OGH 6Ob617/88

OGH6Ob617/8814.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Angst und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** DER Ö*** P*** Aktiengesellschaft, Opernring 3-5, 1015 Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Hubert Z***, Staplerfahrer, Boznerstraße 24, 6700 Bludenz, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen S 223.173,36 s.A. (Revisionsinteresse S 90.000,-- s.A.) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6. November 1987, GZ 4 R 133/87-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. Februar 1987, GZ 7 Cg 83/86-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Ausspruches über die Abweisung des Teilbegehrens von S 133.173,36 samt Anhang dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 223.173,36 samt 1,5 % Zinsen p.m. seit 27. Februar 1986 zur ungeteilten Hand mit Klaus K*** und Vesna K*** binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, zur Gänze abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 67.234,75 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten S 6.112,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Klaus K*** war von Mitte 1981 bis August 1985 Arbeiterbetriebsratsobmann der H*** Aktiengesellschaft in Thüringen. Der Beklagte ist dort schon seit mehreren Jahren als Staplerfahrer beschäftigt. Ab Anfang 1984 führte die klagende Partei bei der H*** Aktiengesellschaft "Kredit-Betriebsaktionen" durch, in deren Rahmen Betriebsangehörigen und ihren Familienmitgliedern Kredite zu günstigeren Bedingungen eingeräumt werden konnten. Dabei wurde von der klagenden Partei ein günstigerer Zinssatz als sonst allgemein üblich gewährt. Voraussetzung war, daß der Kreditantrag vom Betriebsratsobmann auszufüllen und von ihm an die klagende Partei zur Entscheidung über die Kreditbewilligung weiterzuleiten war. Der Betriebsratsobmann mußte die Richtigkeit der Angaben im Kreditantrag bestätigen. Für seine Tätigkeit wurde dem Betriebsrat für jeden bewilligten Kredit eine Prämie von S 100,-- angewiesen. Nach Einlangen solcher Kreditanträge prüfte die klagende Partei in der Regel die Richtigkeit der Angaben des Kreditwerbers, sofern sie nur "plausibel" erschienen und der Stempel des Betriebsratsobmannes vorhanden war, lediglich noch durch eine Anfrage an den Kreditschutzverband. Nach der Vereinbarung zwischen der klagenden Partei und dem Betriebsratsobmann hatte er bei der Ausfüllung des Kreditantrages auch die Identität des im Kreditantrag genannten Bürgen zu bestätigen. Soferne ein "Fremdbürge" - also eine andere Person als der Ehegatte des Kreditwerbers - einstand, stellte die klagende Partei schon 1984 die Kreditabrechnung im allgemeinen dem Bürgen mittels eingeschriebenen Briefes zu.

Anfang 1984 beantragten Klaus K*** und seine Ehegattin Vesna selbst bei der Filiale Dornbirn der klagenden Partei die Gewährung eines Kredites im Rahmen der "Kredit-Betriebsaktion". Mangels tauglichen Bürgens wurde der Kreditantrag aber abgelehnt. Klaus K*** rief darauf den Beklagten während der Arbeitszeit in sein Büro und fragte ihn im Zuge eines etwa zehn Minuten dauernden Gespräches, ob er die Bürgschaft für einen Kredit von S 90.000,--

übernehme. Der Beklagte war einverstanden und sagte Klaus K*** noch, er solle ihm aber keine Schwierigkeiten machen. Dieser legte ihm sodann ein Kreditantragsformular der klagenden Partei zur Unterfertigung vor. Der Beklagte las weder den Inhalt des auf der ersten Seite abgedruckten Kreditantrages noch die auf der zweiten Seite gedruckten Kreditbedingungen und unterfertigte das vorgelegte Formular. Bei der Unterfertigung des Kreditantrages durch den Beklagten war weder der in der Spalte "Kreditwunsch" einzusetzende Betrag noch waren die in der nächsten Spalte einzusetzende Anzahl der Rückzahlungsraten und die Höhe des monatlichen Rückzahlungsbetrages eingetragen. Klaus K*** und der Beklagte sprachen im Zusammenhang mit der Unterfertigung des Kreditantrages durch den Beklagten als Bürge und Zahler nicht weiter über die Kredit- bzw. Bürgschaftsbedingungen, vor allem auch nicht über die Höhe der monatlichen Rückzahlungsraten und die Verzinsung des Kredites. Es war auch nicht davon die Rede, daß die Ehegattin Klaus K*** als Kreditnehmerin auftreten sollte. Während der Aussprache mit dem Beklagten machte Klaus K*** im Kreditantragsformular keine Eintragungen. Der Beklagte erkundigte sich damals deshalb nicht weiter nach den näheren Bedingungen für seine Haftung, weil er Klaus K*** vertraute. Bei Unterfertigung des Kreditantrages war es dem Beklagten klar, daß Klaus K*** den Antrag an die klagende Partei weiterleiten werde. Hätte der Beklagte gewußt, daß Klaus K*** anstelle eines Betrages von S 90.000,-- einen solchen von S 200.000,-- einsetzen werde und er dann in diesem Umfang als Bürge zu haften habe, hätte er den Antrag nicht unterfertigt. Im Sommer 1984 verdiente der Beklagte bei der H*** Aktiengesellschaft im Durchschnitt etwa S 8.500,-- netto. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Der vorgedruckte Text des Kreditantrages enthält auf der ersten Seite unmittelbar über der Position "Unterschrift des Bürgen und Zahlers" folgenden Hinweis:

"Bei Annahme dieses Kreditantrages durch die PSK-Bank hafte ich als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB. Ich erkenne alle obigen und umseitigen Kreditbedingungen als für mich verbindlich an."

Vor Übermittlung des mit 18. Juni 1984 datierten Kreditantrages füllte Klaus K*** die für die handschriftlichen Eintragungen vorgesehenen Positionen aus und führte dabei unter anderem als Kreditwerber "K*** Klaus und Vesna" an. In der Position "Unterschrift des Kreditwerbers" findet sich jedoch nur die Unterschrift Klaus K***, nicht auch jene seiner Ehegattin. Klaus K*** unterfertigte auch in der für den jeweiligen Kreditvermittler vorgesehenen Spalte und brachte daneben den Stempelabdruck des Betriebsratsobmannes an.

Die klagende Partei bewilligte den von Klaus K*** vorgelegten Kreditantrag (Kredit-Kontonummer 445.9476). Dieser hatte im Antrag als "Kreditwunsch" den Betrag von S 200.000,-- und 120 monatliche Rückzahlungsraten a S 2.426,-- eingesetzt. Nach Bewilligung des Kredites erstellte die Klägerin eine an den Beklagten adressierte "Gleichschrift der Kreditabrechnung für den Bürgen" mit folgendem Inhalt:

"Betrifft: Ihre Bürgschaft für Klaus K***

.......

Wir freuen uns, Ihnen mitzuteilen, daß wir Ihren Kreditwunsch erfüllen konnten und erlauben uns, Ihnen die nachstehende Abrechnung zu übermitteln. Bitte prüfen sie diese nach.

Unsere Abrechnung gilt als anerkannt, wenn Sie innerhalb von 14 Tagen keine Einwendungen gemacht haben.

Die Anzahlung und die Höhe Ihrer Raten sowie die Rückzahlungstermine entnehmen Sie bitte dem unten stehenden Zahlungsplan. Sollten Sie die für Sie bestimmte Durchschrift des Kreditantrages noch nicht erhalten haben, finden Sie diese in der Beilage.

Abrechnung:

Beantragter Kredit S 200.000,--

Zinsen S 91.200,--

Bearbeitungsgebühr 0,--

Spesen S 45,--

Gesamtbelastung S 291.245,--

Restkredit-Lebens-Versicherung S 3.000,--

gesetzliche Vertrags-Gebühr S 1.600,--

insgesamt S 295.845,--

Zahlungsplan:

1. Rate zahlbar ab 15.7.1984 über S 7.151,--

119 aufeinanderfolgende monatliche Raten von jeweils

S 2.426,--

zahlbar ab 15. 8. 1985 bis 15.6.1994

der KK-Jahreszinssatz beträgt 7,9 % p.a.

Den Kredit haben wir Ihnen bar ausbezahlt.

Bitte zahlen Sie ihre Raten mit den beiliegenden Erlagscheinen so ein, daß der Betrag spätestens am Fälligkeitstag auf unserem PSK-Konto 4069.913 für Kreditkonto 445.9476 gutgeschrieben ist....."

Bis zur Klagseinbringung erhielt der Beklagte von der klagenden Partei keine Kopie des Kreditantrages vom 18. Juni 1984. Der Beklagte war schon 1984 und auch noch bis April 1986 im gemeinsamen Haushalt mit seiner am 27. Jänner 1908 geborenen Mutter Anna Z***. Der Postzusteller hat die an den Beklagten adressierte Gleichschrift der Kreditabrechnung für den Bürgen vom 20. Juli 1984 Anna Z*** am 27. Juli 1984 ausgefolgt.

Die beklagte Partei hat Klaus K*** den bewilligten Kredit von S 200.000,-- Anfang oder Mitte Juli 1984 ausbezahlt. Dieser verwendete den Großteil dieser Mittel zur Abdeckung von Kreditverbindlichkeiten. Zur Abdeckung des Kredites zahlte Klaus K*** am 31. Juli 1984 S 7.151,--, am 11. September 1984 S 2.426,--, am 21. September 1984 S 2.426,-- und am 17. Februar 1986 S 2.462,--, zusammen also nur S 14.465,-- zurück. Da er somit nicht die vereinbarten monatlichen Rückzahlungsraten leistete, sandte die klagende Partei Klaus K***, seiner Ehegattin Vesna und dem Beklagten Mahnungen zu. Ende 1984 erhielt der Beklagte auch tatsächlich zumindest eine dieser Mahnschriften. Er nahm trotzdem mit der klagenden Partei nicht Kontakt auf und leistete auch keine Zahlung. Zum 27. Februar 1986 errechnete die klagende Partei einschließlich der Verzugszinsen einen Saldo von S 291.040,20 zu Lasten des Kreditnehmers Klaus K***. Darin sind allerdings die Zinsen für die Restlaufzeit im Betrag von S 67.866,84 enthalten.

Gegen die ursprünglich Mitbeklagten Klaus und Vesna K*** erging in diesem Verfahren ein in Rechtskraft erwachsenes Versäumungsurteil.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 223.173,36 samt 1,5 % Zinsen p.m. seit 27. Februar 1986 zur ungeteilten Hand mit den beiden ursprünglich Mitbeklagten. Sie brachte vor, der Beklagte hafte als Bürge und Zahler für den an Klaus K*** ausbezahlten Kredit mit einem zum 27. Februar 1986 offenen Saldo von S 223.173,36. Der vereinbarte Terminsverlust sei eingetreten. Die Bürgschaft des Beklagten habe sich auf die Annahme eines Kreditantrages mit einem Kreditwunsch von S 200.000,-- und dem Wunsch zur Abzahlung in 120 monatlichen Raten a S 2.426,-- bezogen. Der Beklagte sei von der klagenden Partei im Juli 1984 nochmals unter genauer Aufschlüsselung des Kredites über seine Bürgschaft informiert worden und habe gegen seine Verpflichtung nie Einwendungen erhoben. Vorsichtshalber werde die Klagsforderung nicht nur auf das Kreditkonto Nr. 445.9476, sondern ganz allgemein auf die Haftung des Beklagten für das von der klagenden Partei an Klaus und Vesna K*** gewährte Darlehen gestützt.

Der Beklagte wendete ein, er habe für das genannte Darlehen nie die Haftung als Bürge und Zahler übernommen. Klaus K*** sei als Freund und Arbeitskollege an ihn mit der Bitte herangetreten, für einen Kredit bis höchstens S 90.000,-- gutzustehen. Auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses habe der Beklagte den Kreditantrag blanko unterschrieben. Erst im Rechtsstreit habe er erfahren, daß Klaus K*** den Kreditantrag abredewidrig ausgefüllt und einen Kredit von S 200.000,-- in Anspruch genommen habe. Klaus K*** habe den Beklagten vorsätzlich in Irrtum geführt. Ein Bürgschaftsvertrag sei nie zustande gekommen. Es fehle nämlich die für die Gültigkeit der Bürgschaft erforderliche Schriftform. Der Beklagte habe der klagenden Partei gegenüber nie eine Bürgschaftserklärung abgegeben. Sollte dennoch ein Bürgschaftsvertrag zustande gekommen sein, wäre er sittenwidrig und daher nichtig. Klaus K*** sei für die klagende Partei als Kreditvermittler tätig gewesen und habe den Beklagten durch List zur Unterschriftsleistung verleitet. Mangels Unterfertigung des Kreditvertrages durch Vesna K*** sei kein Kreditvertrag und deshalb auch kein Bürgschaftsvertrag mit dem Beklagten zustande gekommen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 90.000,-- s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 133.173,36 s.A. ab. Es stellte - außer dem schon eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - weiters fest, es könne nicht festgestellt werden, ob und inwieweit sonstige handschriftliche Eintragungen (Personalien etc.) bei Unterfertigung durch den Beklagten bereits vorhanden waren und ob Anna Z*** die von ihr übernommene Postsendung dem Beklagten ausgefolgt habe. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Bürgschaftsvertrag bedürfe zu seiner Gültigkeit einer schriftlichen Verpflichtungserklärung des Bürgen, deren Zweck die Vermeidung unüberlegter Gutstehungserklärungen sei. Daraus folge jedoch nicht, daß zwischen den Parteien nur das gelte, was dem Wortlaut der schriftlichen Bürgschaftserklärung zu entnehmen sei. Es genüge vielmehr, daß aus der Urkunde die wesentlichen Merkmale der Bürgschaftsverpflichtung hervorgingen. Im übrigen könnten zur Ermittlung des wahren Sinnes der Bürgschaftserklärung auch anderweitige, außerhalb der Urkunde liegende Beweismittel herangezogen werden. Maßgebend sei nicht der Inhalt der vereinbarungswidrig ausgefüllten Bürgschaftsurkunde, sondern der tatsächliche Inhalt der Vereinbarung. Die Bürgschaftserklärung müsse auch nicht den Betrag der verbürgten Schuld angeben. Der handschriftlichen Erklärung des Bürgen müsse zu entnehmen sein, für welche Schuld gehaftet werde. Klaus K*** sei zwar nicht als Kreditvermittler für sich selbst anzusehen, habe aber im weiteren Sinn als Vertreter der klagenden Partei gehandelt. Diese habe sich darauf verlassen, daß ihr Klaus K*** einen tauglichen Bürgen stelle, mit diesem die erforderlichen Verhandlungen über die Bürgschaftserklärung führe und deren Richtigkeit im Kreditantrag bestätige. Sie habe ihm auch die erforderlichen Formulare überlassen. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß Klaus K*** über die notwendigen Unterlagen verfüge und offenbar ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der klagenden Partei und Klaus K*** bestehe. Im Vertrauen auf diesen von der klagenden Partei geschaffenen äußeren Tatbestand habe der Beklagte darauf vertrauen dürfen, daß Klaus K*** die Verhandlungen auch im Namen und im Interesse der klagenden Partei führe und der tatsächliche Inhalt der Vereinbarung vom 18. Juni 1984 für den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung maßgebend sei. Zwischen dem Beklagten und Klaus K*** habe Einvernehmen darüber bestanden, daß sich der Beklagte für einen Kredit von S 90.000,-- verbürge. Durch die Unterfertigung habe der Beklagte auch die im Kreditantrag angeführten Kreditbedingungen akzeptiert. Unerheblich sei es, ob der Beklagte das Schriftstück durchgelesen habe. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn der Urkundeninhalt derart ungewÄhnlich wäre, daß ein Einverständnis ausgeschlossen erscheine. Dem Beklagten sei bei der Unterschriftsleistung bewußt gewesen, daß die Verpflichtungserklärung an die klagende Partei weitergeleitet und damit eine Bürgschaftsverpflichtung ihr gegenüber begründet werde. Es habe Willensübereinstimmung darüber bestanden, daß der Beklagte die Haftung als Bürge und Zahler für einen Betrag von S 90.000,-- übernehme. Das vereinbarungswidrige Ausfüllen der Bürgschaftsurkunde durch Klaus K*** über den Betrag von S 90.000,-- hinaus könne aber nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Dem Beklagten sei die Kreditabrechnung zugegangen. Wohl gelte Stillschweigen nicht schlechthin als Zustimmung, doch wäre es dem Beklagten nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt möglich und zumutbar gewesen, mit der klagenden Partei direkt die nach der Kreditabrechnung denkbaren Unklarheiten zu erörtern und auf Klarstellung über die tatsächlich vereinbarte Bürgschaft zu dringen. Eine nachträgliche konkludente Ausdehnung der Bürgschaftshaftung über den Betrag von S 90.000,-- hinaus sei nicht eingetreten. Insoweit fehle es auch an der notwendigen Schriftform. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sei nicht sittenwidrig. Der Beklagte sei sich der Übernahme einer solchen Verpflichtung bewußt gewesen. Der Bürgschaftsvertrag sei auch trotz der unterlassenen Unterfertigung des Kreditvertrages durch Vesna K*** zustande gekommen. Gegenstand der Vereinbarung vom 18. Juni 1984 sei nämlich die Übernahme einer Bürgschaftsverpflichtung für einen Kredit an Klaus K*** gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es führte aus, entscheidend sei, ob die Blankounterschrift des Beklagten dem Schriftlichkeitsgebot des § 1346 Abs 2 ABGB entspreche. Während ein Teil der österreichischen Lehre sowie die Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland die Auffassung verträten, daß die Bürgschaft auch durch Blankounterschrift übernommen werden könne, lehnten dies die österreichische Rechtsprechung und andere inländische Autoren ab. Ob die Blankounterschrift genüge, sei wie bei Vollmachten nach dem Formzweck und demnach für den Bereich der Bürgschaft aus dem Gesichtspunkt, den Bürgen vor leichtfertiger Übernahme solcher Verpflichtungen zu schützen, zu beurteilen. Daraus folge, daß die Blankounterschrift jedenfalls dann, wenn dem Bürgen die Unterfertigung eines Blanketts gar nicht bewußt werde und eine Korrektur im Sinne seines Verpflichtungswillens möglich sei, der Gültigkeit der Bürgschaft nicht entgegenstehe. Er könne sich dann nämlich nicht als beschwert erachten, wenn dem Blankett jene Wirkung zugemessen werde, die es nach seinem Willen hätte haben sollen. Zumindest soweit sei der Bürge nicht schutzwürdig. Die blanko unterschriebene Bürgschaftserklärung sei wegen Irrtums anfechtbar, wenn das Blankett - wie hier - abredewidrig ausgefüllt worden sei. Einem redlichen Dritten gegenüber versage allerdings die Irrtumsanfechtung nach abredewidriger, jedoch verdeckter, also nicht in Gegenwart des Dritten erfolgter Ausfüllung des Blanketts. Es gälten dann nämlich nicht die Irrtumsregeln und die vervollständigte Urkunde bilde im Rechtsverkehr eine Erklärung dessen, der die Unterschrift geleistet habe. Nach § 871 ABGB sei ein Irrtum auch dann "durch den anderen veranlaßt" und somit beachtlich, wenn dieser zwar nicht Vertragspartner oder dessen Vertreter, wohl aber eine Person sei, die beim Vertragsabschluß oder bei dessen Vorbereitung für den Vertragspartner tätig gewesen sei. In solcher Stellung habe Klaus K*** gehandelt. Er sei als Betriebsratsobmann von der klagenden Partei als allgemein mit der Vorbereitung von Kreditgeschäften im Rahmen der Kredit-Betriebsaktion betraut worden, habe über die entsprechenden Formulare der klagenden Partei verfügt und auf diesen die Richtigkeit der Angaben der Kreditwerber zu bestätigen gehabt. Die klagende Partei müsse sich daher die von Klaus K*** abredewidrig vorgenommene Ausfüllung der Bürgschaftserklärung irrtumsrechtlich zurechnen lassen. Der von der klagenden Partei veranlaßte Irrtum des Beklagten sei allerdings bloß unwesentlich gewesen. Unwesentlich sei der Irrtum, wenn er sich auf einen Nebenpunkt beziehe, das Geschäft also ohne ihn anders abgeschlossen worden wäre. Die Parteien hätten zwar auch bei Kenntnis der wahren Sachlage, jedoch unter anderen Bedingungen kontrahiert. Ob das zutreffe, müsse nach dem hypothetischen Willen der Vertragsteile, sei dies aber nicht möglich, danach beurteilt werden, wie redliche Parteien gehandelt hätten. Der Wille des Beklagten sei auf die Übernahme einer Bürgschaft für eine Darlehensverbindlichkeit Klaus K*** von S 90.000,-- gerichtet gewesen. Es stehe somit fest, daß der Beklagte ohne den Irrtum gleichwohl, allerdings zu anderen Bedingungen, abgeschlossen hätte. Es sei deshalb eine Vertragskorrektur im Sinne des wahren Willens des Beklagten vorzunehmen, die die teilweise Klagsstattgebung rechtfertige.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision ist berechtigt.

Der Beklagte wirft in seinem Rechtsmittel zwei für den Streitausgang maßgebliche Fragen auf: Einmal, ob sich der Bürge durch Unterzeichnung eines Blanketts wirksam verpflichten könne, und zum anderen, ob der Beklagte den Bürgschaftsvertrag bei Annahme der Formgültigkeit wegen List bzw. Irrtums anfechten könne.

Hiezu ist zu erwägen:

Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist - soweit nicht handelsrechtliche Sonderregelungen (§§ 350 f HGB) zur Anwendung gelangen - erforderlich, daß die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird (§ 1346 Abs 2 ABGB). Die Schriftform, die mit § 97 III.TN zum Zwecke der Vermeidung der schweren Folgen unüberlegter Gutstehungserklärungen - nach dem Vorbild des § 766 BGB - eingeführt wurde (HHB 148; Ohmeyer-Klang in Klang2 VI 205), gilt jedoch nur für die Verpflichtungserklärung des Bürgen (JBl. 1985, 681 ua). Das Formgebot hat aber nicht zur Folge, daß nur der dem Wortlaut der schriftlichen Bürgschaftserklärung zu entnehmende Inhalt zwischen den Parteien gilt, es genügt vielmehr, wenn aus der Urkunde die wesentlichen Merkmale der Bürgschaftsverpflichtung hervorgehen (EvBl. 1980/99 ua). Obgleich dem Schriftformgebot schon mit der eigenhändigen Unterfertigung eines auch von anderer Hand bzw. mit Maschine geschriebenen oder gedruckten Textes Genüge getan wird (Rummel in Rummel, ABGB, § 886 Rz 1), kann es doch fraglich sein, ob auch die Unterzeichnung eines Blanketts - also eines leeren oder doch mit einem unvollständigen Text versehenen Papieres, das nach dem Willen des Unterzeichnenden von einem Dritten zu einer Willenserklärung vervollständigt werden soll (Rummel aaO § 871 Rz 8; Larenz, Lehrbuch, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts6, § 33 III), - diesem Formgebot vor allem dann noch genügt, wenn es den Unterzeichnenden nach der Absicht des Gesetzgebers - wie im Falle der Bürgschaft - vor unüberlegten Verpflichtungserklärungen bewahren soll. Während der Bundesgerichtshof (NJW 1984, 798 mwN) und das deutsche Schrifttum (Pecher in MünchKomm.2 § 766 BGB Rz 13;

Soergel-Mühl, BGB11 § 766 Rz 5; Staudinger-Brändl, BGB10/11 § 766 Rz 8; Pallandt-Thomas, BGB47 § 766 Anm. 1) die Formwirksamkeit der Blankobürgschaft einhellig bejahen, weil nur die Unterschrift des Ausstellers eigenhändig sein müsse und daher die von ihm unterzeichnete unvollständige Bürgschaftserklärung in Übereinstimmung mit seinem Willen von einem hiezu ermächtigten Dritten durch Einfügen der für die Verpflichtungserklärung erforderlichen Angaben ergänzt und wirksam gemacht werden könne, kann eine solche Einmütigkeit für den österreichischen Rechtsbereich nicht festgestellt werden. Die Rechtsprechung vertritt zwar stets die Auffassung, daß die Unterfertigung eines Blankowechsels als Annehmer, um für eine fremde Schuld wechselmäßig einzustehen, in eine Bürgschaftsverpflichtung nach bürgerlichem Recht nicht umgedeutet werden könne (HS 11.827; EvBl. 1978/102; ZBl. 1929/318; SZ 14/58; SZ 8/325; 5 Ob 253/71), hat aber - soweit überblickbar - bisher nur einmal ausgesprochen, daß die Unterfertigung eines Blankoschuldscheines zur wirksamen Begründung der Bürgschaft nicht ausreiche (RZ 1935, 31 = RSpr 1935/6). Dagegen hat der Oberste Gerichtshof in jüngeren Entscheidungen (1 Ob 709/83; ähnlich JBl. 1985/681) dargelegt, daß nicht der Inhalt der vereinbarungswidrig ausgefüllten Bürgschaftsurkunde maßgebend sei, sondern der tatsächliche Inhalt der Vereinbarung, die die Beteiligten bzw. deren Bevollmächtigte bei der Fertigung einer Blankobürgschaftserklärung trafen, hat also dort deren Wirksamkeit vorausgesetzt. Auch die Lehre bietet kein einheitliches Bild: Rummel (aaO § 886 Rz 1) und Mader (in Schwimann, ABGB § 1346 Rz 5) verneinen die Formgültigkeit der Bürgschaftserklärung bei Unterzeichnung eines Blanketts allein unter Hinweis auf den Formzweck (Rummel) oder bloß durch Zitierung der schon erwähnten älteren Entscheidung (Mader), wogegen Wahle (in seiner Glosse zu RSpr 1935/6) und Gschnitzer (auch in der von Faistenberger/Barta/Eccher besorgten zweiten Auflage des Allgemeinen Teiles des Schuldrechts 269) die Formwirksamkeit von Blankobürgschaften bejahen. Wahle vertritt die Auffassung, § 1346 Abs 2 ABGB fordere bloß die Schriftform, verweise somit auf die allgemeinen Grundsätze über deren Erfordernisse im § 886 ABGB. Die in der besprochenen Entscheidung vertretene Auffassung wäre nur dann haltbar, wenn die Blankettunterschrift in allen Fällen, in welchen Schriftlichkeit gefordert werde, für nicht genügend erachtet werde. Auch aus dem Zweck des § 1346 Abs 2 ABGB lasse sich eine Sondervorschrift für die Bürgschaft nicht rechtfertigen, weil das Verlangen der Schriftform in allen Fällen dem Zweck diene, unüberlegte Verpflichtungen zu verhindern und eine sichere Beweisgrundlage zu schaffen. Da selbst Wechselverpflichtungen in Form eines Blanketts eingegangen werden könnten, sei eine Auslegung auszuschließen, die auf dem Gebiet des weniger formellen allgemeinen Zivilrechtes der Blankounterschrift Rechtswirksamkeit verwehre.

Ob die Blankettunterschrift dem Formgebot genügt, ist - so auch

Rummel - an dessen Zweck zu messen. Der mit der Schriftlichkeit

verknüpften Warnfunktion trüge letztlich auch die Blankounterschrift

Rechnung, wenn gleichzeitig eine entsprechende Ausfüllungsabrede

getroffen wird. Die Frage, wen das mit der Möglichkeit

abredewidriger Ausfüllung des Blanketts verbundene Risiko trifft,

kann wohl kaum anders gesehen werden, als wenn jemandem eine

schriftliche Vollmacht zur Ausstellung von Bürgschaftserklärungen

erteilt wird (RdW 1987, 407; SZ 14/58). Die Blankettunterzeichnung

könnte umsomehr dann als ausreichend angesehen werden, wenn der

schon vorhandene Blankettext - wie im vorliegenden Fall - dem

Unterzeichnenden, so er den Text überhaupt liest, klar vor Augen

führt, daß er mit der Unterschrift eine - mündlich auch schon

ausgehandelte - Bürgschaft übernehmen soll. Wenn demnach die

Auffassung des Berufungsgerichtes auch gewichtige Argumente für sich

hat, so muß doch diese Frage im vorliegenden Fall nicht abschließend

geklärt werden, weil sich der Beklagte - wie noch zu zeigen sein

wird - erfolgreich auf die Anfechtung des Bürgschaftsvertrages wegen

List berufen kann.

Der Beklagte hat den Bürgschaftsvertrag für den Fall, daß er dem

Formgebot entsprechend zustande gekommen sein sollte, wegen List -

und damit implicite auch wegen veranlaßten Irrtums (vgl. JBl. 1988,

374) - angefochten. Das Erstgericht hat unbekämpftermaßen

festgestellt, daß Klaus K*** den Beklagten mit der Behauptung, er

benötige seine Bürgschaft für einen Kredit von S 90.000,--, zur

Unterschrift als Bürge und Zahler (§ 1357 ABGB) veranlaßt und das

Formular "vor Übermittlung des Kreditantrages vom 18. Juni 1984"

abredewidrig mit einem "Kreditwunsch" von S 200.000,-- ausgefüllt habe. Die Feststellung, daß Klaus K***

den Beklagten zur Unterschriftsleistung bereits mit dem Vorsatz, das Blankett sodann abredewidrig auszufüllen, bestimmt habe, hat das Erstgericht allerdings nicht getroffen.

Bei einem erst nachträglich gefaßten Vorsatz, von dem - da insoweit der Beklagte beweisbelastet ist - ausgegangen werden muß, könnte es aber fraglich sein, ob dann überhaupt Irrtumsregeln anwendbar sind. Während der Bundesgerichtshof und die deutsche Lehre in neuerer Zeit - bei allerdings weitgehend anderem Irrtumsrecht - in solchen Fällen nur Mißbrauch der Vertretungsmacht einwenden lassen wollen (Larenz aaO mwN; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht 54 ff; Rummel aaO § 871 Rz 8), sprechen sich Gschnitzer in Klang2 IV/1 268 und Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 1. Aufl. 150 und 2. Aufl. 208 sowie Ehrenzweig, System2 I/1 267 in solchen Fällen für die Irrtumsanfechtung aus. Rummel (aaO) differenziert: Bei offener Blankettausfüllung - also "vor den Augen" des Dritten - soll Vollmachtsrecht gelten, bei verdeckter, bei der der Dritte die Erklärung erst als vervollständigt zu Gesicht bekommt, spricht sich Rummel hingegen für die Anwendung der Irrtumsregeln, was angesichts der Beschränkungen der §§ 870 ff ABGB eher als zum Bürgerlichen Gesetzbuch vertretbar erscheine, aus. Im vorliegenden Fall hat Klaus K*** den vom Beklagten als Blankett unterzeichneten Kreditantrag vervollständigt und erst danach an die klagende Partei übermittelt. Es ist also von verdeckter Blankettausfüllung auszugehen. Der erkennende Senat tritt der Ansicht Rummels zur verdeckten Blankettausfüllung insoweit bei, als es gerechtfertigt erscheint, schon im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung einen (von Klaus K*** veranlaßten) Irrtum des Beklagten über die Höhe der Kredit- und damit der Bürgschaftssumme anzunehmen, weil sich der Irrtum auch auf unrichtige Vorstellungen über künftige Entwicklungen beziehen kann (Rummel aaO § 871 Rz 2). Dann aber hat Klaus K***, auch wenn er sich erst nachträglich zur abredewidrigen Ausfüllung entschlossen haben sollte, den schon vorhandenen Irrtum des Beklagten ausgenützt, um sich durch vereinbarungswidrige Ausfüllung des Blanketts auf eine größere Summe einen höheren Kredit zu verschaffen. Daß Klaus K*** verpflichtet gewesen wäre, vor Ausfüllung das Einverständnis des Beklagten zu suchen, kann nicht zweifelhaft sein. Auch ist im Hinblick auf den zwar nicht festgestellten, gewiß aber nur kurzen Zeitraum zwischen Unterzeichnung durch den Beklagten und Ausfüllung des Blanketts sowie angesichts der Höhe der vereinbarten, noch vielmehr jedoch der dann tatsächlich eingetragenen und erlangten Kreditsumme davon auszugehen, daß Klaus K*** beim Ausfüllen des Kreditantrages bewußt abredewidrig vorgegangen ist. Jede andere Annahme wäre geradezu lebensfremd.

Zutreffend haben die Vorinstanzen das Verhalten Klaus K*** bei der Veranlassung des Beklagten zur Unterzeichnung des Blanketts und dessen Ausfüllung der klagenden Partei zugerechnet. Nach einhelliger Auffassung (SZ 44/59 uva; Rummel aaO § 875 Rz 2; Koziol-Welser Grundriß I8 132 und FN 98) ist § 875 ABGB, der den Getäuschten (bzw. Irregeführten) an seinen Vertragspartner bindet, soweit dieser gutgläubig ist, auf Personen, die auf seiten eines der beiden Teile als Geschäftsgehilfe (Vertreter, Vermittler, Verhandlungsführer usw.) aufgetreten sind, nicht anzuwenden:

Bewirken solche Personen einen Willensmangel, so wird dieser der Partei, für die sie tätig wurden, so zugerechnet, als ob sie selbst gehandelt hätte. Die Haftung für das Verhalten des Verhandlungsführers trifft jenen Vertragsteil, der diesen zum Mann seines Vertrauens gemacht hat. Dies gilt zwar nicht schon dann, wenn der Schuldner auf Veranlassung des Gläubigers mit seinem Bekannten wegen Übernahme der Bürgschaft verhandelt, wohl aber, wenn der Gläubiger selbst ein über den mit jeder Bürgschaft verbundenen Sicherungszweck hinausgehendes Interesse an der Abgabe der Bürgschaftserklärung hatte. Überläßt er unter solchen Umständen dem Schuldner Verhandlungen über die Bürgschaft und bewirkt derselbe einen Irrtum des Bürgen, kann sich dieser darauf auch dem anderen Vertragsteil gegenüber berufen (SZ 44/59 mwN ua).

Das Berufungsgericht hat richtig hervorgehoben, daß Klaus K*** im Rahmen einer groß angelegten Kredit-Betriebsaktion in seiner Stellung als Betriebsratsobmann von der klagenden Partei ganz allgemein mit der Akquisition von Kreditanträgen seitens der Unternehmensangehörigen betraut war, von ihr mit den notwendigen Unterlagen, vor allem auch den erforderlichen Formularen ausgestattet wurde und in seiner Eigenschaft als Belegschaftsvertreter die Angaben der Kreditwerber zu bestätigen hatte. Das Interesse der klagenden Partei, die Klaus K*** für seine Tätigkeit auch dem Betriebsrat gewidmete Prämien zugesichert hatte, ging somit über den konkreten Fall - einen Bürgen für den vom Verhandlungsführer selbst beantragten Kredit stelligzumachen - weit hinaus, was allein schon in der Abwicklung der Betriebs-Kreditaktion und der Einbindung Klaus K*** in diese deutlich genug zum Ausdruck gelangt.

Ist aber das listige Vorgehen Klaus K*** - nämlich die bewußte Ausnützung des von ihm beim Beklagten ausgelösten Irrtums über die Höhe der Kredit- und Bürgschaftssumme (vgl. hiezu Rummel aaO § 870 Rz 4; Koziol-Welser aaO 130 und FN 89) - der klagenden Partei wie deren eigenes Verhalten zuzurechnen, so kann der Beklagte die Aufhebung des Vertrages in jedem Fall verlangen, weil listige führung den Getäuschten bei jeder Art von Irrtum, somit auch bei unwesentlichem Irrtum bzw. Motivirrtum zur Vertragsanfechtung berechtigt (Rummel aaO § 870 Rz 3; Koziol-Welser aaO 131). Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß der Beklagte den Kreditantrag als Bürge und Zahler nicht unterschrieben hätte, hätte er damals gewußt, daß Klaus K*** anstelle des vereinbarten Betrages von S 90.000,-- einen solchen von S 200.000,-- als Kreditsumme eintragen werde (ON 24, S. 12 = AS 116). Damit war das listige Vorgehen Klaus K*** für den Vertragsabschluß auch kausal. Aber selbst wenn man davon ausginge, daß Klaus K*** - entgegen der eindeutigen Sachlage - doch den Beklagten nicht vorsätzlich irregeführt habe, könnte der Beklagte dennoch Vertragsaufhebung begehren. Sein Irrtum war von Klaus K***, dessen Verhalten - wie gesagt - der klagenden Partei zuzurechnen ist, veranlaßt worden (§ 871 erster Fall ABGB) und er war außerdem auch Geschäftsirrtum (über die Höhe des Kredites und der Bürgschaft) und - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - für den Vertragsabschluß wesentlich. Der Irrtum ist wesentlich, wenn der Erklärende das Geschäft ohne ihn nicht geschlossen hätte, unwesentlich hingegen nur, wenn er sich auf einen Nebenpunkt bezieht, wenn das Geschäft somit ohne ihn anders geschlossen worden wäre. Die Parteien hätten zwar auch bei Kenntnis der wahren Sachlage, jedoch unter anderen Bedingungen kontrahiert. Daß eine Partei zu einem Vertrag mit anderem Inhalt bereit gewesen wäre, reicht zur Annahme unwesentlichen Irrtums nicht aus (SZ 53/108 ua; Bydlinski, Privatautonomie, 183; Koziol-Welser aaO 120). Die Frage, ob der Irrtum als wesentlich oder unwesentlich zu beurteilen sei, muß durch Feststellung des hypothetischen Willens der konkreten Parteien geklärt werden, und nur dann, wenn dies nicht möglich ist, ist zu fragen, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten (Koziol-Welser aaO 120 und FN 33). Das Berufungsgericht meint, der Beklagte hätte für einen Kredit von S 90.000,-- bürgen wollen, der Bürgschaftsvertrag sei deshalb mit diesem Inhalt aufrechtzuerhalten. Das Gericht zweiter Instanz übersieht dabei jedoch, daß der Bürgschaftsvertrag im Rahmen einer Vertragskorrektur nicht allein gesehen werden darf, sondern einer Bestandsprüfung auch der nicht angefochtene (und wohl auch nicht anfechtbare) Kreditvertrag miteinzubeziehen ist. Der Beklagte hätte den Kreditantrag nicht unterzeichnet, hätte er gewußt, daß ein Kredit von S 200.000,-- aufgenommen werden solle (ON 11, S. 9 = AS 41; ON 24, S. 22 = AS 126). Zutreffend verweist er auch in seiner Revision darauf, bei einem Kredit von S 200.000,-- müsse der Schuldner wesentlich höhere monatliche Rückzahlungsverpflichtungen auf sich nehmen als bei einem solchen von S 90.000,--, so daß es wesentlich wahrscheinlicher sei, daß der Bürge - auch wenn er nur für einen Teil des Kredites hafte - vom Gläubiger selbst in Anspruch genommen werde. Dazu kommt, daß sich der Beklagte nur aus Freundschaft, im Vertrauen auf die Redlichkeit und gewiß auch im Hinblick auf die betriebliche Stellung Klaus K*** zur (unentgeltlichen!) Bürgschaft bestimmen ließ und gewiß davon Abstand genommen hätte, überhaupt zu unterschreiben, hätte er vorausgesehen, daß ihn sein "Freund" hintergehen und sein Vertrauen mißbrauchen werde. Es ist aber auch nicht anzunehmen, daß die klagende Partei bei Kenntnis der mündlichen Ausfüllungsabrede einer von den Vorinstanzen im Ergebnis angepaßten Vertragslage - Kredit von S 200.000,--, Bürgschaft aber nur für S 90.000,-- - zugestimmt hätte. Das folgt nicht zuletzt daraus, daß ein Kreditansuchen Klaus K*** unter Zusage der Verbürgung seiner Ehegattin trotz seiner Vertrauensstellung der klagenden Partei gegenüber im Rahmen der Betriebs-Kreditaktion von dieser abgelehnt worden war. Es ist daher davon auszugehen, daß der Kreditvertrag und damit auch der Bürgschaftsvertrag bei Kenntnis des Beklagten von der wahren Sachlage weder auf seiten der klagenden Partei noch seitens des Beklagten zustande gekommen wäre. Der Irrtum des Beklagten war somit wesentlich, so daß er ihn auch ohne Annahme von List zur Vertragsaufhebung berechtigte.

Ist der Vertrag infolge Anfechtung seitens des Beklagten aufgehoben, so ist der eingeklagten Forderung der Boden entzogen, so daß in Stattgebung der Revision das Klagebegehren auch im restlichen von den Vorinstanzen stattgegebenen Teil abzuweisen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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