der Erika J*** sowie an der Einlösung weiterer Schecks unbekannt gebliebener Kontoinhaber in der Zeit zwischen 16. September und 13.Oktober 1986 beteiligt (B VI 1 und - teilweise - B VI 6 des Urteilssatzes). Ermöglicht doch - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - allein der Umstand, daß der genannte Angeklagte in der Hauptverhandlung am 16. Dezember 1987 behauptet hatte, sich zur Tatzeit in Holland befunden zu haben, keinen denkrichtigen Schluß darauf, daß das Ergebnis der im Oktober 1986 gepflogenen Polizeierhebungen, wonach sich K*** vom Beginn des September 1986 bis zum 13.Oktober dieses Jahres in Deutschland aufhielt (vgl ON 15 in ON 2) unrichtig gewesen war und hätte es insoweit zusätzlicher Argumente und insbesondere einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem genannten Polizeivermerk bedurft. Auch wäre es erforderlich gewesen, den Umstand in die Würdigung einzubeziehen, daß H*** erst am 16. September 1986 - also einen Tag vor dem fraglichen Betrug - aus der Haft entsprungen war, weil erfahrungsgemäß der erhöhte Erinnerungswert solcher aus dem Rahmen fallender Ereignisse auch zeitlich benachbarte Geschehnisse umfaßt und demnach die Urteilsbegründung, es sei unglaubwürdig, daß sich H*** bei der Vielzahl der Fakten an einen bestimmten Deliktszeitraum erinnern wolle (US 29) insoweit der Schlüssigkeit entbehrt.

Am gleichen formalen Begründungsmangel leidet die erstgerichtliche Annahme, die "zahlreichen Angriffe im Zusammenhalt mit den persönlichen Verhältnissen" rechtfertigten "den einzigen Schluß", (auch) dem Angeklagten K*** sei es darauf angekommen, sich durch die wiederholte Begehung "der Straftaten" - also auch der Diebstähle - eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen (US 31). Denn dem Beschwerdeführer liegen lediglich zwei Diebstahlsfakten zur Last, darunter eine Tat, die auch nach den bezüglichen Urteilsannahmen (vgl US 27) ersichtlich ungeplant unter Ausnützung einer günstigen Gelegenheit verübt wurden. Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, war insoweit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO) spruchgemäß zu verfahren.

In allen übrigen Punkten erweisen sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten H*** und K*** teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzgemäß ausgeführt. Wenn der Angeklagte K*** - um mit dessen Rechtsmittel fortzufahren - in Ansehung der Fakten B VI 4, 5 und 6 (hier: ab 13.10.1986) eine Unvollständigkeit der Begründung dadurch als gegeben erachtet, als das Urteil die Verantwortung des Mitangeklagten H***, er habe ab Ende Dezember 1986 mit K*** keinen Kontakt mehr gehabt, mit Stillschweigen überging, läßt er seinerseits unberücksichtigt, daß die Tatrichter in durchaus schlüssiger Weise, nämlich unter Berufung auf die "unzähligen" diebischen Angriffe des H***, dessen Erinnerung an bestimmte Deliktszeiträume grundsätzlich die Glaubwürdigkeit versagt (vgl US 29) und damit - mit Ausnahme des Faktums B VI 1, das zeitlich mit der Flucht des H*** aus der Haft zusammenfiel und daher einen markanten Erinnerungswert besitzt; siehe oben - der Verpflichtung enthoben waren, sich mit einzelnen Zeitangaben des Angeklagten H*** speziell auseinanderzusetzen. Außer acht läßt die Beschwerde in diesem Zusammenhang aber insbesondere auch, daß sich K*** in der Hauptverhandlung bezüglich des am 8. und 9.Jänner 1987 begangenen Betrugs zum Nachteil der Brigitte M*** ausdrücklich schuldig bekannt hatte (vgl S 29 des Hv-Protokolls) und damit seiner eigenen und der Verantwortung des H***, sie hätten einander seit Ende Dezember 1986 nicht mehr gesehen, den Boden entzog und es unnötig machte, darauf im Urteil noch weiter einzugehen. Geht man aber von den in der Faktengruppe B VI 2 bis 6 (hier: ab 13.10.1986) zusammengefaßten Betrügereien und davon aus, daß H*** und K*** zusammen lebten und dieser davon wußte, daß H*** alle Tage "seine Ration" (an Suchtgift) benötigte, dann kann im Zusammenhalt mit dem von K*** in der Hauptverhandlung abgelegten umfassenden Geständnis (S 4 des Hv-Protokolls) von einer unzureichenden Begründung der Konstatierung, es sei ihm bei Begehung der Betrügereien darauf angekommen, sich durch deren wiederholte Begehung eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen (US 31) keine Rede sein. Die insoweit in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen - K*** habe beim jeweiligen Erhalt der Schecks von H*** nicht im voraus gewußt, ob er weitere Schecks erhalten werde, das Urteil enthalte keine Feststellungen darüber, daß H*** ihm jeweils nach der Übergabe von gestohlenen Schecks sagte, daß er weitere Diebstähle begehen werde - finden zudem in der Verantwortung des Angeklagten K*** (vergleiche S 9 ff des Hv-Protokolls) keine Stütze und können mithin als rein hypothetische Überlegungen auf sich beruhen.

Soweit der Angeklagte K*** unter der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO bezüglich der Fakten B VI 4, 5 und 6 der Sache nach die unter der Z 5 gemachten Ausführungen wiederholt, wird er auf das dazu Gesagte verwiesen; im übrigen ergeben sich aber aus den Akten - der Beschwerde zuwider - keinerlei erhebliche Bedenken gegen die diesen Schuldsprüchen zugrundeliegenden Tatsachen und es wird in diesem Zusammenhang nochmals auf das in der Hauptverhandlung von K*** bezüglich des Faktums B VI 4 abgelegte Geständnis verwiesen. Der Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten H*** zuwider wurde er durch die Abweisung des von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, einen Sachverständigen aus dem Fach der Suchtgift-Psychologie zum Beweis dafür einzuvernehmen, daß H*** "die ihm vorgeworfenen Taten im Zusammenhang mit der Gewöhnung an Suchtmittel begangen hat und daß die Voraussetzungen nach § 22 StGB vorliegen hinsichtlich einer Einweisung in eine Anstalt für Entwöhnungsbedürftige" in seinen Verteidigungsrechten schon deshalb nicht geschmälert, weil das Unterbleiben der Unterbringungsanordnung nach § 22 StGB dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht (EvBl 1977/117) und daher von ihm nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Hinzu tritt, daß sich vorliegend angesichts der Höhe der über H*** verhängten Freiheitsstrafe (dreieinhalb Jahre) die Frage nach Anordnung des § 23 a SGG und des § 22 StGB - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - gar nicht mehr stellt.

Wenn die Beschwerde die Relevanz des Beweisantrages zusätzlich darauf stützt, daß der beantragte Sachverständige auch die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers hätte prüfen müssen, geht sie fehl, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Begehrens und den hiebei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (vgl SSt 41/71). Im vorliegenden Fall hat zudem das Schöffengericht - ohne durch den Inhalt des Beweisantrages hiezu genötigt zu sein (vgl S 29 des Hv-Protokolls) - dessen Abweisung auch damit begründet (vgl S 32 des Hv-Protokolls), daß sich keine Hinweise auf eine Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben hätten, er vielmehr planmäßig vorgegangen sei und auch keine Erinnerungslücken aufweise.

Die in der Mängelrüge (Z 5) in diesem Zusammenhang angeführten, vom Schöffengericht angeblich mit Stillschweigen übergangenen Beweisergebnisse betreffen durchwegs nicht die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers, sondern der Sache nach einerseits den Umstand, daß er durch seine Heroinsucht zu den Straftaten motiviert wurde und andererseits die körperlichen Folgen seiner Sucht, wobei das Urteil zum ersten Punkt ohnehin konstatierte, H*** habe den Erlös der Beute größtenteils für den Ankauf von Heroin verwendet (vgl US 26).

Wenn die Mängelrüge schließlich behauptet, das Erstgericht übergehe die Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach er zur Deckung seines Drogenbedarfes im Zeitraum von vier Monaten einen unter 100.000 S liegenden Betrag benötigte, läßt sie unberücksichtigt, daß er sich in der Hauptverhandlung generell im Sinne der Anklageschrift schuldig bekannt hatte (S 3 des Hv-Protokolls) und daß seiner und der Verantwortung der Mitangeklagten zu entnehmen ist, daß die Beute aus den Straftaten aufgeteilt wurde (vgl S 6 und 9, 10, 13, 17 und 22 des Hv-Protokolls).

Die Rechtsrüge des Angeklagten H*** (Z 9 lit b und 10) scheitert daran, daß es sich mit den darin aufgestellten Behauptungen - er sei im Zeitpunkt seiner Taten nicht zurechnungsfähig gewesen und der Diebstahlsschaden unter 100.000 S gelegen - von den konträren Urteilsfeststellungen entfernt. Damit gelangen aber die relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe nicht zur gesetzmäßigen Darstellung und muß darauf nicht weiter eingegangen werden.

Nach dem Gesagten war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Gleichermaßen war mit der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** zu verfahren, soweit ihr nicht - siehe oben - Berechtigung zuzuerkennen war.

Die übrigen Entscheidungen fußen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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