OGH 7Ob609/88

OGH7Ob609/8828.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei W*** DER P***- UND

T*** in der Steiermark, reg. Gen.mbH, vertreten

durch Dr. Willibald und Dr. Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wegen 254.687,90 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. März 1988, GZ 4 a R 11/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 9. November 1987, GZ 25 Cg 203/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist Eigentümerin des Fernmeldegebäudes in Graz, Ägydigasse 3. Im 13. Stockwerk dieses Gebäudes ist eine Kantine eingerichtet, zu deren Betriebseinrichtung ein Kaffeeautomat gehört. Die beklagte Partei hat die Kantine mit Vertrag vom 12. November 1975 von der klagenden Partei gepachtet. Nach dem Pachtvertrag trägt die Verpächterin die Kosten für die Instandhaltung der von ihr der Pächterin zur Verfügung gestellten Küchenmaschinen, soweit die Schäden nicht auf ein Verschulden der Pächterin zurückzuführen sind. Am 12. März 1984 wurde die der Verpächterin gehörende Kaffeemaschine wegen eines Defektes von der Firma G*** abmontiert. Am 13. März 1984 stellte die Firma G*** für die Reparaturdauer eine Leihmaschine auf, die aber nicht einwandfrei funktionierte und den zweimaligen Einsatz eines Monteurs erforderte. In der Nacht vom 14. auf den 15. März 1984 kam es durch einen Rohrbruch in der Kaffeemaschine zu einem Wasseraustritt. Die klagende Partei behauptet, dadurch an den im darunterliegenden Stockwerk befindlichen fernmeldetechnischen Anlagen einen Schaden von 254.687,90 S erlitten zu haben, dessen Ersatz sie begehrt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes habe die verschuldensunabhängige Haftung des Wohnungsinhabers nach § 1318 ABGB ihren Grund einerseits im Beweisnotstand des Geschädigten und andererseits in der Regreßmöglichkeit des Wohnungsinhabers gegen den schuldtragenden Schadensverursacher. Die Haftung des Wohnungsinhabers habe nur die Funktion einer Sicherung des Geschädigten vor der Unaufklärbarkeit der Schadensverursachung. Es liege nahe, die Haftung des Wohnungsinhabers dann zu verneinen, wenn dem Geschädigten auch kein Ersatzanspruch gegen den Verursacher zustünde. Es liege dann kein Beweisnotstand vor, der den Ersatzanspruch vereitle, sondern ein materieller Grund. Es könne in diesem Fall auch der Wohnungsinhaber keinen Regreß nehmen, ihm müßte daher auch nicht die Last des Rückgriffes aufgebürdet werden. Stehe dem Geschädigten, ohne daß er selbst im Beweisnotstand sei, die Möglichkeit offen, Regreß zu nehmen, weil er den Regreßpflichtigen kennen müsse oder zu ihm in einem vertraglichen Verhältnis stehe (etwa aufgrund der Erteilung eines Reparaturauftrages), dann falle der Grund weg, den Wohnungsinhaber ohne eigenes Verschulden haften zu lassen. Der Geschädigte könne sich in diesem Fall am Schädiger unmittelbar schadlos halten und es bedürfe nicht des Umweges über den Wohnungsinhaber. Im vorliegenden Fall sei die klagende Partei zur Instandhaltung des Inventars vertraglich verpflichtet. Sie habe - durch den Pächter - die Reparatur in Auftrag gegeben und müsse die Kosten bezahlen. Die klagende Partei sei weder im Beweisnotstand noch fehle ihr eine Regreßmöglichkeit. Sie könne aufgrund des im Zusammenhang mit dem Reparaturauftrag abgeschlossenen Leihvertrages unmittelbar auf ihren Vertragspartner zurückgreifen. Die Sicherungsfunktion des § 1318 ABGB sei daher im vorliegenden Fall nicht gegeben, weshalb eine Haftung der Pächterin nicht in Betracht komme.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Wird jemand durch das Herabfallen einer gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache oder durch Herauswerfen oder Herausgießen aus einer Wohnung beschädigt, so haftet gemäß § 1318 ABGB derjenige für den Schaden, aus dessen Wohnung geworfen oder gegossen worden oder die Sache herabgefallen ist. Das Gesetz nennt zwar nur die Wohnung, doch ist § 1318 ABGB analog auch auf andere Räume, wie etwa auf Geschäftslokale, anzuwenden (MietSlg. 17.238; JBl. 1965, 469;

JBl. 1958, 402; Reischauer in Rummel ABGB Rdz 5 zu § 1318 mwN;

Koziol, Haftpflichtrecht2 II 388). Haftpflichtig ist der Inhaber der Wohnung bzw. des Raumes, d.i. derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt zukommt, somit auch der Mieter oder Pächter (MietSlg. 27.234; MietSlg. 17.238; Reischauer aaO Rdz 3 mwN; Koziol aaO 387 f). Die Haftung setzt eine nach allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten objektiv kalkulierbare Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes voraus. Alltäglich gegebene Möglichkeiten geringen Grades genügen nicht. Ein schuldhaftes Verhalten des Wohnungsinhabers ist nicht erforderlich (MietSlg. 31.254; MietSlg. 24.196; SZ 39/170; SZ 37/140 uva). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Gründe für die strenge Haftung des Wohnungsinhabers der in der Regel gegebene Beweisnotstand des Geschädigten und die regelmäßig vorhandene Regreßmöglichkeit des Wohnungsinhabers sind (Koziol aaO 389 und 392;

Wolff in Klang2 VI 106), doch bilden diese, wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat, im Einzelfall keine gesetzliche Voraussetzung der Haftung nach § 1318 ABGB (SZ 51/116). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß im vorliegenden Fall eine Haftung der beklagten Partei nach § 1318 ABGB schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die klagende Partei nicht im Beweisnotstand sei, kann daher nicht geteilt werden. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kommt es auch nicht darauf an, ob der klagenden Partei ein Anspruch gegen die Firma G*** aus einer Vertragsverletzung zusteht, weil auch das Fehlen eines solchen auf seiten des Geschädigten keine gesetzliche Haftungsvoraussetzung des Wohnungsinhabers ist.

In Analogie zu gefährlich aufgehängten oder aufgestellten Sachen wird in Rechtsprechung und Lehre die Haftung für gefährlich verwahrtes Wasser bejaht. Das Vorhandensein einer Wasserleitung wird jedoch nicht schon als potentielle Gefahrenquelle angesehen. Daher begründet die Tatsache eines Wasserrohrbruches für sich allein noch nicht eine Haftung des Wohnungsinhabers nach § 1318 ABGB. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die nach den oben dargelegten Grundsätzen den Eintritt eines Schadens wahrscheinlich machen, nach denen objektiv mit einer Funktionsstörung oder einem Versagen von Vorrichtungen und demzufolge mit einem unkontrollierten Wasseraustritt zu rechnen ist (MietSlg. 33.231; MietSlg. 31.254 mwN; Reischauer aaO Rdz 10; Koziol aaO 390). Bei Beurteilung der Gefährlichkeit ist auch die Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens in die Betrachtung mit einzubeziehen. Je größer der vielleicht eintretende Schaden wäre, desto weniger braucht die Wahrscheinlichkeit zu sein, damit von einer gefährlichen Verwahrung gesprochen werden kann (1 Ob 602/76; Koziol aaO 391). Im vorliegenden Fall erfolgte der Wasseraustritt in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1984 infolge eines Rohrbruches in der Kaffeemaschine. Unbekämpft steht fest, daß es sich bei der Kaffeemaschine um eine Leihmaschine handelte, die erst am 13. März 1984 aufgestellt worden war und die nicht einwandfrei funktionierte, sodaß innerhalb eines nur kurzen Zeitraumes bis zum Eintritt des schädigenden Ereignisses der zweimalige Einsatz eines Monteurs erforderlich war. Ungeklärt blieb, welche Bereiche die Funktionsstörungen betrafen, dies geht jedoch zu Lasten der beklagten Partei. Leihmaschinen weisen nach der Lebenserfahrung hinsichtlich Betriebssicherheit und Wartungszustand eine sehr unterschiedliche Qualität auf (vgl. SV-Gutachten AS 46, ON 11). Treten bei solchen Maschinen innerhalb von nur zwei Tagen Funktionsstörungen auf, die den zweimaligen Einsatz eines Monteurs erfordern, kann nicht mehr gesagt werden, daß nur ein geringer Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes allenfalls auch durch Wasseraustritt gegeben wäre. Wasser in der Leitung einer nicht einwandfrei funktionierenden Leih-Kaffeemaschine stellt prima facie eine gefährliche Verwahrung dar. Die beklagte Partei hätte daher den Beweis der Ungefährlichkeit erbringen (vgl. Reischauer aaO Rdz 16) und allenfalls nachweisen müssen, daß unbeschadet der aufgetretenen Funktionsstörungen der Wasserzu- und -abfluß unter einer der menschlichen Überwachung gleichwertigen und ausreichenden Kontrolle stand. Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht einmal angetreten. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen ist daher die Haftung der beklagten Partei nach § 1318 ABGB zu bejahen. Da über den behaupteten Schaden und dessen Höhe jedoch keine Feststellungen vorliegen, erweist sich das Verfahren in erster Instanz als ergänzungsbedürftig.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 2 ZPO.

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